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Verehrt und geliebt. 1966 führte der Regisseur Hans-Jürgen Syberberg ein dreitägiges Interview mit der jungen Romy Schneider.

© dpa/Gergard Rauchwetter

80. Geburtstag von Romy Schneider: Drei Tage in Kitzbühel

Zum 80. Geburtstag von Romy Schneider taucht eine Trouvaille auf – ein vergessener Dokumentarfilm von Hans-Jürgen Syberberg.

Manchmal gleicht das kulturelle Gedächtnis einem Schweizer Käse. In ein Gedächtnisloch fiel so für lange Zeit Hans-Jürgen Syberbergs erstaunlicher, früher Dokumentarfilm „Romy. Portrait eines Gesichts“. Als bei der Berlinale im Februar Emily Atefs „3 Tage in Quiberon“ Premiere hatte, mit Marie Bäumer als Romy Schneider, war fast vergessen: dass es lange vor dem hier virtuos nachgespielten Schneider-Interview des „Stern“-Reporters Michael Jürgs und des Fotografen Robert Lebeck (im Jahr 1981) ein ganz anderes, tatsächlich filmisches Vorbild gegeben hatte. Es waren Syberbergs und Romy Schneiders (gleichfalls) drei Tage – in Kitzbühel, Anfang März 1966.

Am heutigen Sonntag wäre Romy Schneider 80 Jahre alt geworden. Das von Emily Atef neu inszenierte Interview, in der Realität geführt im Jahr vor Romys jähem Herztod, beginnt mit dem erschütternd starken, offenen Satz: „Ich bin eine unglückliche Frau von 42 Jahren und heiße Romy Schneider.“ In Syberbergs Doku sagt die wirkliche Romy, die zu diesem Zeitpunkt bereits 28 Filme gedreht hat und von der deutsch-österreichischen Filmprinzessin Sissi unter der Regie von Luchino Visconti, Louis Malle und Orson Welles zum internationalen Star geworden ist, fast am Anfang: „Ich bin 27..., das ist ja nicht alt.“ Aber: „Ich will nicht mehr meine ganze Kraft und meine Nerven nur für diesen Beruf hergeben“, weiter nur Film auf Film, das „genügt nicht mehr“.

Jetzt kommt ein Filmbuch zu Syberbergs Doku heraus

Zum 80. Geburtstag hat nun der Münchner Schirmer/Mosel Verlag ein Geschenk für Fans und Neugierige herausgebracht: Hans-Jürgen Syberberg „Romy in Kitzbühel 1966“. Das kleine, feine Filmbuch enthält neben Kommentaren nicht nur das Drehbuch mit dem Interview-Transkript und Stills der knapp 60-minütigen, schwarzweiß gefilmten Doku „Romy. Potrait eines Gesichts“, sondern auch den Link zur Webseite (www.syberberg.de), auf der man sich Syberbergs Film kostenlos anschauen kann.

Wie in den ambitionierten Filmdokus heute üblich, hatte Syberberg schon vor gut einem halben Jahrhundert nur mit Originalton und an wenigen Stellen mit Musik gearbeitet, ohne eigenen Voice- over-Kommentar. Das wirkte für den damaligen Auftraggeber, den Bayerischen Rundfunk und überhaupt im deutschen Fernsehen ziemlich revolutionär. Kein Wunder, der BR lehnte die originale 90-Minutenfassung ab und bestand darauf, den ursprünglichen Titel „Anatomie eines Gesichts“ in „Portrait...“ umzubenennen. Kurz nach dem Ende der Dreharbeiten hatte Romy ihren ersten Ehemann Harry Meyen geheiratet (der später Selbstmord beging). Während Romy, wie Syberberg berichtet, bei der vereinbarten Endabnahme eher zustimmend schwieg, verlangte Meyen erbost noch weitere Änderungen, Kürzungen, Schönungen des von Syberberg bereits auf knapp eine Stunde gekappten Films.

Romy Schneider auf der Skipiste

Als der Regisseur das verweigerte und seinen Namen zurückzog, wurde das ohne ihn umgeschnittene „Portrait“ im Januar 1967 mit einer entsprechenden Ansage ein einziges Mal gesendet und verschwand bis zu einer zweiten Ausstrahlung 1998 in der nunmehr wieder 60-minütigen, originalen Syberberg-Fassung in den Archiven. Die nie gesendete weitere halbe Stunde Material ging verloren.

Heute ist der Film eine Trouvaille. Es beginnt etwas steif mit einem für Romy im Palais des Fürsten Liechtenstein in Kitzbühel vom Butler servierten Frühstück vor einer Gondelfahrt hinauf zum winterlichen Berg und Szenen der mit einem Skilehrer auf der Piste dahinschwingenden Romy. Hier und später werden Aufnahmen aus ihrer Pariser Wohnung und aus ihren Filmen mit Michel Piccoli oder Anthony Perkins und Orson Welles (aus der Verfilmung von Kafkas „Prozess“) überblendet oder zwischengeschnitten.

Syberberg hatte durch seine frühen Filme über Fritz Kortner, mit dem Romy Schneider beim gleichfalls skandalisierten Fernsehfilm „Lysistrata“ zusammengearbeitet hatte, das Vertrauen der Schauspielerin gewonnen. Ohne selbst ins Bild zu treten, kommt er ihr mit der Kamera (von Kurt Lorenz) dann beim Wein und Zigaretten im Kaminzimmer des Palais Liechtenstein immer näher: ihrem verletzlichen Gesicht mit den mal weich verschwimmenden Zügen, mal energischen, harten klaren Ausbrüchen – wenn Romy nicht nur ihren Überdruss an den „Sissi“-Klischees oder dem von ihr immer englisch titulierten „star system“ äußert. Wenn sie ihr Lampenfieber reflektiert.

Der Film zeigt Schneider auch von ihrer komödiantischen Seite

Doch zeigt die junge Schauspielerin bei allen melancholischen Selbstzweifeln auch ihren schönen Stolz. Es sei schließlich sie gewesen, die den Filmgott Orson Welles überzeugt habe, dass er selber im „Prozess“ mitspielen müsse. Und Romy, die hier mehr als auf den späteren Fotos von Robert Lebeck schon die lebenden Vorbilder für Marie Bäumers Spiel im „Quiberon“-Film liefert, bricht auch aus dem Elegischen oder bloß Energischen aus. Im Park vor dem Palais tanzt sie auf dem tauenden Schnee oder spaziert wie Chaplins Tramp, wie eine watschelnde Ente. Romy, die Komödiantin. Die war sie auch.

Am Ende des Films wollte Harry Meyen Romy als glückliche Mutter mit dem gemeinsamen, Ende 1966 geborenen Sohn David auf dem Arm präsentieren. Heute eine fast makabre Vorstellung, weil David ja schon jung bei einem Unfall starb. Dagegen wirkt Syberbergs authentisches Ende fast hellsehend. Ein letzter Kameraschwenk zeigt wieder das Kitzbüheler Kaminzimmer, ohne die Hauptfigur, nur noch die ausgetrunkenen Weinflaschen, den Aschenbecher, ein Sofa und darauf ein eingedelltes Kissen. Die Leere in der Fülle eines zu kurzen Lebens.

Romy oder auch Marilyn mit 80? Sie sind beide Heldinnen und Opfer des „star systems“. Ikonen, die allein in den Köpfen und im Kino weiterleben.

Hans-Jürgen Syberberg: Romy in Kitzbühel 1966. Schirmer/Mosel, München. 128 Seiten, 82 Abb., 19,80 €.

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