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Berlin wird älter - immer mehr Menschen brauchen Pflege.

© Patrick Pleul/dpa

Klinikalltag: Gute Pflege - was ist das?

Wie kann man die Qualität der Betreuung in der Klinik messen? Einer der wichtigsten Indikatoren ist die Anzahl von neuen Druckgeschwüren.

Messen lässt sich fast alles im Krankenhaus: Will man die Qualität der medizinischen Behandlung beurteilen, bieten sich Indikatoren wie Todesfälle, missglückte Operationen oder Komplikationen an. Will man etwas über die Güte der Hygienevorsorge erfahren, sind Messwerte zu Anzahl von Infektionen im Krankenhaus, Antibiotikaeinsatz oder Verbrauch von Desinfektionsmitteln nötig. Doch wie kann objektiv gemessen werden, ob die meist bettlägerigen Patienten gut gepflegt werden - jenseits von subjektiven Orientierungspunkten wie Freundlichkeit der Schwestern und Pfleger? Dafür steht bis dato eigentlich nur ein Hinweis zur Verfügung: Erlitt der Patient in der Klinik ein Druckgeschwür? Denn diese schmerzhaften und gefährlichen Hautschäden, die entstehen, weil bei bewegungseingeschränkten Menschen eine Körperregion zu lange belastet und deshalb nur unzureichend durchblutet wird, lassen sich durch professionelle Pflege eigentlich vermeiden. Deshalb sagen Experten, dass dieser Parameter etwas aussagt über die generelle Qualität der pflegerischen Versorgung in der Klinik, unabhängig von der konkreten Behandlung, wegen der sich der Patient auf Station befand.

Was versteht man unter Dekubitus?

Ein Druckgeschwür oder Dekubitus entsteht dann, wenn eine Körperstelle über einen zu langen Zeitraum belastet wird (siehe Seite 60). Besonders gefährdete Körperpartien sind diejenigen, an denen die oberen Hautschichten ohne polsterndes Gewebe darunter direkt auf den Knochen liegen: Ferse, Ellenbogen, Steißbein, Schulterblatt. Liegt ein bettlägeriger Patient zu lange auf der gleichen Stelle, wird die Haut nicht ausreichend durchblutet und stirbt langsam ab. Bei alten Menschen mit schlechtem Allgemeinzustand, die darüber hinaus stark abgemagert sind, drücken die Knochen auch von innen gegen die gefährdeten Körperstellen. Neben hohem Alter führen auch körperliche Unbeweglichkeit und Zuckerkrankheit zu den gefährlichen Hautverletzungen.

Wie kann man vorbeugen?

Mobilität ist die beste Dekubitusprophylaxe, sagen Experten. Doch nicht immer ist es den Patienten möglich, sich selbstständig zu bewegen. Bei Bettlägerigen hilft nur, dass sie regelmäßig umgelagert werden und geprüft wird, ob sich ein Dekubitus etwa durch eine auffällige Hautrötung ankündigt. Dafür ist das Pflegepersonal zuständig. Nicht umsonst werden häufig Pflegemängel für die Druckgeschwüre verantwortlich gemacht. Deshalb gibt es in Krankenhäusern, in denen besonders viele gefährdete Patienten versorgt werden, oft spezielle Dekubitusbeauftragte, die durch Inspektionen und Personalschulungen dem Wundliegen vorbeugen sollen. Die Patienten werden in verschiedene Risikogruppen eingestuft. Grundlage für die Bewertung ist die sogenannte „Waterlow-Skala“. Risikofaktoren wie Rauchen, Herzinsuffizienz, beschränkte Mobilität oder Antibiotikaeinnahme werden in einem Punktesystem erfasst. Der Dekubitusbeauftragte besucht die Risikopatienten auf den Stationen, um sich von den durchgeführten Präventionsmaßnahmen selbst ein Bild zu machen. Denn: Je häufiger die Rückspiegelung der Überprüfungsergebnisse, desto geringer die Zahl der Dekubitusfälle.

Was bedeutet Kinästhetik?

Dieses besondere Fachgebiet beschäftigt sich mit der Bewegung im Alltag und spielt in der Dekubitusprophylaxe eine immer bedeutendere Rolle. Dabei geht es darum, immobile Patienten so zu lagern, dass es ihren natürlichen Bewegungen entspricht. Sie werden nicht mehr nur hin- und hergerollt oder -gezogen, sondern so gelagert, wie es Schlafende normalerweise tun. Oder das Pflegepersonal simuliert den Stand eines Patienten, indem es an bestimmten Stellen des Beines oder Fußes Druck ausübt, um den Muskeltonus zu stärken, den Stoffwechsel anzuregen und damit dazu beizutragen, dass der Patient wieder schneller mobil wird.

Wie wird die Pflegequalität so gemessen, dass die Ergebnisse vergleichbar sind?

Um Kliniken, die Patienten mit unterschiedlicher Gefährdung versorgen, vergleichen zu können, wird ein mathematisches Modell genutzt: Anhand der Risikofaktoren der behandelten Patienten wird errechnet, wie viele von ihnen ein Druckgeschwür erleiden könnten. Dieses wird ins Verhältnis gesetzt zur tatsächlich aufgetretenen, also beobachteten Quote von erkrankten Patienten. Somit können also auch die Krankenhäuser fair miteinander verglichen werden, die leichtere oder schwerere Krankheitsfälle behandelt haben. Die Zahl 1,00 bedeutet, es sind so viele Druckgeschwüre aufgetreten, wie aufgrund der Risikostruktur der behandelten Patienten zu erwarten gewesen wäre. Ist die Anzahl der beobachteten Fälle höher als erwartet, ist die Kennzahl größer als 1,00 und damit ein weniger gutes Ergebnis. Ist sie aber geringer als erwartet, ist die Kennzahl kleiner als 1,00 und damit ein Hinweis darauf, dass die Pflegekräfte durch gute Pflege und frühzeitiges Gegensteuern die Quote senken konnten. Diese Kennziffern haben wir in der Vergleichstabelle zur Pflegequalität auf Seite 18 tabellarisch dargestellt. Allerdings finden selbst die Fachleute des Institutes, das im Auftrag der Selbstverwaltung aus Krankenhäusern, Ärzten und Kassen die Qualität in den Deutschen Kliniken misst, dass die Quote von auf Station erlittenen Druckgeschwüren auch im Jahr 2014 noch generell zu hoch gewesen sei. In diesem Jahr erlitten gut 75 000 Patienten in deutschen Krankenhäusern ein Dekubitus der Stufe 2 oder höher - das entspricht einer Quote von 0,4 Prozent aller stationär behandelten Patienten über 20 Jahre. Das ist tatsächlich ein verbesserungswürdiges Ergebnis, wenn man berücksichtigt, dass eigentlich vor allem über 75-Jährige als gefährdet gelten. Grund für die hohe Zahl mag sein, dass dieses Institut selbst eine mehr als doppelt so hohe Dekubitusquote als erwartet - bis zu einer Kennzahl von 2,22 - noch als gute Qualität akzeptiert.

Krankheiten und Behandlungen

Die Redaktion des Magazins "Tagesspiegel Kliniken Berlin 2016" hat die Berliner Kliniken verglichen. Dazu wurden die Behandlungszahlen, die Krankenhausempfehlungen der ambulanten Ärzte und die Patientenzufriedenheit in übersichtlichen Tabellen zusammengestellt, um den Patienten die Klinikwahl zu erleichtern. Das Magazin kostet 12,80 Euro und ist erhältlich im Tagesspiegel Shop.

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