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Kreislauf: Eine App kann keinen Arzt ersetzen

Die Selbstüberwachung von Lebensfunktionen wie Blutdruck und Puls liegt voll im Trend. Aber können Programme auf dem Smartphone auch helfen, drohenden Bluthochdruck früh zu erkennen?

Stiller Killer: Jeder zweite Deutsche läuft mit Bluthochdruck durch die Gegend. Rund die Hälfte der Betroffenen wissen aber noch nichts von ihrem Unglück. Und wiederum nur 50 Prozent der Erkrankten, die sich in Behandlung befinden, werden korrekt therapiert. Grund genug, dem Hochdruck genauer auf die Spur zu gehen. Christian Butter, Chefarzt der Kardiologie am Immanuel-Klinikum Bernau -Herzzentrum Brandenburg, erklärt, wie es zum Bluthochdruck kommt, wie man seinen Blutdruck exakt messen kann und welche Behandlungsoptionen es gibt.

Christian Butter ist Chefarzt der Kardiologie am Herzzentrum Brandenburg und leitet dort auch das Bluthochdruckzentrum.
Christian Butter ist Chefarzt der Kardiologie am Herzzentrum Brandenburg und leitet dort auch das Bluthochdruckzentrum.

© Promo

Herr Butter, Bluthochdruck ist eine Volkskrankheit und gilt als wichtiger Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Aber worum handelt es sich dabei eigentlich genau?
Beim arteriellen Hypertonus herrscht ein zu hoher Druck im Blutsystem. Gemessen wird dabei der systolische Wert in Relation zum diastolischen - also der Blutdruck in der Anspannungsphase des Herzmuskels im Vergleich zu dem in seiner Erschlaffungsphase. Die typische Einheit dafür ist Millimeter Quecksilbersäule, abgekürzt »mmHg«. Die neuen Richtlinien der europäischen Gesellschaft für Kardiologie und Hypertonie definieren einen Blutdruck von 130 zu 85 als normal. Ein Hochdruck liegt vor, wenn Werte über 140 zu 90 oder höher gemessen werden. Dabei unterteilt man den Hypertonus in eine milde, moderate oder schwere Form.

Wie kommt es zu diesen erhöhten Blutdruckwerten?
Das ist in den allermeisten Fällen bis heute unbekannt. Oft zeigen sich erhöhte Blutdruckwerte erstmals zwischen dem 40. und 45. Lebensjahr. Als Ursache wird vor allem in den westlichen Industriestaaten, in denen im Schnitt 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung betroffen sind, ein ungesunder Lebensstil diskutiert. Auch Leute mit erblicher Vorbelastung haben ein erhöhtes Risiko. Nur rund fünf Prozent der Fälle sind auf verhältnismäßig seltene organische Ursachen wie zum Beispiel Nieren- oder Schilddrüsenerkrankungen zurückzuführen.

Warum ist Bluthochdruck so gefährlich für das Herz?
Tückischerweise ist nicht nur das Herz betroffen. Auch die Nieren, Augen und das Gehirn werden in Mitleidenschaft gezogen. Grundproblem bei allen diesen Organen ist, dass die sie versorgenden Gefäße chronisch überbelastet werden. Für das Herz bedeutet der hohe Druck einen hohen Stress für die Herzwand. Es versucht, den dauerhaften Druck zu kompensieren, indem es den Herzmuskel anwachsen lässt. Aber durch dieses Anwachsen und die hohe Kraft, die es zum Pumpen unter den enormen Druckbedingungen benötigt, kann es auf Dauer zur Herzschwäche kommen. Auch sogenannte hypertensive Krisen, also Blutdruck-Entgleisungen mit extrem hohen Werten, können auftreten. Das führt möglicherweise zu Symptomen wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Sprach- und Sehstörungen.

Das klingt Besorgnis erregend - zumal man den Hochdruck nur in seltenen Fällen selbst bemerkt. Aber glücklicherweise lässt sich der Blutdruck schnell und einfach messen. Wie geht der Arzt dazu vor?
In der Tat ist für eine bevorstehende Therapie die korrekte Blutdruckmessung das A und O. Dazu muss der Patient vor der Messung in Ruhe sitzen, ideal sind fünf Minuten. Die Blutdruckmanschette wird am nackten Oberarm auf Herzhöhe angelegt. Gemessen wird nacheinander auf beiden Seiten. Wichtig für eine aussagekräftige Beurteilung ist immer, sich nicht an einem in einer bestimmten Situation gemessenen Einzelwert zu orientieren, sondern ein Profil über einen längeren Zeitraum auszuwerten. Dazu kann bei entsprechender Indikation eine 24-Stunden-Blutdruckmessung notwendig sein: Hierbei werden jede halbe Stunde die Werte erhoben - im normalen Alltag, in Stresssituationen und auch in der Nacht. Das ist nötig, weil viele Faktoren eine Einzelmessung beeinflussen können. Selbst die bloße Anwesenheit des Arztes kann durchaus dazu führen, dass die Werte nach oben verfälscht werden.

Zur regelmäßigen Blutdruck-Kontrolle zuhause eignen sich handelsübliche Messgeräte. Was ist dabei zu beachten?
Wie in der Praxis oder im Krankenhaus gilt auch zuhause: Sprechen, Husten, Lachen oder übereinander geschlagene Beine während der Messung können die Ergebnisse verfälschen. Bei dem üblichen Apparat für den häuslichen Bereich handelt es sich um ein digitales Messgerät, das sich am Handgelenk aufpumpt. Es soll bei angewinkeltem Arm ebenfalls wie die Blutdruckmanschette auf Herzhöhe liegen. Die Kontrolle zuhause sollte dreimal am Tag erfolgen: Die erste Messung steht morgens vor Einnahme blutdrucksenkender Medikamente an, die anderen beiden im Verlauf des Tages.

Neuerdings werben immer mehr Anbieter mit Blutdruck-Apps. Wie aussagekräftig sind sie?
Für das Smartphone gilt: Eine Software, die den Blutdruck ohne anzuschließendes Messgerät bestimmen kann, gibt es nicht. Denn für die Blutdruckkontrolle per App braucht es eine entsprechende Manschette, die man an das Smartphone anschließen muss. Erst damit ist eine korrekte Messung möglich, für deren Verwertung dann eine richtige Blutdruck-Applikation ins Spiel kommt. Günstig daran ist, dass die gemessenen Werte automatisch protokolliert und in übersichtliche Verlaufsgraphiken umgesetzt werden können. Allerdings muss der Datenschutz gesichert bleiben, was über Online-Nutzung problematisch sein kann. Letztlich ersetzen auch Blutdruck-Apps mit Warnfunktionen keine Fachkompetenz eines Arztes. Mit der Lichtdurchstrahlung der Fingerspitze über Smartphone-Blitzlicht-LEDs kann übrigens lediglich der Puls bestimmt werden.

Wie wird ein Bluthochdruck behandelt?
Zentraler Punkt der Therapie ist die Lebensumstellung. Sie ist bei diagnostiziertem Bluthochdruck unumgänglich, eignet sich aber natürlich generell auch zur Prävention, um den Ausbruch der Erkrankung zu verhindern. Die wesentlichen Säulen sind Ernährung, Bewegung und Gewichtskontrolle: Mediterrane Kost, viel Gemüse und ein sparsamer Umgang mit Salz sind genau so wichtig wie eine regelmäßige körperliche Betätigung. Dabei sind mindestens dreimal die Woche Ausdauer-Sporteinheiten à 30 Minuten empfehlenswert, je häufiger, desto besser. Wer es schafft, sein Übergewicht abzubauen, tut auch etwas gegen zu hohen Blutdruck. Pro verlorenem Kilogramm Körpergewicht sinkt der Blutdruck um zwei bis drei mmHg. Und auch Medikamente können bei Bluthochdruck helfen. Blutdrucksenker wie Betablocker, Calciumantagonisten, ACE-Hemmer und AT1-Hemmer sind sehr gut erforscht und haben sich klinisch etabliert.

Mehr zum Thema lesen Sie im Magazin für Medizin und Gesundheit in Berlin "Tagesspiegel Gesund - Die besten Ärzte für Herz & Kreislauf".

Weitere Themen der Ausgabe: Sport. Welches Training tut ihrem Herz gut?; Stress kann krank machen - und trifft oft die Armen der Gesellschaft; Cholesterin. Über die guten und schlechten Seiten des Blutfetts; Navigator. Routenplaner zum gesunden Herzen; Bypass-OP. Eine Reportage aus dem Operationssaal; Herztransplantation. Das lange Warten auf den Spender; Lebensrettung. Wie ein Patient einen Herzanfall überlebte; Herzklappen, die man per Katheter durch die Adern schiebt; Herzkatheter. Ein Stent wird eingesetzt; Metabolisches Syndrom. Jugendliche lernen in der Adipositas-Ambulanz, nein zu sagen; Herzreha. Lernziel: Lebensstil radikal ändern; Telemedizin. Wenn der Arzt virtuell zum Hausbesuch kommt; Beininfarkt. Gefäßverschlüsse können gefährlich sein; Krampfadern. Erfolgreich therapieren; Thrombose. Ursachen und Behandlung; und außerdem in übersichtlichen Tabellen: Kliniken und Ärzte im Vergleich

Leonard Hillmann

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