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Morten Harket und Pål Waaktaar-Savoy von A-ha in der Mercedes Benz Arena Berlin.

© IMAGO/Jan Huebner

A-ha live in Berlin: Alles läuft auf „Take On Me“ hinaus

Die norwegische Band A-ha gab in der Berliner Benz-Arena ein feines Konzert und zeigt, dass sie ihre Streitereien überwunden hat.

Wir fangen mal mit dem Ende an. Am Ende steht das zweigestrichene E. Eine Note, so hoch, dass nur Engel sie singen können, vielleicht vorpubertäre Chorknaben, Frauen natürlich. Und eben Morten Harket von A-ha.

Das zweigestrichene E ist der höchste und letzte Ton im Refrain von „Take On Me“. Dieser Refrain beginnt mit dem kleinen A, „Take“, singt Harket darauf, „on me…“ auf Gis und das eingestrichene A, danach hangelt er sich gemütlich in kleinen und großen Intervallen weiter, „take me on….“, höher und höher, „I’ll be gone…“, bis zu ebenjenem engelhaften E: „…in a day or… (Achtung:) twooooo!!“

Die Band groovt sich mit soliden Stücken ein

Dass beim A-ha-Konzert am Mittwoch in der Berliner Mercedes Benz-Arena dieses E ebenfalls am Ende, sozusagen im Ziel steht und lauert, das ist Morten Harket genauso klar wie seinen Bandkollegen Pål Waaktaar-Savoy und Magne Furuholmen, und dem gesamten Fan-Publikum. Natürlich hatte die Band andere großartige Songs, keine Frage – und zwar auch nach den 80ern: Ihr sechstes Studioalbum aus dem Jahr 2000 „Minor Earth Major Sky“, das ihr erstes Comeback begleitete, präsentierte fantastische Stücke, allen voran das brillante Titellied.

Aber die aktuelle Tour, die eigentlich die coronabedingt verschobene Tour von 2020 ist, heißt „Hunting High and Low“, so wie das erste, legendäre A-ha-Album von 1985. Darum ist jedem in der ziemlich ausverkauften Mehrzweckhalle klar, dass dieses vermaledeite E irgendwann kommen wird, dass es kommen muss.

Zunächst scheint sich die Band allerdings einzugrooven. Das tut sie mit soliden Stücken, „Swing of Things“ vom zweiten Album, „Crying in the rain“ vom vierten, irgendwann nimmt Morten Harket die Sonnenbrille ab und setzt seine Ü60-Altersweitsicht-Brille auf das hübsche, erwachsene „Bravo“-Starschnitt-Gesicht.

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Und während sich im Hintergrund Naturaufnahmen von Bergen (Lofoten?), Seen (Mjøsa?) und Nordlichtern abwechseln, und die Hitze draußen vergessen machen, tigert er über die Bühne. Beziehungsweise, der Tiger passt nicht als Krafttier. Eher koyotet er über die Bühne. Oder lofotet.

Harket spricht zwischendurch kaum, er bewegt sich wenig, geht auch bei schnellen Rhythmen langsam, benimmt sich verhalten wie bei einem Soundcheck. Darüber hinaus scheint er Probleme mit dem In-Ear-Monitor zu haben, und muss das kleine Knöpfchen ständig festhalten. Magne Furuholmen, der am Keyboard steht, versucht sich dagegen als Publikums-Animateur, spricht freundliche Worte auf Deutsch, stellt Band und Backing Band (Schlagzeug, Bass, Gitarre, Keyboard) vor, und singt – genau wie Pål Waaktaar-Savoy – tapfer mit.

Die norwegisch Band A-ha bei ihrem Auftritt in Berlin.
Die norwegisch Band A-ha bei ihrem Auftritt in Berlin.

© IMAGO/Jan Huebner

Man spielt das enigmatische „The Living Daylights“, das Waaktaar-Savoy zusammen mit John Barry für den James-Bond-Film „Im Hauch des Todes“ geschrieben hatte, und Songs vom brandneuen Album, „True North“, dem ersten seit über sechs Jahren, das auch als Musikfilm erscheinen wird. Sie sind ebenso atmosphärisch, stimmig, unterkühlt-sehnsüchtig und schön komponiert wie alles von der Band.

Das Zusammenspiel scheint also noch – oder wieder - zu klappen. Dabei hatte ein A-ha-Dokumentarfilm, der im Herbst letzten Jahres herauskam, eine schwierige, psychologisch höchst verfahrene Situation gezeigt: Begabte, zerstrittene Musiker erlebte man darin, die nicht mal mehr auf dem gleichen Sofa Platznehmen mochten.

Morten Harket hatte bei Proben zu eine Unplugged-Konzert sauer konstatiert: „Ich heule hier nur rum, ich kann meine Stimme in der Höhe nicht mehr hören!“ Es war bei dem langjährigen Zwist um Urheberrechte gegangen. Magne Furuholmen war stinkwütend auf die anderen, weil sein musikalischer Anteil seiner Meinung nach nicht genug gewürdigt wurde.

Doch davon merkt man kaum etwas in Berlin. Man sieht zwar keine Showpferde, keine glücklichen Bandbuddys, die sich freuen, dass sie wieder zusammen auf der Bühne stehen, keine Frontschweine. Aber man hört, dass das Harmonische in der Musik die unharmonische Beziehung überwunden hat.

Der Sound scheppert manchmal, aber die Songs wiegen alles auf

Nach einer Pause, in der das Publikum teure Pommes essen gehen könnte, widmen sich A-ha im zweiten Teil endlich der ersten Platte: „The Blue Sky“, „Hunting High and Low“, „Love is Reason“. „Living A Boy’s Adventure Tale“. Und auch wenn der Sound zuweilen etwas scheppert, auch wenn klar ist, dass A-ha einfach keine Stadionband ist, sondern eine, deren Platten man sich zu Hause anhören sollte, auch wenn Morten sich beim selbstvergessenen Singen kaum in den Lichtkegel des Scheinwerfers wagt – die Qualität der Songs wiegt alle Macken auf.

Als Letztes spielen sie „The Sun Always Shines On TV”, den zweiten großen Hit, winken, und machen sich vom Acker. Was selbstredend nur den Spannungsbogen erhöht: Es ist klar, dass sie sofort zurückkommen. Und dann, endlich, beginnen die Visuals, der Rhythmus, die charakteristische Keyboard-Melodie von „Take On Me“.

Das Publikum, die Handys gezückt, die Herzen entzückt, fiebert: Schafft Morten das E? Er schafft es. Oder auch nicht: Beim letzten Ton des Refrains hält er das Mikrofon mit beiden Händen vor den Mund, und singt nicht die gesamte Zeile, sondern nur jenen Ton. Vielleicht ist das „Pitch Correction“. Aber das sei ihm gegönnt.

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