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Die serbische Künstlerin Marina Abramovic

© Foto: Marius Becker/dpa/picture-alliance

Abramovic-Methode: Kopf frei für die Musik

The music is present: In Frankfurt am Main wird die Abramovic-Methode auf die klassische Musik übertragen.

Was sie macht, macht sie extrem. Mit ihren Performances irritiert und provoziert Marina Abramovic. Aber sie vermag auch sehr viele Menschen tief im Herzen zu bewegen. Als die Künstlerin 2010 im New Yorker Museum of Modern Art drei Monate lang täglich sieben Stunden die Besucher dazu einlud, sich ihr schweigend gegenüber zu setzen, brachen nicht wenige in Tränen aus oder berichteten hinterher von einer existenziellen Erfahrung.

Um Achtsamkeit ging es bei dem Projekt „The artist is present“, darum, sich ganz und gar auf sein Gegenüber einzulassen. Abramovic selber nennt diese Form der Aufmerksamkeit „bedingungslose Liebe“. In Frankfurt am Main wird die 72-Jährige ihre Methode jetzt auf die klassische Musik übertragen. Auch im Livekonzert sind die Zuhörer ja doppelt gefordert: Zum einen sollen sie versuchen, jegliche verbale Kommunikation zu vermeiden, und zum anderen sich möglichst unvoreingenommen für die Klänge und ihre emotionale Kraft öffnen.

Fünf-Stunden-Programm mit vollstem Bewusstsein

Von den Leuten, die sich ein Ticket für ihre Aktion in der Alten Oper gekauft haben, verlangt Marina Abramovic im Vorfeld aktive Mitarbeit. Verschiedene Übungen gilt es zu absolvieren, die den Teilnehmern helfen sollen, ihre Sinne zu sensibilisieren. Ziel der Aktion ist es, aus dem Alltag herauszutreten, Momente der Stille, der Einkehr zu schaffen, kurz, Kontakt mit seiner Umgebung aufzunehmen, als Rezipient präsent zu werden. Um dann am Sonntag, den 24. März, ein Fünf-Stunden-Programm mit vollstem Bewusstsein erleben zu können. Interpreten wie der Pianist Fazil Say, die Geigerin Carolin Widmann, der Cellist Nicolas Altstaedt oder auch das Aris Quartett haben zugesagt, bei dem Experiment mitzuwirken.

Was da in Frankfurt als fünf Tage umfassendes Event gefeiert wird, lässt sich allerdings auch an jedem anderen Ort realisieren. Als deutlich kleiner dimensionierte Privatinitiative jedenfalls, vor jedem Konzert, das man selber besucht. Zuhören à la Abramovic, das bedeutet zum Beispiel, nicht in letzter Minute vom Büro in die Philharmonie oder ins Konzerthaus zu hetzen. Sondern die Vorfreude darauf zu zelebrieren, dass hochprofessionelle Handarbeiter papierne Noten zum Leben erwecken, nur für den einen, unwiederbringlichen Moment. Es bedeutet, sich nicht vermeintlichen bürgerlichen Ritualen zu unterwerfen, indem man sich nicht so anzieht, wie man glaubt, dass andere es von einem erwarten, sondern so, wie man sich wohlfühlt. Und es schließt ein, dass man an der Garderobe auch das Handy abgibt. Um die Hände frei zu haben für den Applaus. Und den Kopf für die Musik.

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