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Keine halben Sachen: Schließen, alles! Lebensmittel, Medikamente und Toilettenpapier werden geliefert.

© imago images/Jan Huebner

Keine Schulen, kein ÖPNV, kein gar nix!: Warum wir den Lockdown extrahart brauchen

Es gibt einen Weg, unsere Welt zu retten. Frei nach Bruce Willis: keine Gaststätten, keine Einkaufsgänge, keine Ausnahmen. Schluss mit halbherzig. Eine Kolumne.

Lockdown eins, Lockdown zwei, Lockdown hart, Lockdown light, Lockdown Zero mit noch weniger Kalorien bei vollem Geschmack, Lockdown 2: Jetzt wird geheiratet, Lockdown 3: Das Impfperium schlägt zurück ... ich habe komplett den Überblick verloren. Das Wenige, was ich weiß, ist: Karstadt und Kneipen sind noch oder schon wieder geschlossen. Die einzigen Gründe für mich, vor die Tür zu gehen, existieren also derzeit nicht.

Wahrscheinlich bin ich nicht der Einzige, dem es so geht. Viele blicken nicht mehr ganz durch, und noch schlimmer: Es bringt alles auch nicht so richtig was. Ich fürchte, es wird Zeit für meine Variante eines Lockdowns. Eine Variante, die Karl Lauterbach wie einen liberalen Tunichtgut aus der „Welt“-Chefredaktion wirken lässt. Es ist der Lockdown extrahart, der unter führenden Virologen aus Harvard auch als „Wittkamp Lockdown“ diskutiert wird.

Was wir machen, gleicht einer Schummeldiät: Den ganzen Tag nichts essen und abends - Ausnahme! - losnaschen.
Was wir machen, gleicht einer Schummeldiät: Den ganzen Tag nichts essen und abends - Ausnahme! - losnaschen.

© imago stock&people

Denn das, was wir gerade machen, gleicht doch eher einer dieser Schummeldiäten. Man isst den ganzen Tag nichts oder nur sehr wenig und gönnt sich abends ausnahmsweise und zur Belohnung zwei Bierchen, ein bis vier Gläschen Rotwein und ein Tütchen Haribo – wobei man die Gummibären nur ganz vorsichtig und langsam verzehrt. Die Kalorien merken sicher, dass sie nicht verschlungen, sondern sehr behutsam aufgenommen werden, und schlagen nur zur Hälfte an. Davon will die Waage am nächsten Morgen jedoch nichts wissen, sondern quittiert unbeeindruckt, dass sich im Grunde überhaupt nichts verändert hat – außer halt 200 Gramm mehr auf den Rippen.

Keine Kitas, keine Schulen, kein ÖPNV

Genauso kommen mir die oben aufgezählten „Maßnahmen“ vor. Eine Menge Einschränkungen, aber dann doch so viele Ausnahmen, dass „die Zahlen“ hoch bleiben. Gleichzeitig mutiert der kleine Drecksack Corona auch noch.

Daher nun also Wittkamp Lockdown. Doch was bedeutet das?

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Ganz einfach: Wir erlauben in Berlin für vier Wochen lang überhaupt nichts mehr! Keine Kitas, keine Schulen, keine Gaststätten, keine BVG, keine Autofahrten, keine Ausnahmen, kein gar nichts mehr. Auch keine Arbeit. Maximal Homeoffice. Allein so etwas wie Müllabfuhr, Feuerwehr und Polizei wird es noch geben. Die beiden Letztgenannten aber auch nur in halber Mannschaftsstärke. Denn wenn niemand rausgeht, geschehen auch kaum Verbrechen, und wenn es brennt, merken das die Leute schon, weil sie ohnehin zu Hause sind.

Tagesspiegel-Kolumnist Peter Wittkamp.
Tagesspiegel-Kolumnist Peter Wittkamp.

© Peter von Felbert

Lebensmittel, Medikamente und natürlich Toilettenpapier werden von den verbleibenden Polizisten an die Tür geliefert. Jeder Haushalt bekommt pro Tag eine Tüte Reis, eine Tüte Bohnen, eine halbe Tafel Schokolade und zwei Bier. Im Krieg hatten wir weniger. Außerdem sind ja wohl noch genug Nudeln vorrätig. Zusätzlich sendet Kurt Krömer im RBB zur Aufheiterung des Volkes 24 Stunden nonstop.

Da es rechtlich heikel ist, wird es nicht verboten werden, vor die Tür zu gehen – aber es wird ein Anreizsystem geben, das dazu ermutigt, zu Hause zu bleiben. Die Anreize lauten zum Beispiel: Wer vor die Tür geht, muss nächstes Jahr doppelte Steuern zahlen.

Wenn Aliens auf der Erde landeten und wir uns in den Wohnungen verschanzen müssten würde doch auch niemand nach „der Wirtschaft“ fragen.
Wenn Aliens auf der Erde landeten und wir uns in den Wohnungen verschanzen müssten würde doch auch niemand nach „der Wirtschaft“ fragen.

© ktsdesign - stock.adobe.com

Aber was ist mit der Wirtschaft, fragen Sie und Christian Lindner jetzt? Kleine Gegenfrage: Wenn Aliens auf der Erde landen und wir uns erst mal sicherheitshalber drei, vier Wochen in den Wohnungen verschanzen, weil die riesigen Zähne in den sieben Meter großen Köpfen der Besucher ein Indiz für eine mögliche Gefahr sein könnten, würde dann auch noch jemand nach „der Wirtschaft“ fragen? Sicher nicht. Und so abwegig ist der Vergleich gar nicht, wenn man sich Corona einfach mal als Mini-Aliens innerhalb unserer Körper vorstellt.

Bruce Willis würde sagen: Jetzt erst recht!

Außerdem ist doch das Versprechen der Industrialisierung immer gewesen, dass wir in Zukunft viel weniger arbeiten müssen. Und jetzt soll alles zusammenbrechen, nur weil die Werbeagenturen, Autohäuser und Bowlingbahnen noch mal vier Wochen Pause machen? Ich glaube nicht!

Wenn wir uns jetzt zusammenreißen, werden wir im Frühling Aperol spritzend durch die Straßen tanzen.
Wenn wir uns jetzt zusammenreißen, werden wir im Frühling Aperol spritzend durch die Straßen tanzen.

© Foto: stock.adobe.com

Daher der Lockdown extrahart. Oder wie Bruce Willis sagen würde: Jetzt erst recht! Doch nach diesen vier Wochen wird hier alles garantiert coronafrei sein, weil sich einfach niemand mehr anstecken konnte. Wir werden unbeschwert den Frühling genießen, Aperol spritzend durch die Straßen tanzen und das Wittkamp-Modell wird landesweit für Furore sorgen. Doch natürlich müssen wir uns im dann virusfreien Berlin vom kontaminierten Restdeutschland und Gefahrenbundesländern wie Sachsen, Bayern und NRW abgrenzen, bis alle anderen geimpft sind. Ich schlage eine Mauer um die ganze Stadt vor.

Peter Wittkamp ist Werbetexter und Gagschreiber. Er ist derzeit Hauptautor der „Heute Show Online“ und hat die preisgekrönte Kampagne #weilwirdichlieben der Berliner Verkehrsbetriebe mit aufgebaut. Ab und an schreibt er ein Buch, publiziert bei Instagram als Peter_Wittkamp oder twittert unter dem leicht größenwahnsinnigen Namen @diktator. Peter Wittkamp lebt mit Frau und Kind in Neukölln. Im Tagesspiegel beleuchtet er alle 14 Tage ein Berliner Phänomen.

Peter Wittkamp

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