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Alter an sich ist weder ein sinnvolles Ausschlusskriterium, noch eine Qualifikation. Also schafft das Mindestalter ab!

© picture alliance / dpa

Krise der Demokratie: Niemand ist zu jung zum Wählen!

Wer wählen will, muss 18 sein. Bundespräsident kann man sogar erst ab 40 werden. Björn Höcke also dürfte. Ich nicht. Ziemlich merkwürdig. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Sidney Gennies

Manches ist eigentlich erst erlaubt, wenn man alt ist. Beige Kleidung tragen, Fahrgäste in der U-Bahn vom Sitzplatz aufscheuchen. Sowas.

Es gibt aber auch Dinge, die tatsächlich erst ab einem bestimmten Alter möglich sind. Bundespräsident werden zum Beispiel – wie Frank-Walter Steinmeier, der am Sonntag sein Amt antritt. Wählbar ist, steht im Grundgesetz unter Artikel 54, wer das vierzigste Lebensjahr vollendet hat. Ich – 28 Jahre alt – also schon mal nicht. Björn Höcke, der findet, Hitler sei besser als sein Ruf – 44 Jahre alt – ohne Probleme. Irgendwie merkwürdig.

Argumentiert wird mit der Lebenserfahrung, was natürlich Quatsch ist. Jeder 18-Jährige kann sich bei der Bundeswehr melden; hier ist deine Maschinenpistole, husch, husch, ab nach Afghanistan – und etwas aufpassen, der Lauf verzieht unter Dauerfeuer! Potenziell lebensbeendende Maßnahmen trauen wir den jungen Leuten schon zu. Um die Ehrenurkunden der Bundesjugendspiele zu unterzeichnen und bei Empfängen ein wichtiges Gesicht zu machen, fehlt ihnen aber die nötige Reife?

Alter per se ist keine Qualifikation

Bei den Unter-18-Jährigen sieht es noch unfairer aus. Gar kein Wahlrecht, weder aktiv noch passiv. So diskriminieren wir ja am anderen Ende der Alterspyramide auch nicht: Zu Recht hat das Gesetz etwa Konrad Adenauers Eignung nicht einfach in Zweifel gezogen, nur weil er mit 87 Jahren noch Bundeskanzler war und jeder Atemzug ein Cliffhanger. Alter per se ist weder ein sinnvolles Ausschlusskriterium noch eine Qualifikation.

Also weg mit der Altersgrenze. Und nicht nur so ein bisschen absenken wie in Brandenburg, wo bei Landtagswahlen immerhin 16-Jährige abstimmen dürfen. Streicht sie komplett.

Klar ist das ein Risiko. Was passiert, wenn plötzlich jemand mit der emotionalen Reife eines Fünfjährigen zum Staatschef gemacht wird, lässt sich in den USA beobachten.

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Aber das haben die ach so lebenserfahrenen Wahlberechtigten dort ganz alleine hingekriegt. Den Nachwahlbefragungen des US-Senders CNN zufolge stimmte jeder zweite Wähler zwischen 50 und 65 Jahren für Donald Trump. Bei den 18- bis 24-jährigen Wählern waren es lediglich 32 Prozent. Nur müssen die noch sehr viel länger mit den Folgen seiner Politik leben.

Nun steht dieses Jahr in Deutschland eine Bundestagswahl an, die zum ersten Mal seit langem die Republik wesentlich nach links oder rechts rücken lassen könnte. In welche Richtung es geht, werden auch hier maßgeblich Menschen über 60 entscheiden, sie machen ein Drittel aller Wahlberechtigten aus. Bis zum Jahr 2040 könnte ihr Anteil auf 45 Prozent ansteigen. Dagegen ist im Grunde nichts einzuwenden, aber es verwundert eben auch nicht, wenn das zentrale Wahlkampfthema mal wieder die Rente ist. Die haben die Rentner zwar verdient, die Jüngeren können sie aber nicht bezahlen. Der Generationenvertrag funktioniert nicht mehr und keiner hat Lust, ihn neu zu verhandeln. Die Politik braucht da Druck von Wählern egal welchen Alters.

Das gilt für andere Bereiche genauso, und das uneingeschränkte Wahlrecht könnte helfen. Hätten Abgeordnete den Zorn der Schulpflichtigen fürchten müssen, wären Berlin sicher 20 der fast 30 dämlichen Bildungsreformen der vergangenen zwei Jahrzehnte erspart geblieben.

Politik soll man glauben, nicht verstehen

Und noch viel wichtiger: Aus Angst, Heerscharen von minderjährigen Wählern an die Populisten links und rechts der Vernunft zu verlieren, würden die Parteien vielleicht endlich Kultusminister einsetzen, die für eine umfassende politische Bildung sorgen. In meiner Schulzeit in Bayern beispielsweise gab es 13 Jahre lang verpflichtenden Religionsunterricht. Und ein Jahr Sozialkunde. Nicht nur mir drängte sich schon damals der Eindruck auf, Politik sollten wir nicht verstehen – sondern glauben.

Sicher, junge Menschen für Politik zu begeistern, ist nicht leicht. Die Wahlbeteiligung selbst derjenigen, die schon mitbestimmen dürften, ist beschämend gering. Das kann nicht im Interesse der Gesamtgesellschaft sein. Es mag manchem Politiker bequemer erscheinen, im wahrsten Sinne auf Altbewährtes zu setzen. Doch nach Brexit, Trump und dem Aufstieg von Pegida, Identitären und Co. ist die Demokratie in einer Krise, es wird Zeit für neue Wege.

Get them while they're young – was bei Big Tobacco und Islamisten funktioniert, darf doch aufrechten Parlamentariern nicht zu mühsam sein.

Alle Kolumnen von Sidney Gennies finden Sie hier: "Alter Spalter"

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