zum Hauptinhalt
Wo sich die alten Römer und Römerinnen zu Dates trafen.

© picture-alliance / gms/ Christian Röwekamp

Ovids „Liebeskunst“: Die Römer und die Kunst der Liebe

„Make love not war“ in der Antike: Die Kolumne "Fundstücke" dreht sich diesmal um die Neuauflage von Ovids „Liebeskunst“.

Nein, irgendwie lasziv oder gar obszön ist Ovids berühmte „Ars amatoria“, diese unmittelbar vor Beginn der christlichen Zeitrechnung entstandene „Liebeskunst“, gewiss nicht. Das auf drei Kapitel (Libri) und gut 800 lateinische Verse verteilte Lehrgedicht gleicht so in keiner Weise dem zwei- bis dreihundert Jahre später an den Ufern des Ganges verfassten „Kamasutra“.

Während das haut- und sinnennahe indische Epos detaillierte Sextechniken in allen denkbaren Stellungen beschreibt, entwirft Publius Ovidius Naso, kurz genannt Ovid (43 v. Chr. – 17/18 n. Chr.), etwas vergleichsweise Sprödes. Nämlich eine Art erotische Soziallehre von und für Mann und Frau im Rom des Kaisers Augustus. Verbunden mit Sinnszenen aus der griechisch-römischen Mythologie. Trotzdem sind schon vor der MeToo-Debatte Zensurversuche an amerikanischen Universitäten gestartet worden. Auch Ovids zweitausendjährige Dichtung soll für Studierende möglichst mit Warnungen versehen werden – weil beim Verkehr der Geschlechter im alten Rom noch nicht der heutige Zeitgeist geweht habe.

Soll da Ovid ein zweites Mal vertrieben werden? Tatsächlich war er populär, bisweilen umstritten, aber vor allem dank seiner „Metamorphosen“ als poetischer Genius der römischen Antike nur noch vergleichbar den etwas früheren Dichtern Vergil, Horaz oder Catull. Dennoch ist Ovid im Jahr acht unserer Zeitrechnung von Rom verbannt worden nach Tomi, dem heute rumänischen Constanta am Schwarzen Meer. Aus der „Hauptstadt der Welt“ (so Goethe) in die tiefste Provinz des Imperiums.

Gedicht und Irrtum

Das konnte nur auf Geheiß des Kaisers geschehen. Doch warum der Poet jäh in Ungnade fiel, bleibt ein Rätsel. Vielleicht hatte Ovid dem gottgleichen Augustus nicht genügend gehuldigt, womöglich war auch die „Liebeskunst“ ein Grund, weil sie der monogamen Moral und den Ehegesetzen des Kaisers zu sehr widersprach. Abgeschnitten von Familie, Freunden und seinem Publikum, hat Ovid dem bis zum Tod andauernden Exil noch seine letzte Dichtung, die Elegien des „Tristium“, der Trübsal gewidmet – und selbst als Grund seines Verhängnisses etwas sibyllinisch „carmen et error“ genannt. Gedicht und Irrtum (oder: Fehler).

Von Ovids finalem Schicksal am Schwarzen Meer handelt auch Christoph Ransmayrs vor zwanzig Jahren erschienener Roman „Die letzte Welt“. Ein Welterfolg, in 29 Sprachen übersetzt (als Taschenbuch bei S. Fischer, 288 S., 12,00 €). Und weil Ovid vor 2000 Jahren geboren wurde, hatte man 2017 zum Bimillenniums-Jubiläum erklärt. So veranstaltete die Berliner FU ein Sonderprogramm „Ovid und Europa“, bei dem unter anderen der Kulturwissenschaftler Hartmut Böhme und die Autor*innen Durs Grünbein, Sibylle Lewitscharoff und natürlich Christoph Ransmayr auftraten.

Wo sich die Römer dateten

Das Jubiläums-Buch freilich bildet eine ambitionierte, knallrot gebundene Neuausgabe von Ovids „Liebeskunst“ (Galiani Verlag, Berlin 2017, 381 Seiten, 39, 90 €). Tobias Roth, Asmus Trautsch und Melanie Möller haben dazu eine 1923 erstmals erschienene Bearbeitung der noch im 19. Jahrhundert verfassten Übersetzung von Wilhelm Hertzberg ihrerseits überarbeitet und, wie der Verlag schon auf dem Umschlag annonciert, „reich kommentiert“.

Also erfahren wir, in welchen Theatern und Tempeln die Römerinnen und Römer sich zu daten pflegten, dass in den vielen, weit über den einschlägigen Buben Amor alias Cupido hinausreichenden mythologischen Anspielungen sich beispielsweise hinter dem „tirynthischen Halbgott“ der knüppelstarke Herkules verbirgt; und wenn Ovid sagt „Liebe ist Kriegsdienst“ (militia amoris), dann meint das tendenziell eher „make love not war“ und überhaupt einen „zärtlichen Dienst“, der „jegliche Mühe“ erfordert. Wobei der Dichter Frauen und Männern, das ist das Moderne, wechselseitig die gleiche Anstrengung und Empfindlichkeit zubilligt. Was allerdings irritiert, ist die Manier, in der hier im Druckbild Ovids Epos immer umrahmt und auf jeder Seite unterbrochen nur wie eine Insel im Meer der drumherumlaufenden, bisweilen auch überreichen Kommentierung erscheint.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false