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Subtiler Protest. Die A-Tribe-Called-Quest-Musiker Jarobi White und Q-Tip (mit Hut).

© CHAD BATKA/The New York Times/Redux/laif

A Tribe Called Quest und ihr neues Album: Größer als Donald

Die Pfade des Rhythmus, der Protest gegen Trump: Das fulminante Comeback-Album der Hip-Hop-Band A Tribe Called Quest.

Wie schnell so etwas geht: Kaum hatten die Welt und insbesondere die USA begriffen, dass ein ausgewiesener Rassist US-Präsident werden würde, erschien ein paar Tage später schon das vermeintlich erste Protest-Album der Ära Trump, die erste, vermeintlich ultimative Kampfansage, „We Got It From Here ... Thank You 4 The Service“ (Epic Records/Sony) von der legendären New Yorker Intellektuellen- und Alternative-Hip-Hop-Band A Tribe Called Quest.

Natürlich ist die Entstehungsgeschichte dieses ersten, erstaunlich großartigen, zeitgemäß wirkenden Albums von A Tribe Called Quest seit 1998 eine andere. Sie basiert auf einem Auftritt im November 2015 in der Tonight Show von Jimmy Fallon, währenddessen die ansonsten nur noch selten gemeinsam auftretenden und sich austauschenden vier Mitglieder der Band spürten, dass es wieder passen könnte, dass der Vibe wieder da ist.

Womöglich der Vibe, der die vier Rapper Q-Tip, Jarobi White, Ali Shaheed Muhammad und Phife Dawg in den neunziger Jahren mit fünf Alben zu einer der einflussreichsten Hip- Hop-Gruppen der Zeit gemacht hatte: mit zurückgenommenen, betont ausgefeilten Beats, mit Samples vor allem aus dem Jazz. Und mit Raps, die sich in ihrer politischen Wachheit und selbstironischen Reflektiertheit angenehm abhoben von dem Getue des seinerzeit im Mainstream den Ton angebenden Gangster- und Goldketten-Hip-Hop.

Als „Consciousness-Rap“ wurde die Musik von A Tribe Called Quest gern bezeichnet, mit ähnlich sich ihrer afrikanischen Herkunft und Geschichte bewussten Hip-Hop-Gruppen wie De La Soul und den Jungle Brothers gehörten sie zu den sogenannten Native Tongues des Hip-Hop.

Der Schlusstrack "The Donald" ist eine Ode an ein verstorbenes Bandmitglied

Es braucht da gar keinen Trump, um die Rückkehr von A Tribe Called Quest zu begrüßen. Es reicht allein ein berühmter Kollege wie Kanye West, der immer wieder mit seltsamen Ausfällen für Schlagzeilen sorgt und zuletzt verkündete, dass er, wenn er wählen gegangen wäre (!), Donald Trump gewählt hätte. Da ist man natürlich froh, dass es auf „We Got It From Here ...“ Zeilen gibt wie „All you Black folks, you must go /All you Mexicans, you must go / And all you poor folks, you must go / Muslims and gays, boy we hate your ways / So all you bad folks, you must go“; Zeilen, die klar als Anti-Trump-Kanye-West-Statement zu verstehen sind.

Die aber der Lead-Rapper der Gruppe, Q-Tip, wohl genauso in einen größeren Zusammenhang stellt wie das gesamte Album: „Trump ist jetzt am Start, aber wir sind alle Teil der Natur, des Universums“, so erklärt er in den Liner-Notes das Eröffnungsstück „Space Program“, um gleich darauf Klimawandel und Wasserknappheit als Subtext anzuführen und Trump als einen vor diesem Hintergrund kleinen, „nicht so wichtigen“ Seifenkistenredner zu bezeichnen.

Insofern passt auch der Schlusstrack „The Donald“ gut. Dieser bezieht sich gar nicht auf Trump, sondern auf den im März dieses Jahres an den Folgen einer seit seiner Jugend bestehenden Diabeteserkrankung verstorbenen Phife Dawg. Dessen Spitzname war „Don Juice“, und Phife Dawg hat an den meisten Stücken noch entscheidend mitgewirkt. Das Album ist sein Vermächtnis, genau wie das von A Tribe Called Quest: Angeblich soll es in Zukunft nie wieder eins von der Band geben. Aber wie seine Mitstreiter hatte Phife Dawg noch einmal den richtigen Vibe.

„We Got It From Here ...“ ist ein filigranes, verspieltes (die Samples reichen vom Reggae über Funkadelic bis zu Elton John, manchmal haut eine Gitarre rein), aber auch straightes Meisterwerk geworden, mit potenziellen Klassikern wie „We The People ...“, „Black Spasmodic“ oder „The Killing Season“ – alles Stücke, die auf das Album-Debüt „People’s Instinctive Travels And The Paths Of Rhythm“ von 1990 verweisen und dieses nachdrücklich als Werk von zeitloser Güte veredeln. Mit dabei ist zudem eine Reihe von Weggefährten von ehedem und Bewunderern, darunter Busta Rhymes oder Talib Kweli, aber auch Conscious-Rapstars von heute wie Kendrick Lamar oder Anderson .Paak.

Kanye West singt auch in einem Stück mit

Und, nicht zu vergessen: Kanye West. Den konnten A Tribe Called Quest mit einem Gesangspart für einen der explizit politischsten Tracks des Albums gewinnen, „The Killing Season“. Darin wird der Umgang der USA mit schwarzen Armeeangehörigen und Veteranen thematisiert, und Kanye West wehmütelt zu elegischen Keyboard-Linien „They sold ya, they sold ya, they sold ya“.

Was beweist, dass A Tribe Called Quest in anderen Kategorien denken. Da kann gerade Quatsch reden oder Präsident werden, wer will. Wovon nicht zuletzt Q-Tip ein Lied zu rappen weiß: Als 2008 sein letztes, vielsagend „The Renaissance“ betiteltes Soloalbum erschien, war Obama gerade US-Präsident geworden. Der strukturelle Rassismus ist derselbe geblieben, und nun werden die Zeiten noch härter. Ob solch ein Album hilft, auch ohne direkten Revoltenaufruf? Wer es hört, wer sich drauf einlässt, wird das unbedingt bejahen.

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