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Zwei deutsche Terroristen (Rosamund Pike und Daniel Brühl) entführen ein Flugzeug mit israelischen Passagieren.

© Liam Daniel

„7 Days in Entebbe“ mit Daniel Brühl: Bomben ins Bewusstsein werfen

Außer Konkurrenz im Berlinale-Wettbewerb: José Padilhas Politthriller „7 Days in Entebbe“ über die Geiselbefreiung von 1976 funktioniert wie ein Uhrwerk.

Gewalt lässt sich auch tanzen. Wenn es manchmal über einen Film heißt, seine Actionszenen seien Choreografien, dann steckt im Vergleich immer schon das Lob. Der brasilianische Regisseur José Padilha treibt in seinem Film „7 Days in Entebbe“ die Metapher auf die Spitze. Da wird im Finale gleichzeitig getanzt, gekämpft und gestorben. Padilha zeigt die Operation „Thunderbolt“, bei der ein israelisches Spezialkommando im Juli 1976 auf dem Flughafen von Entebbe in Uganda 102 Geiseln befreit, im Gegenschnitt mit einer Tanztheaterpremiere im 4000 Kilometer entfernten Israel.

„Thunderbolt“, Blitz, ist der passende Titel für eine Militäraktion, die nur 90 Minuten dauert und an deren Ende alle sieben Terroristen und 45 ugandische Soldaten, aber nur drei Geiseln und ein israelischer Offizier tot sind. Die Helden tragen israelische Uniformen, einer von ihnen ist mit einer der Tänzerinnen liiert. „Wir kämpfen, damit ihr tanzen könnt“, hat er ihr gesagt, bevor er die Transportmaschine bestieg. Denn die Entführung des Air-France-Flugs 139 richtet sich nicht bloß gegen die israelischen Passagiere an Bord, sondern gegen den ganzen israelischen Staat.

Israel sei ein „faschistisches“ Land, der „Erbe des Nazismus“, verkünden die Entführer, die sich „Revolutionäre“ nennen. Ihr Untergang geht in den Standing Ovations für die Theaterpremiere über. Und im Kommandobunker in Jerusalem gratuliert Verteidigungsminister Schimon Peres, wunderbar schlitzohrig von Eddie Marsan gespielt, dem Premierminister Jitzchak Rabin (Lior Ashkenazi) zu seinem Erfolg. Dabei wehrte sich Rabin, ein großer Zauderer, bis zuletzt gegen die Gewaltlösung: „Wenn wir nicht verhandeln, werden wir den Krieg nie beenden.“ Die Entführer hatten 52 Terroristen freipressen wollen.

Gut einstudierter Fanatismus

Es sind pikanterweise neben den Palästinensern auch Deutsche, die Israel und den Juden den Krieg erklärt haben. Angeführt werden die Entführer von zwei Kadern der Revolutionären Zellen, Kombattanten und Konkurrenten der Roten Armee Fraktion, die Daniel Brühl und Rosamund Pike verkörpern. Man staunt, wie leichtes Spiel sie haben, die in Athen zwischengelandete Maschine in ihre Gewalt zu bringen. Pistolen und Handgranaten ziehen sie aus dem Handgepäck. Ihr Fanatismus ist gut einstudiert. Brühl spielt den verkrachten Frankfurter Intellektuellen Wilfried Böse, ein Gernegroß in schwarzer Lederjacke, der in zerhacktem Befehlston spricht, aber von seinen Genossen „Buchhändler“ genannt wird.

Je ernster die Lage, desto rissiger wird sein Pokerface. „Warum bist du hier?“, will einer der palästinensischen Kämpfer wissen, die das Kommando übernehmen, als das Flugzeug auf dem Rollfeld zum Stillstand kommt und die Geiseln in einem ruinösen Terminalgebäude eingepfercht werden. „Ich will Bomben in das Bewusstsein der Menschen werfen“, antwortet Böse. „Nein, du bist hier, weil du dein Land hasst“, sagt der Palästinenser. „Ich liebe mein Land und kämpfe dafür.“

Rosamund Pike, berühmt geworden als „Gone Girl“, gibt einen noch stärker deformierten Charakter. Als Terroristin – schwarz gefärbte Haare, Eulenbrille, Strichmund – scheint sie wirklich an ihre Phrasen zu glauben: „Ich fürchte nur ein Leben ohne Sinn.“ Sie fühlt sich schuldig an Ulrike Meinhofs Tod, schluckt Tabletten und schießt in die Decke, um sich Gehör zu verschaffen. Irrer ist bloß Idi Amin, der fröhlich grinsende Diktator im Kampfanzug. Er begrüßt seine „Staatsgäste“ mit „Schalom“ und empfiehlt, alle zwölf Stunden zwei Kinder zu erschießen.

Der Film funktioniert wie ein Uhrwerk

Entebbe gilt bis heute als Musterbeispiel für einen Sieg über den Terrorismus durch Chuzpe und Entschlossenheit. Das Drama wurde bereits dreimal verfilmt, mit Helmut Berger, Horst Buchholz und Klaus Kinski in den Bösewichtrollen der Terroristen. José Padilha, ein Meister des politischen Thrillers, bekam 2008 für seinen Film „Tropa de Elite“ über eine korrupte brasilianische Polizeieinheit den Goldenen Bären. „7 Days in Entebbe“ funktioniert wie ein Uhrwerk, das sich im Countdown dem Finale nähert.

Doch mehr noch geht es um moralische Paradoxien. Als die Entführer beginnen, ihre israelischen von den nichtisraelischen Opfern zu trennen, folgen sie der Selektionslogik der Nationalsozialisten. „Wir werden niemandem etwas tun, wir sind Menschenfreunde“, versichert Daniel Brühl als Topterrorist, der dabei ist, sich in ein Monster zu verwandeln. In den Taten der Söhne und Töchter kehrt der Ungeist der Mörder von Auschwitz zurück. Unter den Entführten ist eine alte Dame, die Panikattacken bekommt. Auf ihrem Arm trägt sie ihre eintätowierte Nummer aus dem KZ.

20. 2., 10 Uhr (Haus der Berliner Festspiele), 15 Uhr (Friedrichstadtpalast), 18.30 Uhr (Haus der Berliner Festspiele)

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