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Geballter Humor. Andreas Nicolai, Leiter des Cartoonmuseums, mit Klaus Stuttmann (links).

© Lars von Törne

Pointen hinter Gittern: Cartoonverein will Karikaturenmuseum in Berlin

Die Betreiber des Cartoonmuseums Luckau suchen eine neue Heimat in der Hauptstadt - mit Unterstützung von Tagesspiegel-Karikaturist Klaus Stuttmann.

Für ein Zentrum des Humors ist der Eingangsbereich überraschend düster. „Willkommen im Hochsicherheitstrakt für Humor und Satire“, ruft Andreas Nicolai seinen Gästen entgegen. Der Chef des Cartoonmuseums Brandenburg steht in der spärlich beleuchteten Haupthalle eines Gebäudes, dessen Geschichte alles andere als lustig ist.

„250 Jahre lang war das hier ein Knast“, sagt der 60-Jährige und zeigt nach oben. Über ihm hängt ein Stahlnetz, auf dicken Balken liegen hölzerne Bohlen, die auf drei Stockwerken wie Brücken zu dicken Stahltüren führen – der einstige Zellentrakt. „Hier nebenan standen bis zur Wende die Baracken für die Gefangenenarbeit“, erzählt Nicolai und zeigt aus einem der vergitterten Fenster auf die Freifläche neben dem roten Backsteingebäude. „Feilen für den Sozialismus.“

Erst 2005 wurden die letzten Zellen geräumt, in dem Jahr wurde ein neues Gefängnis außerhalb Luckaus eröffnet. Das denkmalgeschützte Gebäudeensemble im Zentrum der Luckauer Altstadt wurde zu einem Ort der Erinnerung, der Kultur – und des gezeichneten Witzes. Einige Exemplare können die Besucher gleich in der dunklen Eingangshalle begutachten, sie hängen an Eisengittern vor den alten Gefängniszellen.

Derzeit sind hier Cartoons des aus Berlin stammenden Zeichners Peter Butschkow zu sehen, dessen Bücher mit humoristischen Kommentaren zu menschlichen Beziehungen und anderen Alltagsthemen Bestseller des Genres sind. Alle vier Monate gibt es hier eine neue Ausstellung.

2021 muss das Museum Luckau wieder verlassen

Seit 2011 befindet sich das Cartoonmuseum im Erdgeschoss des einstigen Gefängnisses, erzählt Andreas Nicolai. Betrieben wird es vom in Königs Wusterhausen sitzenden Verein Cartoonlobby, der sich seit gut zehn Jahren für die Interessen von Karikaturisten und Cartoonisten einsetzt, die komische Zeichenkunst fördert, ein kontinuierlich wachsendes Archiv mit Originalzeichnungen aus den Nachlässen von Künstlern pflegt und sich für einen dauerhaften Ort stark- macht, an dem diese gesammelt, ausgestellt und in Veranstaltungen präsentiert und diskutiert werden.

Aktuell ist im Cartoonmuseum eine Ausstellung von Peter Butschkow zu sehen, hier ein Bild aus dem Band „Butschkow Cartoons – eine zeichnerische Biografie“ (Selbstverlag, 18 Euro, www.butschkow.de). Fotos: Lars von Törne
Aktuell ist im Cartoonmuseum eine Ausstellung von Peter Butschkow zu sehen, hier ein Bild aus dem Band „Butschkow Cartoons – eine zeichnerische Biografie“ (Selbstverlag, 18 Euro, www.butschkow.de). Fotos: Lars von Törne

© Illustration: Butschkow

Luckau ist da nur eine Zwischenstation. „Wir sind Untermieter des Landkreises, der hier sein Archiv hat – und Anfang 2021 müssen wir wieder ausziehen“, erzählt Nicolai seinen Besuchern, während man in einer Sitzecke im rund 150 Quadratmeter großen Ausstellungsraum Platz nimmt, der im Gegensatz zum Eingangsbereich hell und freundlich wirkt. Außer dem Tagesspiegel-Redakteur ist auch Klaus Stuttmann mitgekommen, für den dieser Ort eine besondere Bedeutung hat.

Der vielfach ausgezeichnete politische Karikaturist, der seit rund 20 Jahren auch für den Tagesspiegel zeichnet, ist Mitglied der Cartoonlobby und trommelt zusammen mit Nicolai für ein ehrgeiziges Vereinsziel: „Berlin als politische Hauptstadt braucht auch einen ständigen Ort für die politische Karikatur“, sagt der Zeichner, der kürzlich seinen 70. Geburtstag begangen hat. „Hier gibt es einen unheimlich guten Grundstock, auf dem man in Berlin aufbauen könnte.“

10.000 Publikationen und 40.000 Originalzeichnungen

Stuttmanns Traum, und auch der von Andreas Nicolai und ihren Mitstreitern von der Cartoonlobby: Ein Museum im Zentrum Berlins, an dem regelmäßig Ausstellungen gezeigt werden, Diskussionsveranstaltungen zu aktuellen Themen stattfinden und nebenbei genug Platz ist, um die inzwischen auf rund 10.000 Publikationen zur komischen Kunst und 40.000 Originalzeichnungen gewachsene Sammlung der Cartoonlobby unterzubringen und ständig zu erweitern.

Der Austausch mit dem Publikum ist für Andreas Nicolai ein besonders wichtiger Grund, um sein Museum nach Berlin verlegen zu wollen. Denn in Luckau habe man gelernt, dass zwar zu Ausstellungseröffnungen wie der von Peter Butschkow viele Leute anreisen. Unter der Woche ist es aber in dem Ausstellungsraum, in dem Dutzende bunte Zeichnungen an den Wänden hängen, oft menschenleer. „Es ist eine schöne Schlafstadt“, sagt Nicolai über Luckau, das mit seinen frisch saniert wirkenden Pastell-Fassaden und einigen prägnanten historischen Gebäuden zwar optisch einiges hermacht, aber tatsächlich wenig belebt wirkt.

In Berlin hingegen, so wissen die beiden von Veranstaltungen, bei denen es um Karikaturen ging, sei das Interesse sehr groß. „Wir brauchen ein nachhaltiges Forum, um an aktuellen Debatten teilnehmen zu können, so wie es sie kürzlich über die umstrittene Ehrung für die Emma-Karikaturistin Franziska Becker oder zuvor um Charlie Hebdo gegeben hat“, sagt Andreas Nicolai. Zudem wäre man näher an den Mitgliedern dran und könnte Veranstaltungen mit denen zusammen organisieren: Etwa die Hälfte der rund 100 in der Cartoonlobby organisierten Zeichner lebe in Berlin.

„Berlin ist das Zentrum der politischen Karikatur“

„Wir suchen Räume, die zu den Betriebskosten nutzbar sind“, sagt Nicolai. So sei die Regelung auch mit dem Landkreis in Luckau. Denn über viel Geld verfüge die Cartoonlobby nicht. Auch seine Arbeit als Museumsdirektor sei ehrenamtlich. Sein Geld verdient er sich als selbstständiger Ausstellungsmacher für Veranstaltungen wie den Deutschen Karikaturenpreis in Dresden.

Gut gesichert. Das Museum befindet sich in einem ehemaligen Gefängnis.
Gut gesichert. Das Museum befindet sich in einem ehemaligen Gefängnis.

© Lars von Törne

Bislang hatten Nicolai, Stuttmann und Co. mit ihrer Suche nach einem neuen Ort keinen Erfolg. Sie haben bei einer Anhörung im Kulturausschuss für ihr Anliegen geworben, sind mit der Senatskulturverwaltung im Gespräch, aber noch habe sich nichts Greifbares ergeben. „Im Februar 2021 müssen wir hier raus“, sagt Andreas Nicolai. „Wir sind schon etwas nervös.“

Für Klaus Stuttmann ist die Idee eines Museums für komische Künste in der Hauptstadt eigentlich eine Selbstverständlichkeit: „Berlin ist seit dem 19. Jahrhundert das Zentrum der politischen Karikatur“, sagt er. „Es gibt hier so viele Museen zu allen möglichen Themen – da sollte sich auch ein Ort für Karikaturen und Cartoons finden lassen.“

Cartoonmuseum Brandenburg, Nonnengasse 3, 15926 Luckau, geöffnet Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag 13-17 Uhr, Eintritt 2/erm. 1 Euro (Kinder gratis), mehr unter www.cartoonmuseum.de. Und mehr von Klaus Stuttmann gibt es hier: www.stuttmann-karikaturen.de.

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