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Dreieinig. Elvira Hasanagic (Irina), Anna Lapkovskaya (Mascha) und Lim Eun-Kyong (Olga) im Schillertheater.

© AFP

Festival "Infektionen": Ach, du liebe Zeit

Peter Eötvös’ Tschechow-Vertonung „Tri Sestri“ beim „Infektion!“-Festival der Berliner Staatsoper

Verhalten reagiert das Publikum im Schillertheater auf die Premiere von Peter Eötvös „Tri Sestri“ in der Inszenierung durch Rosamund Gilmore, eine Ko-Produktion der Staatsoper mit der Bayerischen Theaterakademie. Ein paar Vorhänge, kaum Bravi, nach wenigen Applausminuten wird in den ausverkauften Reihen schon wieder aufgestanden.

Ob es daran liegt, dass die Premiere im Rahmen des Festivals „Infektion!“ keine wirkliche ist, weil die Produktion schon in München gezeigt wurde? Nichts ist so alt wie die Premiere von vor über einem Jahr, müsste man in diesem Falle sagen. Und hätte doch unrecht. Schließlich kommt dieser Abend so blank daher, als sei er gerade eben erst in der Aula der Theaterakademie geboren worden, als hafte den jungen Sängerinnen und Sängern, die bei der Münchner Aufführung noch Studenten waren, noch immer die schöne, verheißungsvolle Aura des Übergangs von der Hochschule zum Opernmarkt an.

In der Zwischenzeit sind aus ihnen Diplomierte oder Erstengagierte geworden, hervorragende Künstler durch die Bank, zum Beispiel die Sopranistin Elvira Hasanagic als Irina oder Benjamin Appl in der Rolle des Baron Tusenbach; aus Appls Diktion, seinem rückgratstarken Timbre leuchtet die Vergangenheit als Knabenchorsänger. Auch Daniel Eggerts schwarze Stimmfarbe gefällt (Soljony), daneben die Mascha der Anna Lapkovskaja oder Rouwen Huthers Intelligenz im Komödiantentum. Dick wie ein Fass und sternhagelvoll, darf Huther als Doktor besonders weit ausgreifen beim Stimmexperimentieren.

Durchaus möglich also auch, dass es die Vollkommenheit dieser Inszenierung ist, die auf Distanz hält, das Fehlen aller Wurschtigkeit, die Kontrolle jedes Augenblicks, so poetisch das Ergebnis auch ist. Kein Schweiß tropft herüber von der Bühne, die Carl Friedrich Oberle für die drei Schwestern, die auf dem Land in Unmengen von Zeit, Hoffnung und Erinnerung schier verloren gehen, vorbereitet hat. Blätter trudeln ästhetisch nach unten, man nimmt Anteil oder regt sich auf, an den Bühnenseiten hängen Birkenstämme, ein Bett wiegt sich im Takt der Musik. Noch wahrscheinlicher allerdings, dass die schon in Tschechows Vorlage sinnfrei kreisende Handlung, dieses Aneinander aus Statik und Aktion, das Peter Eötvös’ Neumontage nochmals verunklart, mehr fasziniert als tatsächlich berühren kann.

Musikalisch spricht dieser Abend sofort an, auch wegen der Kurzweil, die der hier zweigeteilte Staatskapellen-Apparat bietet. Julien Salemkour (im Graben) und Joachim Tschiedel (beim Ensemble hinter der Bühne) lassen satte Akkordketten spielen und helle Rhythmusschleifen, bieten einen fein austarierten Hintergrund für das Sprechen und Singen der 13 Männer und Frauen auf der Bühne. Eötvös ist ein freundlicher Komponist, dem man den Ursprungswunsch, ein Stück für „viele schöne Frauenstimme auf der Bühne“ zu schreiben, sofort anhört, gleich schon beim ersten Terzett der Schwestern.

Seine Klangflächen splittert er nicht langwierig auf. Stattdessen steckt er die Instrumente in kleinen, klaren Formationen zueinander, gönnt den beiden Orchestern eine unverfremdete Tönlichkeit und streut über das gesamte Stück einen leichten Humor, am hübschesten wohl in jenem Teebesteck-Ballett, das man bereits mit Zimmermanns „Soldaten“ in Verbindung gebracht hat. Tolle Stimmen, heitere Musik, und dies zu einer Geschichte, die fast stets verworren bleibt. Das allerdings bleibt Sinn der Schwesternsache.

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