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Der Erzähler Abderrahim el Makkouri lockt im Foyer der Staatsbibliothek in der Potsdamer Straße in de Ausstellung "Reisende Erählungen" bis zum 18. Januar 2020.

© Rolf Brockschmidt

1001 Nacht in der Staatsbibliothek: Der Schatz der Erzähler

Die Geschichten von Tausendundeine Nacht kamen aus Indien und Persien und werden heute noch gelesen. Eine Ausstellung zeichnet den Weg nach

Überlebensgroß steht er da, Abderrahim el Makkouri vom legendären Platz Jemaa el Fna in Marrakesch und erzählt seine Geschichten, wie es seine Vorfahren schon seit Jahrhunderten taten. Seit 2008 gehören die Geschichtenerzähler von Marrakesch zum immateriellen Weltkulturerbe der Unesco. In der Staatsbibliothek wird Abderrahim aus dem Dokumentarfilm „Al Halqa“ von Thomas Ladenburger auf einen Pfeiler projiziert. Er lockt die Besucher in die hervorragend gestaltete Sonderausstellung „Reisende Erzählungen: Tausendundeine Nacht zwischen Orient und Europa“. [Staatsbibliothek, Potsdamer Straße 33, bis 18. Januar 2020. Montag bis Samstag 11 bis 19 Uhr, Eintritt frei.]

Kaum ein Stoff der Weltliteratur hat über eine so lange Zeit seine Wirkung entfaltet, von den ersten vorislamischen Erzählungen aus Indien und Persien bis hin zu den Adaptionen in unserer Zeit in Literatur, Comics und Filmen. Das Werk war nie eine geschlossene Sammlung, sondern ein fluider Korpus von fantastischen, erotischen, heroischen, komischen Geschichten, von Fabeln und Märchen, die zunächst mündlich tradiert und später aufgeschrieben wurden.

In mehreren Kapiteln geht die Ausstellung der Reise der Erzählungen nach, beleuchtet die arabische Tradition der Erzähler in Caféhäusern und auf Plätzen, ob in Marokko oder in Algerien. Davon zeugen Postkarten der Jahrhundertwende. Die Fabeln von den beiden listigen Schakalen Kalila und Dimna stammen aus dem Mittelpersischen, sind aus dem Arabischen über hebräische Übersetzungen im Mittelalter ins Deutsche übertragen worden und mündeten 1480 in das „Buch der Weisheit“ von Antonius von Pforr. Ein wunderbares Beispiel für den Weg, den diese Stoffe durch die Kulturen genommen haben.

Frühe arabische Drucke entstanden für ein gelehrtes europäisches Publikum. Arabische Handschriften, auch armenische und persische, reich illustriert, befinden sich im Besitz der Staatsbibliothek. Anfang des 20. Jahrhunderts druckte man die Geschichten in arabischer Sprache in hebräischer Schrift, damit die irakischen Juden sie lesen konnten. In der modernen Türkei erschienen Anfang der zwanziger Jahre die Erzählungen in dünnen illustrierten Volksausgaben, einem Reclam-Heft nicht unähnlich.

Der ägyptische Schriftsteller Tahar Husain verstand seinen Roman „Die Träume der Scheherasade“ 1943 als Plädoyer für Bildung, Demokratie und Frauenemanzipation. Neben den vielen kostbaren und seltenen Handschriften widmet sich die Ausstellung den Übersetzungen in europäische Sprachen, die, befeuert durch ein Interesse am Orient, mit ihren Illustrationen große Erfolge feierten. Bedeutend in diesem Zusammenhang ist die Ausgabe von Antoine Galland von 1704/07, die als erste vollständige Sammlung der Erzählungen Maßstäbe gesetzt hat.

Die Adaption einzelner Geschichten aus dem riesigen Erzählschatz als Kinderbuch förderte den weltweiten Erfolg der Stoffe. In unserer Zeit erfahren sie in Werbung, Comics und Filmen weitere Popularisierung, bedienen aber oft nur das Klischee.

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