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Die Streicher des Berliner Konzerthausorchesters während eines Konzertabends.

© Kai Bienert

Konzerthausorchester beim Musikfest Berlin: Vom Salon in den Krieg

Das Konzerthausorchester unter Leitung von Ilan Volkov wächst über sich hinaus, vor allem mit Benjamin Brittens Klavierkonzert op. 13 und seiner Sinfonia da Requiem.

Der Orchesterwettstreit des Musikfestes macht den hiesigen Klangkörpern gewaltig Feuer unterm Hintern. Frische Impulse von außerhalb verdeutlichen, dass die deutsche Hauptstadt nicht der Nabel der Welt ist. Und das ist auch gut so. Das Konzerthausorchester zumindest zeigt sich zu einer Brillanz angefeuert, zu einer glutvollen Prägnanz und federleichten Präzision, die das Maß gewohnter Qualität weit übersteigt. Der junge Ilan Volkov am Pult weiß sie immer aufs Neue expressiv zu steigern und zeigt sich mit eher unbekannter Literatur bestens vertraut.

Benjamin Brittens stilistisch vielfältiges Klavierkonzert op. 13, das 1938 zunehmend die Atmosphäre drohender Kriegsgefahr reflektiert, siedelt er punktgenau zwischen verspieltem Neoklassizismus, ironisch gefärbter Traditionsgeste und plötzlich ausbrechender Emotion an. Der schwierige, mit Oktavsprüngen und spritzigen Läufen gespickte Solopart ist bei Benjamin Grosvenor in besten Händen – äußerst feinnervig trifft der britische Pianist den schlüpfrigen Salonton des von Ravel inspirierten Waltz, trägt aber auch die großen melodischen Entwicklungen des Impromptu und die martialische Finalmotorik. Zu welcher Klangkunst dieser Zwanzigjährige fähig ist, der den Wunderkind-Kokon mittlerweile abgestreift hat, zeigt aber erst die Zugabe, ein traumverlorenes Prélude des Amerikaners Abram Chasins.

Brittens 1940 entstandene „Sinfonia da Requiem“ steht in klagenden Kantilenen und vom Verspielten ins Apokalyptische umschlagenden Rhythmen ganz nahe beim Komponistenfreund Schostakowitsch und berechtigt damit dazu, mit Janáceks „Taras Bulba“ einen glanzvollen, zur riesigen Apotheose gesteigerten Schlusspunkt zu setzen. Die „Jeux vénetiens“ von Witold Lutoslawski zu Beginn hingegen sind ein kleines Juwel zweckfreien Spiels, in dessen „gelenkter Aleatorik“ sich vor allem Bläser und Schlagzeuger virtuos profilieren können. Sie zeigen auch, dass die beiden Jubilare des Musikfests wirklich nur das Geburtsdatum gemeinsam haben.

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