zum Hauptinhalt
Herbergsvater. Guru Fust (Sam Louwyck) und sein Schützling Irina (Greta Bohacek).

© Violet Pictures

"A Pure Place" im Kino: Seifet den Herrn

Außergewöhnlich trashig: Die Sekten-Groteske "A Pure Place" erzählt von einem Kult, der von Reinheit besessen ist.

Unten haust der Dreck, oben strahlt die Reinheit. So funktioniert die Ordnung auf der kleinen griechischen Insel, auf der der Guru Fust (Sam Louwyck) seinen Kult gegründet hat. Der Erlöser trägt Weiß, natürlich, Hemd und Anzug, dazu immer Sonnenbrille. Er bewegt sich wie in Zeitlupe und mit schwerer Zunge spricht er auch. Der Sohn eines deutschen Industriellen und dessen griechischer Frau hat sich eine Schar von Anhänger:innen gefügig gemacht. Sie leben gemeinsam in seiner Villa, singen Mantras, preisen die Herrlichkeit ihres Anführers mit Mysterienspielen und schrubben in rituellen Waschungen den Schmutz der Außenwelt von ihren Körpern.

Die Seife dafür produzieren Kinderarbeiter:innen wie die Geschwister Irina (Greta Bohacek) und Paul (Claude Heinrich) im Heizungskeller des Hauses. Als Irina von Fust dazu auserkoren wird, aufzusteigen in die lichten Sphären des Anwesens, führt das nicht nur zum Bruch mit ihrem Bruder. Die Teenagerin entwickelt auch bald selbst einen Machthunger.

[In den Kinos b!ware, Casablanca, Wolf]

Dass Regisseur Nikias Chryssos ein Gespür für außergewöhnliches world building hat, bewies er schon mit seinem Debüt, dem bizarren Kammerspiel „Der Bunker“ von 2015. Auch in „A Pure Place“ stattet er die Welt des Kults mit einer Fülle trashiger Details aus: Fust verfüttert stets die hässlichste Maus an seine Schlange, bringt Seifenstücke zum Schweben und lässt sein Gefolge das Wasser trinken, in dem er gerade gebadet hat.

Schmutzig–rein, oben–unten, hell–dunkel – Chryssos entfaltet den Bedeutungsraum seines Films in einem Spannungsfeld der Gegensätze. Den sonnendurchfluteten Bildern der Insel mit viel Weichzeichner und Gegenlichtästhetik stellt er die neonfarben durchleuchtete Halbwelt der Stadt gegenüber. Kameramann Yoshi Heimrath („Berlin Alexanderplatz“) hat großen Anteil daran, dass das visuelle Konzept des Films aufgeht.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

„A Pure Place“ ist stark allegorisch aufgeladen. Chryssos, 1978 als Sohn griechisch-deutscher Eltern im badischen Leimen zur Welt gekommen, führt Bezüge aus beiden Kulturkreisen zusammen, aus der griechischen Antike ebenso wie von den Gebrüdern Grimm. Er bedient sich dieser Verweise, um seiner im Kern bitteren Geschichte über die alternative Realität einer Sekte, in der Geborgenheit und Missbrauch eng beieinanderliegen, eine Wendung ins Märchenhafte zu geben.

So springt „A Pure Place“ von Genre zu Genre. Wie Chryssos Elemente aus Horror, Drama und Märchen miteinander verbindet, erinnert „A Pure Place“ an eine Kreuzung aus Giorgos Lanthimos’ satirischer Dystopie „The Lobster“ mit dem Okkult-Horror „The Wicker Man“. Doch der Regisseur stößt seinen Film nicht vollends ins Absurde. Man spürt, dass sich etwas Bedrohliches zusammenbraut, auch dank des wunderbar obskuren Soundtrack-Gewabers von John Gürtler und Jan Miserre. Wenn schließlich aber der finale Dreh an der Eskalationsschraube ausbleibt, stellt sich milde Enttäuschung ein. Das Ende der Seifen-Sekte hätte ruhig ein bisschen schmutziger ausfallen dürfen.

Zur Startseite