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Schöne Leich. Fasan aus dem Video von Ezgi Kılınçaslan.

© Ezgi Kılınçaslan

25 Jahre "Goldrausch Künstlerinnenprojekt": Die lange Jagd auf den Fasan

Seit 25 Jahren fördert das "Goldrausch Künstlerinnenprojekt" Frauen in der Kunstszene. Im Kunsthaus Bethanien ist nun die diesjährige Ausstellung zu sehen.

Den Umsturz der Verhältnisse können die Leiterinnen des „Goldrausch“-Künstlerinnenprojekts zum 25. Geburtstag seines Bestehens noch nicht verkünden. Gründete sich die Berliner Initiative einst aus dem Anliegen heraus, Künstlerinnen in Deutschland aus der Benachteiligung in der Kunstszene herauszuhelfen, so hat sich ein Vierteljahrhundert später nach wie vor nichts grundlegend geändert: Die Mehrzahl der großen Museen und Ausstellungen wird immer noch von Männern geleitet. 2014 lag das durchschnittliche Einkommen von Künstlerinnen laut Angaben der Künstlersozialkasse sagenhafte 26 Prozent unter dem ihrer männlichen Kollegen.

Kein Anlass also für „Goldrausch“, vom ursprünglichen Vorhaben abzuweichen. „Nach wie vor wollen wir Künstlerinnen stärken, sie sichtbar machen und Gleichstellung erreichen“, so Hannah Kruse, seit 2004 eine der beiden Leiterinnen des Projekts. Gefördert wird das Projekt mit Mitteln des Berliner Senats und der Europäischen Union. Jahr für Jahr wird dafür 15 Künstlerinnen in einem zwölfmonatigen Seminar all das nähergebracht, was an den Akademien der Republik manchmal zu kurz kommt: Die Vermarktung der eigenen Kunst, das Knüpfen von Netzwerken, selbst Steuer- und Urheberrecht. Was sowohl der hehren Sache der Geschlechtergerechtigkeit als auch der Existenzsicherung dient, ist nicht minder willkommen als die Arbeit am Wahren und Schönen.

Gerade diese steht allerdings im Mittelpunkt der Ausstellung „25 Karat – Goldrausch 2015“ im Kreuzberger Kunstquartier Bethanien. Dort stellen die Teilnehmerinnen des aktuellen Jahrgangs Werke aus, an denen sie abseits der Seminare des Förderprojekts arbeiten. Ob bei einer feministisch motivierten Initiative auch feministisch motivierte Kunst zu erwarten ist? „Absolut nicht!“, stellt Hannah Kruse klar. Die Jury, die über die Aufnahme in das Projekt entscheidet, ließe sich bloß künstlerisch, nicht politisch überzeugen. Gerade die Vielfalt der Künstlerinnen mache die Arbeit miteinander lohnend.

"Adenauers Metaphysik des Eigenheims" sticht heraus

Eine Vielfalt, der die Ausstellung freien Lauf lässt. Auf einen kuratorischen Überbau wurde verzichtet, die Werke sind im Studio 1 des Kunstquartier Bethanien nebeneinander platziert, ohne über Stil, Methode oder Aussage miteinander in Beziehung zu stehen. Diese scheinbar aleatorische Anordnung aus Zeichnungen, Skulpturen, Fotografien und Installationen spielt mit dem Risiko, den Betrachter desorientiert zurückzulassen, richtet dessen Blick jedoch umso unverstellter auf jedes einzelne Exponat und befreit von dem Zwang, sich einer übergeordneten Deutung anpassen zu müssen.

Eindringlich wirkt so Juliane Henrichs essayistische Videocollage „Aus westlichen Richtungen“: Ihre Momentaufnahmen westdeutscher Großstadtfassaden porträtieren krude, über Jahre aus Backstein und Beton gewachsene architektonische Gebilde, die zunächst lebensfeindlich wirken und doch für viele Menschen Lebensraum bedeuten. Unterlegt von fast zynisch wirkenden Überlegungen über „Adenauers Metaphysik des Eigenheims“ und beklommen tastender Musik geht Henrich der Frage nach, „was Westdeutschland einmal gewesen sein könnte“. Eine Videoinstallation von Ezgi Kılınçaslan dokumentiert das traditionell männliche Ritual der Fasanenjagd in Belgien und fügt der Ausstellung immerhin ein Kunstwerk bei, das eine Spur feministischer Kritik erahnen lässt.

Von dieser Ausstellung ist kein einheitliches Gesamtbild zu behalten, wohl aber bleiben einzelne Eindrücke in Erinnerung, die umso einprägsamer sind. Dem Goldrausch Künstlerinnenprojekt bleibt zu wünschen, dass seine Bemühungen auch in der Zukunft kein Stückwerk bleiben.

Studio 1, Kunstquartier Bethanien, Mariannenplatz 2, bis 25. 10.; tägl. 12–19 Uhr. Katalog 10 €.

Johannes Metternich

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