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Bitte vorsichtig behandeln! Die Berliner Symphoniker müssen sich seit 2004 als frei finanziertes Projektorchester durchschlagen.

© Mike Wolff, TSP

50 Jahre Berliner Symphoniker: Totgesagte spielen länger

Die Berliner Symphoniker werden 50 Jahre alt – und feiern ganz groß in der Philharmonie.

Klaus Wowereit war noch Oppositionspolitiker im Abgeordnetenhaus, als er 1998 die Berliner Symphoniker rettete. „Es ist unerträglich, ein ganzes Orchester zu eliminieren, um mit dem Geld die Gehaltserhöhungen bei der Staatskapelle zu bezahlen“, polterte der SPD-Haushaltsexperte – und sorgte dafür, dass der Plan der CDU, den Symphonikern die Subventionen zu streichen, vom Parlament abgelehnt wurde. Schon beim ersten Versuch des Senats, das Orchester abzuwickeln, hatte sich Wowereit 1993 schützend vor das Ensemble gestellt. 2003 allerdings – da war er zum Regierenden Bürgermeister aufgestiegen – schien ihm das Orchester dann doch verzichtbar für die hippe Hauptstadt. Und so wurde auf Vorschlag von PDS-Kultursenator Thomas Flierl der Haushaltstitel für die Berliner Symphoniker gelöscht.

Den Gefallen, daraufhin von der Bildfläche zu verschwinden, haben die Musiker den wankelmütigen Lokalpolitikern aber nicht getan. Sie schlugen sich seitdem als frei finanziertes Projektorchester tapfer weiter durch – und können am heutigen Sonntag nun tatsächlich ihr 50-jähriges Gründungsjubiläum in der Philharmonie feiern: Das startet bereits um 15 Uhr, denn es wird ein Mammutprogramm geboten, bei dem Gustav Holsts prachtvolle „Planeten“-Tondichtung erklingt, bevor Chefdirigent Lior Shambadal vier junge Talente auf die Bühne bittet, die Hochvirtuoses von Chopin, Verdi und Saint-Saëns präsentieren. Zum Abschluss schließlich gibt’s Luigi Boccherinis musikalischen Streifzug durchs nächtliche Madrid von 1780 sowie Ravels „Bolero“.

Intendant Thärichen erhält das Ensemble am Leben

Ermöglicht hat dieses Konzert vor allem ein Mann, der seit 1989 die Geschicke der Symphoniker lenkt: Jochen Thärichen. Der Sohn des legendären Philharmoniker-Paukisten war 15 Jahre Trompeter im Orchester gewesen, bevor er das Intendantenamt antrat. Dank der Tourneen, die Thärichen für seine Musiker organisiert – im Juli waren sie in Japan, im August folgte eine Gastspielreise nach Frankreich, im September ging es nach Korea, gerade sind sie vom Festival Musica Mallorca zurückgekehrt –, konnten die Eintrittspreise für die traditionellen Sonntagnachmittagauftritte im Kammermusiksaal moderat bleiben. Denn darum ging es bei den Berliner Symphonikern immer: die Zugangsschwelle zur Klassik niedrig zu halten. Als die hochmögenden Kollegen von der Karajan-Truppe beim Wort Jugendarbeit noch die Nase rümpften, gingen sie mit ihren Instrumenten bereits in die Schulen, veranstalteten Workshops, öffentliche Generalproben und „Konzerte für die ganze Familie“.

Dem Bau der Mauer verdankten die Berliner Symphoniker ihre Gründung. Im August 1961 waren alle „Grenzgänger“ plötzlich arbeitslos, darunter auch viele Musiker, die auf der Westseite lebten und im Osten ihren Arbeitsplatz hatten. Für sie schuf der Senat ein drittes staatliches Klassikensemble in der Stadt neben den Philharmonikern und dem RSO, das 1966 den Namen Symphonisches Orchester Berlin erhielt und sich 1991 in Berliner Symphoniker umbenannte, weil die Abkürzung SOB in der englischsprachigen Welt für Heiterkeit sorgte. „To sob“ bedeutet dort nämlich „schluchzen“.

Chefdirigent Lior Shambadal ist ein Glücksfall fürs Orchester

Carl August Bünte wurde zum ersten Chefdirigenten, ihm folgte 1975 Theodore Bloomfield, der sieben Jahre später den Taktstock niederlegte, weil die Stadt eine zunächst zugesagte Planstellenaufstockung mit Verweis auf den angespannten Etat zurückgezogen hatte. Nach zwei Jahren unter Daniel Nazareth wurde 1985 dann Alun Francis für zehn Jahre zum musikalischen Leiter. Als größter Glücksfall in der Geschichte des Orchesters aber erwies sich Lior Shambadal. „Erst drei Konzerte hat der neue Chef dirigiert, und schon ist das Orchester um anderthalb Spielklassen hinaufkatapultiert“, schwärmte der Tagesspiegel im Juli 1997.

Dass der israelische Maestro das Qualitätsniveau durch all die schweren Jahre halten konnte, dankt das Stammpublikum den Symphonikern mit treuer Anhänglichkeit. Und mittlerweile rückt auch der Senat wieder etwas Geld heraus, damit das Orchester, das zu den Pionieren der Education-Bewegung gehörte, Nachwuchshörern bis 23 Jahre ein „Junior Classic Ticket“ zum Preis einer Kinokarte anbieten kann.

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