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Der Patient soll der Mittelpunkt sein. Damit er wieder gesund werden kann, müssen ambulante Ärzte und Klinikmediziner gut zusammenarbeiten. Das wünschen sich auch die Krankenhäuser, denn wenn ihnen die niedergelassenen Ärzte vertrauen und Patienten überweisen, können sie ihre Kapazitäten besser auslasten. Foto: Muller/Hollandse Hoogte/laif

© Muller/Hollandse Hoogte/laif

Kongress "Die besten Chefärzte": Aufeinander verlassen

Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte müssen eng zusammenarbeiten. Was sie voneinander erwarten und wissen sollten.

Es geht um die Genesung. Und da wären eigentlich alle Beteiligten froh, wenn Krankenhäuser und ambulante Ärzte eng miteinander kooperieren: Der Patient möchte darauf vertrauen, dass sein Hausarzt ihm das objektiv beste Krankenhaus empfiehlt. Der Arzt möchte sicher sein, dass die Klinik seine überwiesenen Patienten bestmöglich behandelt und will in die Nachsorge eingebunden sein. Patientenvertreter wünschen sich, dass die Kranken lückenlos und sektorenübergreifend gut betreut werden – und die Kliniken möchten, dass ihnen die niedergelassenen Ärzte optimal vorbereitete Patienten überweisen und diese zur Nachsorge wieder übernehmen.

Dabei sind die Krankenhäuser auf die ambulanten Fachkollegen auch noch aus einem anderen Grund angewiesen. Sie brauchen deren „Zuarbeit“, sprich die von ihnen überwiesenen Patienten. Denn nur mit den Kranken, die zum Beispiel über die Notaufnahmen stationär aufgenommen werden, lassen sich die Betten nicht füllen.

Es überrascht also nicht, dass sich viele Krankenhäuser sehr um die ambulanten Praxen in ihrer näheren oder ferneren Nachbarschaft bemühen. Manche laden die Ärzte zu Fortbildungsveranstaltungen ins Haus, andere schicken die Chefärzte in die Praxen und stehen für telefonische Nachfragen der niedergelassenen Kollegen rund um die Uhr zur Verfügung. Sie bieten besondere Serviceleistungen, wie einen schnellen Arztbrief oder besondere Einweiserportale. Sie offerieren Kooperationen für die Vor- und Nachbehandlung, inklusive Bezahlung der Leistungen – oder kurz gesagt, sie betreiben ein Einweisermanagement. Bei diesem institutionalisierten Bemühen um Ärzte sehen Experten in den Kliniken aber noch einigen Nachholbedarf. Das gilt auch für die Berliner Krankenhäuser, wie eine exklusive Umfrage des Tagesspiegel zeigt (siehe weiter unten).

Auf der anderen Seite aber gibt es auch Grenzen, die das im vergangenen Jahr verabschiedete Antikorruptionsgesetz noch etwas enger definiert.

Laut einer 2013 von der Unternehmensberatung Roland Berger veröffentlichten Studie betreiben mehr als zwei Drittel der deutschen Krankenhäuser ein Einweisermanagement. Doch nur die wenigsten Kliniken organisieren die Betreuung der niedergelassenen Ärzte zentral, heißt es in der Studie. Diese Aktivitäten überließen die Klinikleitungen in hohem Maße den einzelnen Fachabteilungen und damit dem jeweiligen Chefarzt.

Dabei seien die einweisenden Ärzte für den ökonomischen Erfolg einer Klinik enorm wichtig. „Gerade bei selektiven Eingriffen und Behandlungen haben sie einen großen Einfluss darauf, für welches Krankenhaus ihre Patienten sich entscheiden“, betonen die Verfasser der Studie.

In Berlin ergibt sich 2017 ein ähnliches Bild wie auf Bundesebene. Auch die Krankenhäuser der Hauptstadt sehen zu allererst die Chefärzte in der Pflicht, einen intensiven Kontakt zu den einweisenden Ärzten zu halten. Ein nachvollziehbarer Ansatz, denn ein Chefarzt kann auf ein Netzwerk von Einweisern zurückgreifen.

Die Praxisinhaber werden also von den Kliniken heftig umworben. Und angesichts des scharfen ökonomischen Wettbewerbs ist die Versuchung für manche Krankenhäuser groß, sich auch vertraglich – inklusive finanzieller Anreize – mit niedergelassenen Ärzten darauf zu einigen, dass diese ihnen regelmäßig Patienten zuweisen. Der Berliner Ärztekammerpräsident Günther Jonitz spricht von „mancher Stilblüte“, die der politisch gewollte Wettbewerb treibe (siehe das Interview mit dem Ärztekammerpräsidenten Günther Jonitz).

Doch es gibt Grenzen für die Stilblüten. Die Bundesärztekammer hat vor dem Hintergrund des Antikorruptionsgesetzes einen Leitfaden für Kooperationen im Gesundheitswesen veröffentlicht. Eine Überweisung von Patienten gegen Bezahlung zum Beispiel sei unzulässig. Eine Kooperation für die vor- und nachstationäre Behandlung durch den niedergelassenen Arzt inklusive einer den Leistungen angemessenen Vergütung sei dagegen zulässig. Der Vertragsarzt sei dann aber verpflichtet, „den Patienten darüber aufzuklären, dass er einen Kooperationsvertrag mit dem Krankenhaus abgeschlossen hat“. Und er müsse dem Patienten die Möglichkeit geben, auch ein anderes Krankenhaus zu wählen. Und so schließt sich der Kreis: Der Patient muss der Klinikempfehlung seines Arztes vertrauen können.

Der Patient soll der Mittelpunkt sein. Damit er wieder gesund werden kann, müssen ambulante Ärzte und Klinikmediziner gut zusammenarbeiten. Das wünschen sich auch die Krankenhäuser, denn wenn ihnen die niedergelassenen Ärzte vertrauen und Patienten überweisen, können sie ihre Kapazitäten besser auslasten.

UMFRAGE UNTER BERLINER KLINIKEN ZUM EINWEISERMANAGEMENT

Die Chefärzte sollen zuweisende Ärzte an das Krankenhaus binden

Insgesamt wurden 51 Berliner Krankenhäuser um Angaben zu ihrem Einweisermanagement gebeten. 36 Kliniken haben sich an der Umfrage des Tagesspiegel beteiligt. Weitere 15 Kliniken haben keine Angaben gemacht.

Wettbewerb: 39 Prozent der befragten Kliniken geben an, mehr niedergelassene Ärzte überzeugen zu wollen, die Patienten in das eigene Krankenhaus zu überweisen - wollen also ihre Fallzahlen steigern. Ein Drittel sagt dagegen, man sei mit der jetzigen Anzahl an überweisenden Ärzten und der Auslastung zufrieden.

Über ein zentrales Einweisermanagement verfügen nur 17 Prozent der Kliniken. Die meisten Häuser sehen die Verantwortung dafür dezentral bei den jeweiligen Chefärzten. Die Klinikleitungen setzen also vor allem auf gute persönliche Beziehungen der Chefärzte zu den niedergelassenen Ärzten.

Zu persönlichen Besuchen bei den überweisenden Ärzten verpflichtet jedoch nur eine der teilnehmenden Kliniken ihre Chefärzte. Die meisten Krankenhäuser (69 Prozent) schreiben solche „Chefarzt-Visiten“ bei den Haus- und Fachärzten nicht vor. Aber einige dieser Kliniken vertrauen darauf, dass die Chefärzte das aus Eigeninteresse freiwillig tun.

Nach der Zufriedenheit der überweisenden Ärzte fragen nur 28 Prozent der Kliniken regelmäßig. Weitere 25 Prozent geben an, das zumindest einmalig oder für einzelne Bereiche zu tun. Weitere 19 Prozent verzichten ganz darauf. Und selbst unter denjenigen Kliniken, die sagen, sie wollten mehr Einweiser von sich begeistern, verzichten 40 Prozent auf solche Befragungen, zum Teil, weil die Beteiligung der Ärzte an früheren Befragungen zu gering gewesen sei oder aber weil man die Meinung der Ärzte bei den normalen Kontakten mit den Chefärzten mitbekomme. Eine systematische Erfassung der aus Arztsicht wünschenswerten Verbesserungen in der Zusammenarbeit sei allerdings nicht möglich, sagen Experten. Systematische Befragungen seien dazu sehr viel besser geeignet.

Gute Serviceleistungen sind neben der Behandlungsqualität wichtig für die überweisenden Ärzte. Dazu zählt zum Beispiel, nach der Entlassung des überwiesenen Patienten schnell den Arztbrief mit der Art und den Ergebnissen der Behandlung und ambulanten Therapieempfehlungen zu erhalten. Zwei Drittel der Kliniken versprechen, dass der Arztbrief in den allermeisten Fällen bereits am Entlassungstag vorliege.

Ein elektronisches Einweiserportal, über das überweisende Ärzte einen Behandlungstermin für ihren Patienten vereinbaren können, freie Bettenkapazitäten prüfen oder sich über die Therapie ihres Patienten informieren können, bieten nur 14 Prozent der Kliniken an. Andere würden das gerne auch tun, haben aber zum Beispiel datenschutzrechtliche Bedenken oder meinen, das Angebot würde sowieso nicht genutzt. Acht Prozent entwickeln derzeit ein solches Portal. 53 Prozent der Kliniken geben an, dass die leitenden Ärzte für einweisende Ärzte per Telefon tagsüber gut erreichbar seien. Drei Kliniken bieten eine rund um die Uhr besetzte Einweiserhotline an. Weitere 17 Prozent sichern eine gute Erreichbarkeit zumindest teilweise zu.

Eindrücke vom Tagesspiegel-Kongress "Die besten Chefärzte" gibt es hier:

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