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Die Ruhrtalbrücke verbindet Rheinland und Ruhrgebiet, das schicke Düsseldorf und die Arbeiterstadt Essen.

© Roland Weihrauch/dpa

Abriss der Ruhrtalbrücke: Wo Ruhrgebiet und Rheinland sich treffen

Die Ruhrtalbrücke verbindet Malocher-Mentalität mit Schickimicki-Metropole. Gerhard Richter verewigte sie im Bild. Jetzt wird sie abgerissen.

Die weite schöne Landschaft mit dem glitzernden Flussfaden wirkt winzig und ergreifend unter dem hohen Himmel. Hinter der Ruhrtalbrücke, wie der große Maler Gerhard Richter sie vor genau 50 Jahren verewigte, ist das Abendrot schon zu ahnen. Aber über der Dämmerung und hoch über der Brücke spannt ganz oben im Gemälde auch Himmelsblau den Bogen zwischen Ruhrgebiet und Rheinland, zwischen zwei Welten, wie sie verschiedener kaum sein konnten. Jetzt wurde bekannt, dass die Brücke abgerissen und wieder neu gebaut werden muss, ausgerechnet die zwischen 1963 und 1966 errichtete Brücke, die ja auch ein Symbol für das Zusammenwachsen des künstlichen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen ist.

In wenigen Regionen unterscheiden sich Mentalitäten so krass voneinander. Hier die tiefgründigen, maulfaulen, aber verlässlichen Westfalen, dort die fröhlichen Rheinländer mit ihrer unbekümmerten "Et-hätt noch immer jot jejange"-Mentalität und der Kapazität, jeden einzelnen der 365 Tage des Jahres mit einem kräftigen Helau zu begrüßen. Diese Welten zu überbrücken reicht allein für einen Mythos. Als die Brücke gebaut wurde, klang Willy Brandts Forderung, der Himmel über dem Ruhrgebiet müsse wieder blau werden, noch wie eine Utopie.

Die Nachfolgerin wird laut Richter ein Meilenstein

Manches Bauwerk verschwindet sang- und klanglos, weil es im Wege ist, weil die Zeiten sich geändert haben oder weil die Pfeiler nicht mehr tragen. „Öfter mal was Neues“, der Spruch aus der Nachkriegszeit war noch ziemlich en vogue, als die Ruhrtalbrücke gebaut wurde, die als Teil der A 52 Essen und Düsseldorf verbindet. Man konnte sich was leisten, endlich wieder. Und doch waren es einander fremde Welten, die in Richters stillem Bild mit seiner schmerzlich-schönen Sehnsuchtsaura verbunden wurden: Hier das Ruhrgebiet mit qualmenden Schornsteinen und lakonisch kernigen Malochern, dort eines der wichtigsten Modezentren des Landes mit der schicken Kö als Epizentrum und noch dazu eine der schunkeligsten Karnevalshochburgen. Längst haben Studenten und Professoren die Bergleute ersetzt, schlägt ein blauer Himmel die Mär vom alten Kohlenpott.

Was ein Mensch oder eine Brücke aus 50 Jahren macht, kann sehr unterschiedlich sein. Vom Verkehrsaufkommen her schlägt diese Brücke lässig manche 100-jährige, 38 000 Autos und 2000 Laster trägt sie täglich allein Richtung Essen. Gerhard Richter glaubt, dass auch die Nachfolgerin ein Meilenstein wird. Aber das ist gar nicht so wichtig. Früh im fotografisch anmutenden Ölgemälde zur Kunst geworden, hat die Ruhrtalbrücke schon längst einen Ewigkeitsstatus erlangt. All das, was sie verbunden und verknüpft hat, ist darin zuversichtlich verflochten. Als sei sie auch als Brücke in eine bessere Zukunft gebaut worden.

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