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Ursprünglich wurde die Familie für einen Cartoon im „New Yorker“ erfunden.

© Universal Pictures

„Addams Family“ im Kino: Auch Vampire brauchen Liebe

Das animierte Abenteuer der „Addams Family“ ist ein Loblied auf die Andersartigkeit. Dabei bleibt der Film nahe am gezeichneten Original.

Am liebsten würde man sich von ihr adoptieren lassen. Und ins per Staubpuster täglich frisch eingesaute Schloss der Sippe ziehen, zu der neben den Kindern Wednesday und Pugsley, den Eltern Morticia und Gomez, Cousin Itt und Onkel Fester auch das Butler-Monster Lurch und das „Eiskalte Händchen“ gehören. Das sich übrigens, wie der neue, animierte Reboot der Addams Family zeigt, in seiner Freizeit am Computer heimlich Bilder von Füßen anschaut. Denn auch für „Thing“, wie Händchen im Original heißt, gilt: Whatever gets you through the night.

Die Addams Familiy, deren Original-Abenteuer zwischen 1937 und 1988 (dem Tod ihres Erfinders Charles Addams) als Cartoons für den „New Yorker“ entstanden, schlägt sich in dem von Conrad Vernon und Greg Tiernan gemachten Film gleich mit mehreren Problemen herum. Im Tal unterhalb ihrer Burg möchte eine rosa gekleidete TV-Moderatorin mit Dolly-Parton-Frisur eine Planstadt namens „Assimilation“ errichten.

Das Finale ihrer Fernsehshow, bei der identische Reihenhäuser verkauft werden, findet ausgerechnet am Datum des Familientreffens des morbiden Clans statt. Daneben hat Pugsley Probleme mit dem Addams-Initiationsritual, der „Säbel-Mazurka“. Und Wednesday, der pubertierende Addams-Nachwuchs, entdeckt die Highschool.

Die Botschaft, die dieses Negativ-Abziehbild einer amerikanischen Durchschnittsfamilie seit jeher verbreitet, ist auch in der aktuellen Version die gleiche: Toleranz. Und zwar auf allen Seiten – nicht nur die gleichgeschalteten Bewohner von „Assimilation“ müssen ihre Vorurteile gegenüber den aus Hexen, Ghulen, Vampiren und Spinnenfreunden bestehenden Nachbarn abbauen.

Auch Morticia zuckt zusammen, als ihre Tochter mit einer regenbogenfarbenen Einhorn-Spange im Haar von einem Treffen mit ihrer neuen Schulfreundin zurückkommt. „Ich habe nichts gegen ein Pferd mit einem Speer im Kopf“, knurrt Morticia. „Aber die Farben gehen gar nicht.“ Kurz zuvor hatte Wednesday melancholisch die Tatsache kommentiert, dass sie auf allen Selfies schwarz-weiß aussieht, egal welcher Foto-Filter benutzt wird. Die Blässe steht ihr. Sie passt zu ihren geflochtenen Zöpfen, die in Henkerschlingen enden.

In der Handlung stecken sorgfältig gebrochene Tabus

Die Addams-Sippe als in Gegensätzen grasendes Gag-Gewitter zu sehen, dessen Kernbotschaft (Familie als Keimzelle der Gesellschaft) die Angepasstheit des US-Mainstreams nicht wirklich untergräbt, ist jedoch zu kurz gegriffen. In jedem der Cartooncharaktere, vom haarigen Cousin Itt über Gomez’ uralte Hexenmutter bis zur übel gelaunten Clanchefin stecken sorgfältig gebrochene Tabus.

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Allein die Tatsache, dass sich Gomez und Morticia auch nach Jahren noch begehren, spielt mit dem Klischee der abgekühlten Ehe. Die Vorstellung der Addams von einer romantischen Zweierbeziehung mag altmodisch sein, doch sie basiert auf der Idee, dass Menschen sich gut verstehen, wenn sie ähnliche Dinge mögen. Vor allem, wenn diese Dinge mit Horror zu tun haben. Im Prinzip sind Morticia und Gomez glückliche Nerds.

[In 20 Berliner Kinos; OV im Cinestar Sony-Center]

Nahe am gezeichneten Vorbild

Weil Barry Sonnenfelds 1991 und 1993 entstandene Spielfilmadaptionen der Addams Family (mit Angelica Houston als Morticia) ausreichend morbiden Humor enthielten, bleibt für die am Computer entstandene Version nicht viel Innovation übrig. Der neue Film ist ein nah am gezeichneten Vorbild animiertes Variieren im Thema. Aber er nutzt die Möglichkeiten des Formats wunderbar, lässt aus Morticias Kleid strömende Spinnenschwärme eine Brücke über die Grube im Addams-Keller bilden und gibt dem vor dem Haus wachsenden gespenstischen Baum eine tragende Rolle.

Und wie der Lurch sich von Booker T.s Hit „Green Onions“ zum geschnipsten „Addams Family“-Thema orgelt, ist beeindruckend. Mit „Thing“ spielen hier immerhin drei Hände.

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