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Der Entertainer: Unten Peter Lohmeyer (links) und Werner Rehm, oben von links nach rechts: Nicolas Lehni, Anke Engelke und Johanna Griebel

© Ingo Schneider / Theater am Kurfürstendamm

Abriss der Ku’damm-Theater: Die letzte Pointe

Die Bühnen am Kurfürstendamm verschwinden bald aus dem Stadtbild. „Der Entertainer“ am todgeweihten Traditionshaus lässt Sehnsucht nach Harald Juhnke aufkommen.

Als John Osborne seinen „Entertainer“ schrieb, zerfielen drei Reiche: das British Empire, das Zeitalter der Music Hall und die Familie Rice. Archie Rice ist ein Trinker, eine heruntergekommene Größe sehr weit zurückliegender Tage, der über seine ollen Zoten selbst nicht mehr lachen mag. Harald Juhnke hat die Rolle 1987 am Renaissance-Theater gespielt, 30 Jahre nach der Londoner Uraufführung mir Laurence Olivier. Wenn er jetzt per Hologramm im Theater am Kurfürstendamm zu sehen ist, in seinem alten Haus, das bald aus dem Stadtbild verschwinden muss, dann ist das schon Melancholie genug. Mit unserem 2005 verstorbenen Entertainer der Nation ist ein Lebensgefühl, eine ganze Unterhaltungskultur, eine Zuversicht selbst noch im Absturz, ins Grab gesunken.

Im Sommer wird der Komplex mit den beiden Kudamm-Bühnen abgerissen. In der Komödie spielen die Woelffers ein Stück mit dem Titel „Die Niere“, während sich nebenan die freie „Santinis Production“ eingemietet hat und mit dem „Entertainer“ die Leber angreift: Ein abgewrackter Spaßmacher in einem toten Theaterhaus. Da bekommt das Wort Alleinunterhalter noch einmal einen ganz anderen Sinn. Peter Lohmeyer auf der düsteren, leeren Bühne. Außer einer Musikerin am Klavier (Misha Cvijovic), die er mit frauenfeindlichen Sprüchen begrüßt, und seiner Tochter, die nachher leibhaftig reinschaut (Johanna Griebel), ist er ein einsamer Wolf.

Ein bisschen Theater auf der Titanic

Eine gute Idee, dieses Stück zum Ende einer Ära zu bringen, die doch schon so lange – Juhnke! – vergangen ist. Aber mit guten Ideen ist es oft genug wie mit schlechten Witzen. Sie funktionieren nicht. Lohmeyer schleppt sich über die Runden, quält sich zum Kehraus. Regisseur Fabian Gerhardt scheint sich auch schon verabschiedet zu haben. Man will in den Saal rufen: Nun spielt doch endlich! Macht was! Schluss mit der Tristesse! Doch Hologramme können nicht antworten. Familie Rice – Anke Engelke, Werner Rehm, Nicolas Lehni – flackert mit Wackelkontakt im Bühnenmittelgrund, der Kontakt zu den Geistern muss auch schon mal besser gewesen sein. Man sitzt in diesem todgeweihten Traditionshaus und sehnt sich nach einem Lacher. Macht doch was! Gebt uns wenigstens die Illusion, dass hier noch etwas geht, für zwei, drei Stunden, ein bisschen Theater auf der Titanic!

Juhnkes Grüße aus dem Jenseits fallen auch nur kurz aus. Schaut Lohmeyer überhaupt hin? Er hätte viel von Harald lernen können. Der hatte noch im Abgehen immer ein Schnipsen im Finger, einen Swing in der Hüfte. Und er konnte verdammt ernst sein, tief verletzt. Ein Komödiant, eine Tragödie. Nichts mehr davon jetzt! Und doch hat es gepasst, ihn wiederzusehen, so wie man sich halt trifft bei Begräbnisfeierlichkeiten.

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