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Für Fotoabzüge wie „Spin 07 (green brown)“ hat das Künstlerduo Taiyo Onorato & Nico Krebs eigens eine Rotationsmaschine gebaut.

© Taiyo Onorato & Nico Krebs

1929 revisited: die Ausstellung "Film und Foto": Verdrehte Welt

Neues Sehen à la Bauhaus? Das Berliner Museum für Fotografie erinnert an die legendäre Ausstellung „Film und Foto“ von 1929 und vergleicht Kameraexperimente von gestern und heute.

Im Jahr des 100. Bauhaus-Jubiläums wird man es schwer haben, noch ein Museum, noch eine Ausstellung zu finden, die sich nicht mit dem publikumsträchtigen Namen schmücken. Aber die Berufung auf den großen Vorgänger birgt die Gefahr, eigene Leistungen immer an den kanonisch gewordenen Errungenschaften zu messen, die mit dem Namen Bauhaus assoziiert werden, mögen sie nun an der legendären Lehranstalt entstanden sein oder getrennt von ihr.

Genau das ist der Fall bei der Ausstellung „Bauhaus und die Fotografie“, die das Berliner Museum für Fotografie aus dem Düsseldorfer NRW-Forum übernommen hat. Sie will in erster Linie auf Arbeiten zeitgenössischer Fotografen von Wolfgang Tillmans bis Thomas Ruff, daneben aber von Studierenden an der Hochschule Darmstadt sowie an der Technischen Hochschule Nürnberg aufmerksam machen, die sich auf fotografische Experimente am Bauhaus rückbeziehen lassen. Welche Nutzung technischer Medien ließe sich nicht in dieser Weise historisch verankern, wo doch unter László Moholy-Nagy so ziemlich alles ausprobiert wurde, was damals technisch überhaupt möglich war?

Nicht von ungefähr führt das berühmte Bauhaus-Buch des (offiziell) „Formmeisters der Metallwerkstatt“ den Titel „Malerei Fotografie Film“, der die Entwicklung von der Handarbeit zur Technik und in ihr vom unbewegten zum bewegten Bild andeutet.

Werke von Karl Blossfeldt oder Franz Roh stammen aus den Museumsbeständen

Moholy-Nagy war der Mastermind der Wanderausstellung des württembergischen Werkbunds, „Film und Foto“, die 1929 in Stuttgart Premiere hatte und auf ihrer dritten Station im Berliner Kunstgewerbemuseum, dem heutigen Gropius-Bau, zu sehen war. Die „FiFo“war die bedeutendste Übersicht über die internationale Fotografie ihrer Zeit. Ein vorsichtiger Rekonstruktionsversuch der erstaunlich schlecht dokumentierten Riesen-Schau bildet denn auch die eine Hälfte der jetzigen Berliner Präsentation im Museum für Fotografie.

Diese Annäherung gibt Gelegenheit, mit etlichen Inkunabeln der Fotografiegeschichte Wiedersehen zu feiern. Insbesondere die neusachliche Fotografie, die bei der „FiFo“ im Vordergrund stand, ist gut vertreten. Thematische Kabinette – die es bei der nach Nationalitäten sortierten „FiFo“ nicht gab – widmen sich der „Geometrisierung der Welt“, der Typographie oder „Tempo, Wiederholung, Sprung“. Aus den Beständen des Berliner Museums sind Vitrinen mit Ausgaben von „Camera Work“ und mit Büchern von Karl Blossfeldt, Franz Roh oder Jan Tschichold bestückt, die deutlich machen, wie weit die Fotografie durch Druck und Publikation verbreitet war. Es waren die großen Jahre des Fotobuchs.

Das ist, nach einer weiteren Blütezeit in den 1950er, 1960er Jahren, längst vorbei. Die heutigen Positionen demonstrieren Bedeutung allein durch die Größe ihrer Formate. Der fatale Trend aus der bildenden Kunst, bigger für better auszugeben, hat in der Fotografie Einzug gehalten, man denke nur an die Arbeiten der „Düsseldorfer Schule“, die nur noch an Museumswänden Platz finden.

Die Fotografen zeichneten mit Licht, meist geometrische oder organische Formen

Die hier ausgestellten Arbeiten von 13 etablierten Fotografinnen und Fotografen sowie von Studentinnen und Studenten zeigen eine naturgemäß sichere Beherrschung der Technik; die aber zugleich einfacher ist als zu Zeiten von „FiFo“, als Fotografen noch in ihren Dunkelkammern mit Chemikalien hantierten, um optimale Ergebnisse der Bildbearbeitung zu erzielen. Das erledigt heute der Computer. Was der Computer nicht erledigen kann, ist die Wahl des Bildgegenstandes. Wenn es denn überhaupt einen gibt: Da hatte schon Moholy mit seinen Fotogrammen Alternativen aufgezeigt.

T. Lux Feininger fotografierte auf der Bauhausbühne Dessau dieses Lichtspiel von Oskar Schlemmer mit dem Tänzer undPantomimen Werner Siedhoff, 1928.
T. Lux Feininger fotografierte auf der Bauhausbühne Dessau dieses Lichtspiel von Oskar Schlemmer mit dem Tänzer undPantomimen Werner Siedhoff, 1928.

© SMB/Kunstbibliothek Estate of T. Lux Feininger

Im Katalog der Ausstellung wird zu Recht das Besondere am „Sehen“ der zwanziger Jahre herausgestellt, die Fokussierung auf die Erscheinungen des modernen Lebens in Objekthaftigkeit, Urbanität, Geschwindigkeit. Dieses Interesse ist heute, nimmt man die vorliegende Ausstellung zum Maßstab, abgeklungen. Kann das sein? Es muss eher wohl an der Auswahl der Kuratoren Kris Scholz und Christoph Schaden liegen; der dritte im Bunde, Kai-Uwe Hemken, war für den historischen Teil zuständig und ist ein ausgewiesener Experte der „FiFo“ und ihres Zustandekommens.

Es überwiegen Arbeiten, die die Fotografie wortwörtlich als ein „Zeichnen mit Licht“ verstehen, die also auf dem Bildträger etwas Eigenes entstehen lassen, was der Natur der Sache nach etwas Nichtgegenständliches ist: geometrische oder organische Formen, überlappende Farbflächen, Unschärfen und Mehrfachbelichtungen. Selbst Thomas Ruff, der einmal mit Stadtansichten begonnen hat, ist hier mit abstrakten Bildern vertreten. Dass Wolfgang Tillmans zu seinen stark verfremdeten Mehrfachbelichtungen eine Plakatserie zur Brexit-Abstimmung zeigt und so das politische Engagement quasi aus der Fotografie herausverlegt, ist ein deutliches Indiz für die Selbstbezogenheit der hier gezeigten Fotografie.

Also, „FiFo“ ist das eine, die zeitgenössische Fotografie etwas Anderes. Man hätte die beiden Teile nicht unbedingt zusammenzwingen müssen.

Museum für Fotografie, Jebensstr. 2, Charlottenburg, bis 25. August. Katalog im Kerber Verlag, 58 €.

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