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Adele: Herzschmerz und Tagtraum

Ganz große Gefühle: Die Londoner Musikerin Adele begeistert im Berliner Huxley’s

Sie schickt ihre Stimme allein voraus. Zu sehen ist noch nichts von Adele, als sie die erste Strophe von „Hometown Glory“ anstimmt. Der nur vom Pianisten begleitete Auftakt wirkt in doppelter Hinsicht programmatisch. Er sendet die Botschaft: Es geht hier einzig und allein um das sensationelle Soul-Organ der 22-jährigen Sängerin aus London – und es wird ein Abend der Balladen.

Ganz in Schwarz, mit einem halben Pfund Lidschatten und locker gebundenem Pferdeschwanz, steht Adele auf der Bühne des ausverkauften Huxley’s. Sie bleibt stets an ihrem Platz in der Mitte, bewegt nur ein wenig die Arme. Ihre fünfköpfige Band spielt meist im Dunklen, ist relativ leise gemischt und hält sich stark zurück. Genau wie die beiden Background-Sängerinnen, die die meiste Zeit wippend am Rand bleiben. Alles ist darauf ausgerichtet, Adeles voluminöse Altstimme möglichst hell strahlen zu lassen. Und das tut sie! Wenn die Sängerin in „Fire to the Rain“, angetrieben von einer wuchtigen Bassdrum, auf den ersten großen emotionalen Höhepunkt zusteuert, meint man, sie könne den Saal auch ganz ohne Mikrofon füllen, nur mit ihren langen, kraftvollen Noten.

Das anschließende „Daydreamer“ präsentiert sie allein mit ihrer Akustikgitarre und meistert die leiseren Töne ebenfalls mühelos. Ihre Stärke sind jedoch eindeutig die dramatisch anschwellenden Herzschmerz-Refrains, von denen sie jede Menge im Programm hat. Es ist schade, dass Adele die hohe Emotionalität durch ihre Ansagen immer wieder bricht und vertreibt. „Ja, ein paar Jungs würde ich schon gern abknallen … Hier geht’s um jemanden der, mich nicht so geliebt hat, wie ich ihn … Das hier auf der Tasse ist mein Hund, eine deutsche Rasse …“. Das wirkt zwar sympathisch bodenständig, doch es raubt der knapp 90-minütigen Show einiges an Spannung. Mitreißend wird es bei den schnelleren Stücken. Der Sixties-Stomper „Rumor Has It“ lässt den Holzboden vibrieren, und die Interpretation des Steeldrivers-Countrysongs „If It Hadn’t Been for Love“ bringt mit Banjo und Melodika eine interessante zusätzliche Färbung in den Abend. Ein weiterer Höhepunkt ist „My Same“ vom ersten Album „19“, das hierzulande durch Lenas Coverversion bekannt wurde. Dafür möchte man sich im Huxley’s gleich noch mal eine Runde fremdschämen – eine halbe Galaxie liegt zwischen der Engländerin und der Eurovision-Gewinnerin.

Bis ganz zum Schluss spart sich Adele ihren größten Hit „Rolling in the Deep“ vom aktuellen Album „21“ auf. Er ist ihre erste Nummer eins in Deutschland, auch in England verdankt sie ihm einen Rekord. Als erste lebende Musikerin seit den Beatles war sie gleichzeitig mit zwei Alben und zwei Singles in den Top 5 der UK-Charts. Dass das ein verdienter Triumph ist, beweist sie im euphorisierenden Finale des Berliner Konzerts. Hoffentlich lassen die Teilnehmerinnen von Talentshows wie „Deutschland sucht den Superstar“ die Finger von diesem Song.

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