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Con moto: Das Bundesjugendorchester

© Selina Pfrüner

50 Jahre Bundesjugendorchester: Horizonte aufreißen

Seit einem halben Jahrhundert versammelt das Bundesjugendorchester den nationalen Spitzennachwuchs. Die Jubiläumstournee führt auch nach Berlin.

Sind die Berliner Philharmoniker genauso gut im Fußball wie beim Musizieren? „Sie sind auf jeden Fall eine sehr starke Konkurrenz“, sagt Carolin Grün lachend, die Konzertmeisterin des Bundesjugendorchesters. Seit die Berliner 2013 die Patenschaft über das Bundesjugendorchester übernommen haben, sind auch die jungen Musiker und Musikerinnen jeweils bei den Osterfestspielen der Philharmoniker in Baden-Baden dabei, lernen bei Meisterkursen und Konzerten von den Profis. Und treten in einem Fußballmatch gegen die Stars an. „Wir üben im Vorhinein sehr fleißig!“, bekräftigt die junge Violinistin.

Dieses Jahr feiert das Bundesjugendorchester sein 50-jähriges Bestehen: Die Gründungsidee hatte der Musikpädagoge und Orchesterleiter Peter Koch auf einem amerikanischen Kongress, während er Jugendliche aus der ganzen Welt zusammen in einem Orchester spielen hörte. Mit Volker Wangenheim, damals Generalmusikdirektor in Bonn, gründete er das „BJO“ unter dem Dach des Deutschen Musikrates. Ziel war es, Nachwuchstalente auch über den Wettbewerb „Jugend musiziert“ hinaus zu fördern. Mehrere Jahrzehnte bauten die beiden das Orchester weiter aus. Seit der Gründung 1969 hat die Leitstelle ihren Sitz in Bonn.

Die Jugendlichen sind mit großem Ernst bei der Sache

Die 17-Jährige Carolin Grün ist schon einige Jahre dabei. Für die Violinistin ging ein Traum in Erfüllung, als sie in das Orchester aufgenommen wurde. Im Bundesjugendorchester treffen Musiker und Musikerinnen zwischen 14 und 19 Jahren aus ganz Deutschland aufeinander. Dreimal im Jahr finden dreiwöchige Arbeitsphasen statt, auf die zehntägige Tourneen folgen. Pro Jahr spielen die 100 Orchestermitglieder um die 30 Konzerte auf der ganzen Welt. In der Sommerarbeitsphase steht dieses Jahr eine Tournee in Südafrika an.

Immer wieder sind Kritiker verblüfft, mit welcher Ernsthaftigkeit die Jugendlichen ihre Auftritte meistern. Eine gehörige Portion Disziplin ist unumgänglich, sagt Carolin Grün dazu: „Wir wollen ja auch was Großes auf die Beine stellen.“ Doch für die 17-jährige bedeutet das nicht, dass sich irgendjemand brav zurückhalten muss. Mit der Musik sollen die eigenen Gefühle ausgedrückt werden, dafür legen sich alle im Bundesjugendorchester so richtig ins Zeug. In Erinnerung sind Carolin Grün die Auftritte und Probephasen mit den berühmten Dirigenten geblieben: Sir Simon Rattle zum Beispiel konnte die Motivation in den Proben mit seinem lebhaften Schalk aufrechterhalten. Letztes Jahr wurde er vom Bundesjugendorchester zum Ehrendirigent ausgezeichnet. Und wie war es mit Kirill Petrenko? „Die Schlagtechnik des Dirigenten ist brillant! Man versteht ihn blind, jeder weiß sofort, was er musikalisch rüberbringen will.“

Üben, üben, üben – und dann feiern. Die jungen Musikerinnen und Musiker haben auch jede Menge Spaß zusammen.
Üben, üben, üben – und dann feiern. Die jungen Musikerinnen und Musiker haben auch jede Menge Spaß zusammen.

© Selina Pfrüner

83 Prozent der ehemaligen „BJO-ler“ finden nach ihrem Studium Jobs in professionellen Orchestern und Ensembles. Wie schafft es das Bundesjugendorchester, die jungen Menschen so erfolgreich auf das Berufsleben vorzubereiten? Das musikalische Niveau ist hoch, Ziel ist, das Instrument perfekt zu beherrschen. Gelernt wird, die Vorgaben des Dirigenten zu verstehen, umzusetzen und an die anderen weiterzugeben. Es geht aber auch um soziale Fähigkeiten, wie Achtsamkeit, Aufmerksamkeit und Sensibilität. Manchmal muss man sich zum Beispiel auch als Person zurücknehmen, um mit allen auf einer Wellenlänge zu spielen. Um zu spüren, wie sich das Werk und die Interpretation entwickelt. Diese grundsätzlichen Kompetenzen haben sich, laut Projektleiter Sönke Lentz, seit der Gründung des Orchesters kaum verändert.

Einzig das Selbstmarketing kam neu zur Berufsqualifikation dazu. „Da sind wir inzwischen weit weg von einem Musikerbild, das sich auf das alleinige Musizieren beschränkt.“ Heute müssen die Musiker und Musikerinnen selbst dafür sorgen, bekannt zu werden. Freischaffende geraten oft in prekäre Zustände, weil die Gage nur von Projekt zu Projekt bezahlt wird. Da brauche es einen hohen Grad an Selbstorganisation, um über die Runden zu kommen.

Lernen die Jugendlichen im BJO also schon, sich in Sozialen Medien zu vermarkten? Sönke Lentz verneint das: Im Zentrum steht das Musizieren, Zukunftsangst soll nicht geschürt werden. Für eine ausgiebige Karriereberatung sei es zu früh, dafür sind später die Hochschulen zuständig. „Wir fangen schon mal an, den Horizont aufzuziehen.“

Die Orchesterfinanzierung ist eine Herausforderung für das dreiköpfige Organisationsteam. Die Stadt Bonn hat ihre Zuschüsse gerade zur Hälfte reduziert. Zum Glück bleibt die Förderung durch das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend bestehen.

Ingo Metzmacher dirigiert die Jubiläumstournee

Sorgen bereitet die zunehmende Beanspruchung der Jugendlichen durch die Schulen. Das verkürzte Abitur und der Ganztagsunterricht sind mit dem hohen Anspruch der musikalischen Bildung nur schwer zu vereinbaren. Die Nachmittage und Wochenenden müssen für eigenständiges Üben und Meisterkurse genutzt werden. Die Konzertmeisterin Carolin Grün stemmt Abitur, Tournee und Probephasen gleichzeitig.

Nach der Zeit in Baden-Baden folgen jetzt Jubiläumskonzerte in Köln, Leipzig und Berlin. Auch da sitzen einige der Berliner Paten zwischen den „BJO-lern“. Unter der Leitung von Ingo Metzmacher wird Strauss’ „Alpensinfonie“ gespielt und „Amériques“ von Edgar Varèse.

Wie sieht das BJO in 50 Jahren aus? Ginge es nach der Geigerin Caroline Grün, müsse man einfach genau so weitermachen wie bisher.

Am Montag gastiert das BJO auf seiner Jubiläumstournee in der Philharmonie.

Alexandra Ketterer

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