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Robert Redford spielt den urbanen Cowboy Forrest Tucker. Jewel (Sissy Spacek) nimmt ihn, so wie er ist.

© Eric Zachanowich, 2018 Twentieth Century Fox Film Corporation

„Ein Gauner & Gentleman“: Robert Redford gibt nochmal den Bankräuber mit Stil

Ein Hauch von Abschied liegt über diesem Film. Doch in „Ein Gauner & Gentleman“ liefert Robert Redford keinerlei Gründe, warum er aufhören sollte.

Er ist ein höflicher Herr. Sachte tippt er auf die Tischglocke – pling! –, um der Kassiererin am Bankschalter zu erkennen zu geben, dass er da ist. Er trägt einen eleganten braunen Hut, einen ebenso eleganten blauen Anzug, und er lächelt, als er der jungen Dame sagt, dass er ein Geschäft abschließen möchte. Welche Art von Geschäft?, fragt sie. Worauf er seinen Mantel nur eben gerade so weit öffnet, dass eine Pistole sichtbar wird.

Später wird die Bankangestellte nicht mit Sicherheit sagen können, ob es wirklich eine Pistole gewesen ist. Bedroht fühlte sich jedenfalls niemand von diesem Mann namens Forrest Tucker, der Anfang der achtziger Jahre für eine Serie von Banküberfällen im Mittleren Westen der USA verantwortlich war. Alles, woran sich Zeugen hinterher erinnern konnten, war, dass der Mann gelächelt habe.

Dann verschwand er einfach wieder. Verließ die Bank wie er sie betreten hatte. Indem er den Hut zog.

Nimm Redford Rache an seinem Publikum?

Ein Hauch von Abschied liegt über diesem Film. Robert Redford hat angekündigt, dass es sein letzter gewesen sein soll. Ausgerechnet dafür hat sich der 82-jährige Hollywoodstar mit „Ein Gauner & Gentleman“ eine Geschichte ausgesucht, in der einer nicht aufhören kann. Aufhören, Banken auszurauben. Und während man nach Redfords Rücktrittserklärung vergangenen August noch geneigt war zu denken, dass der Schauspieler doch klüger war als seine Figur, die einfach keinen Schlusspunkt zu setzen vermag, da nimmt der Schauspieler seinen Entschluss auch schon wieder reumütig zurück. Er denkt nicht mehr daran aufzuhören, hat er der „New York Times“ gesagt.

Man muss sagen, dass „Old Man & The Gun“, wie der Film von David Lowery im Original heißt, keinerlei Gründe liefert, warum er sich verabschieden sollte. Nicht nur, dass Robert Redford seine legendären Gauner-Rollen von „Der Clou“ über „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ bis zu „Der große Gatsby“ nun um die Nuance des altersmilden Outlaws erweitert. Er spielt den notorischen Bankräuber auch so indifferent gegenüber den Konsequenzen seines Tuns, dass man einfach nicht schlau wird aus ihm. Man sucht in seinem faltigen Gesicht mit den klaren blauen Augen vergeblich nach Hinweisen, wie sehr ihn der Wunsch nach einem „letzten großen Ding“ antreibt. Oder ob er alles nur für ein amüsantes Spiel hält. Und diese Undurchsichtigkeit, die weit hinausgeht über das frühere Vexierspiel der Masken wie in „Der Clou“, ist diesmal Redfords größte Leistung.

Oder es ist seine späte Rache an einem Publikum, das ihn meist als Schönling verkannt hat, statt zu sehen, dass die meisten seiner mit New-Hollywood-Regisseuren wie Sidney Pollack gedrehten Filme um Wahrheitsfindung und Glaubwürdigkeit kreisten?

Was macht das Leben lebenswert?

Die zentrale Botschaft seiner wichtigsten Arbeiten nach 1967 lautete: Glaubt niemanden, nicht einmal einem wie mir. Sicher, der Outlaw sei ein Verbrecher, sagt Redford jetzt in einem „New York Times“-Gespräch über seine lebenslange Faszination für diesen Rollentyp. Aber, so fährt er fort, er sei ein Verbrecher, der Spaß habe. So ist unter Lowerys behutsamen Griff ein melancholischer, vergnüglicher Film über die Frage entstanden, was das Leben lebenswert macht. Für Tucker ist es ein guter Plan, der auf die Sekunde genau ausgetüftelt die Schwäche eines Systems ausnutzt, das mit einem alten Knacker wie ihm nicht rechnet.

Gefährlich wird dieser Outlaw nur denen, die ihn mögen und ihm zu nahekommen. Vor allem einer Frau, gespielt von Sissy Spacek, einer Witwe, die ganz gut allein zurechtkommt, auch wenn Tucker sie am Straßenrand aufliest, weil ihr Auto liegengeblieben ist und er in ihrer Not die perfekte Tarnung für sich selbst entdeckt. Wer hält schon einen Mann, der sich über den Motor eines alten Pickup beugt, für einen flüchtigen Bankräuber?

Verstehen Sie etwas von Motoren?, fragt ihn die Frau. Nicht wirklich, sagt er und nimmt sie mit.

Spacek ist die Sensation des Films

Sissy Spacek ist die stille Sensation dieses mit Tom Waits, Danny Glover und Casey Affleck überaus prominent besetzten Films. Ihre alterslose Güte und die fein gesetzten Gesten einer selbstbewussten Frau, die Charme und Witz hat, klug ist und die Größe besitzt, einen so windigen Typen wie Tucker in ihr geordnetes Leben zu lassen, machen sie zum heimlichen Kraftzentrum. Schon der skeptische Blick ist wundervoll, mit dem die 69-Jährige den Zettel bedenkt, auf dem Tucker ihr in einem Diner seinen „Beruf“ offenbart. Was wäre schlimmer, entgegnet er daraufhin, wenn er sie anlügen oder die Wahrheit sagen würde.

Diese Frau mit der Haarsträhne im amüsierten Gesicht kann mit der Wahrheit umgehen. Einen Räuber sympathisch zu finden, ist nicht ihr Problem. Zumal der einen Raub zu einer Stilfrage erklärt. Man begreift: Diese Frau verlöre nichts, wenn ihr dieser Mann abhanden käme, wenn er gefasst würde.

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Aber schade um die verpasste Zeit wäre es doch. Wie Spacek durch pure Präsenz ein Gefühl für den Wert der Zeit vermittelt, ist ihr Privileg. Ohnehin ist sie die große Abwesende des Kinos. Nach frühen Erfolgen in „Badlands“ (1973) und „Carrie“ (1976) zog sie sich immer wieder aus dem Business zurück, half ihrem Mann, einem Setdesigner, zog die gemeinsamen Kinder groß und wurde sechsmal für den Oscar nominiert. Schlechte Filme hat sie nie gemacht.

Welche Bedeutung ihr an der Seite Redfords zukommt, mit dem sie zuvor nie zusammengearbeitet hat, verrät ihr Name – Jewel. Sie ist der Edelstein, den Tucker für schnödere Reichtümer aufgibt. Nicht, dass sie ihm deshalb Vorwürfe machte.

Der Good Guy braucht den Bad Guy

Der einzige, der Tuckers Wesen allmählich zu durchdringen beginnt, ist ein Detective mit bescheidenen Karriereambitionen, den kaum jemand für besonders schlau hält. Casey Affleck versieht diesen desillusionierten Cop namens John Hunt mit hinreißender Behäbigkeit, der jedes Wort in seinem Mund in eine zähe Masse aus Südstaatendialekt verwandelt. Er kann nicht fassen, dass Tucker eine Bank überfallen hat, während er sich ebenfalls in ihr befand. Er hatte es nicht einmal mitbekommen. Tucker hatte einfach seinen Aktenkoffer geöffnet, während eine Bankangestellte die Geldscheine hineinlegte und er über einen Knopf im Ohr den Polizeifunk abhörte.

Akribisch setzt Hunt anschließend die Puzzleteile zusammen, erkennt, dass Tucker dieses Spiel seit siebzehn Jahren treibt, dass er schon ein Dutzend Mal verhaftet worden und ebenso häufig wieder ausgebrochen ist. Dass es frühere Ehen und frühere Kinder gibt, von denen er sich losgesagt hat. Der Cop lebt darüber auf. Tucker reißt ihn aus der Lethargie.

Das ist natürlich konventionell konstruiert: Dass der Good Guy den Bad Guy für sein eigenes Lebensglück braucht. Und Lowery lässt die beiden sich tatsächlich auch einmal begegnen auf einem Toilettengang. Tucker sagt, dass er Hunt im Fernsehen gesehen habe. Wie weit er bei seiner Suche gekommen sei? Worauf Hunt meint, dass er wisse, wen er suche. Tucker wünscht ihm viel Glück.

Bekenntnis wider den Exzess

Die Magie dieser Szene wie überhaupt des ganzen Films speist sich aus einer wohltuenden, im Kino seltener werdenden Uneindeutigkeit, die dem Leben etwas vage Fließendes zuschreibt. Das setzt sich bis in den exquisiten Soundtrack von Daniel Hart fort, dessen gediegen pulsierende Hardbop-Arrangements den Takt vorgeben für Tuckers elegante Schurkenstücke. Es sind Songs an der Grenze zum Jazz-Kitsch, in die man einziehen möchte.

Wie viele Monster hat das Kino hervorgebracht, wenn es um Serientäter und Zwangscharaktere geht, die ein Verbrechen so lange wiederholen, bis man sie stoppt. Selbst die guten Psychopathen werden in irgendeiner Bank dann doch in eine wilde Schießerei verwickelt, die das Klägliche ihres Ansinnens sich gewaltsam offenbaren lässt. Lowerys „Ein Gauner & Gentleman“ ist ein Bekenntnis wider den Exzess und die Exzentrik des Abseitigen. Und Robert Redford ist in seiner Nonchalance die Idealbesetzung, um zu zeigen, dass sich das Geld fremder Leute zu schnappen, die normalste Sache der Welt sein kann.

Ab Donnerstag in 15 Berliner Kinos

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