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Robert Cibis in der Ovalmedia-Sendung Narrative#25.

© Youtube

Kampagne gegen Tagesspiegel: Die Verschwörungsmärchen, die Ovalmedia verbreitet

Die Berliner Filmfirma Ovalmedia, die auch für Arte und 3Sat produziert, steht in der Kritik. Hier dokumentieren wir, warum die Vorwürfe berechtigt sind.

Am 5. März berichtete der Tagesspiegel über die Aktivitäten der Berliner Filmfirma Ovalmedia. Seitdem wird in der Szene der Coronaverharmloser und Impfgegner dazu mobilisiert, gegen den Artikel vorzugehen. Angeblich sei dieser "üble Verleumdung".

Es heißt auch, der Tagesspiegel stecke mit Geheimdiensten unter einer Decke. Oder habe, je nach Theorie, eine konzertierte Aktion mit Wikipedia unter dem Dach einer sogenannten "Transatlantifa" durchgeführt.

Robert Cibis, der Geschäftsführer von Ovalmedia, ist nun in mehreren Sendungen szenebekannter Verschwörungsideologen aufgetreten - und beschwerte sich dort über einen "diffamatorischen Artikel", ja "hinterrücks organisierten Angriff" des Tagesspiegels. 

Die meiste Kritik konzentriert sich auf einen einzigen Satz im Artikel. Dieser lautet: "Kurz darauf ging Ovalmedia eine Kooperation mit einem Aktivisten ein, der auch als Kameramann des rechtsextremen „Volkslehrers“ fungierte." 

Ovalmedia selbst spricht von Kooperation

Verschwörungsideologen behaupten, dieser Satz sei gleich in mehrfacher Hinsicht gelogen. Spoiler: Ist er nicht. Bei dem Aktivisten handelt es sich um einen Mann, der im Internet unter dem Namen "Zorro Kenji" auftritt.

Der von Ovalmedia beauftragte Anwalt behauptet nun, es habe niemals eine Kooperation zwischen Ovalmedia und Zorro Kenji gegeben. Um zu erkennen, dass dies nicht stimmt, braucht es nur einen Blick auf die Facebookseite von Ovalmedia. Dort spricht die Firma selbst wortwörtlich von einer Kooperation mit Zorro Kenji.

Bestritten wurde zunächst auch, dass Zorro Kenji jemals als Kameramann des rechtsextremen "Volkslehrers" fungiert habe. Auf Youtube behaupten empörte Verschwörungsgläubige etwa, Zorro Kenji habe lediglich kurz "das Gerät" des eigentlichen Kameramanns gehalten.

Dies sei im Grunde wie im Urlaub, wenn man von Fremden angesprochen und gefragt werde, ob man bitte ein Foto von ihnen machen könne. Zitat: "Das würde doch jedem passieren." Der Tagesspiegel habe diesen Sachverhalt schlecht recherchiert.

Nur "widerwillig" als Kameramann tätig?

Ein anderer prominenter Aktivist ist sich sicher, Zorro Kenji habe gar nicht die Kamera, sondern lediglich ganz kurz die Tasche des Kameramanns gehalten.

Dass auch diese Behauptungen unwahr sind, belegen etliche Aufnahmen im Netz, zum Beispiel diese hier: 

Zorro Kenji als Kameramann des Volkslehrers
Zorro Kenji als Kameramann des Volkslehrers

© Paul Hanewacker

Inzwischen hat die Szene Abstand vom Märchen der kurz gehaltenen Kamera oder Kameratasche genommen. Es wird allgemein eingeräumt, dass Zorro Kenji tatsächlich als Kameramann fungiert hat.

Der Anwalt von Ovalmedia behauptet nun allerdings, Zorro habe die Kamera des Rechtsextremisten nur “widerwillig” gehalten.

Die Erklärung, jemand sei nur “widerwillig” als Kameramann des "Volkslehrers" tätig gewesen, ist einerseits originell. Andererseits passt es nicht zu der Version, die Zorro Kenji selbst verbreitet. In einem aktuellen Youtube-Interview sagt er, das Ganze sei “total okay” gewesen, er habe dem "Volkslehrer" eben einen Gefallen getan.

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Zorro Kenji gibt auch zu, dass er genau wusste, wem er da half und dass der "Volkslehrer" rechtsextrem ist. Er hatte ihn schließlich zuvor bereits in seiner eigenen Youtube-Show zu Gast. Am Tag des Drehs besuchten die beiden gemeinsam Attila Hildmann vor dessen Restaurant.

Im selben Interview verrät Kenji, wie er Attila Hildmann ein anderers Mal seinen selbstgezeichneten Comic überreichen ließ - in der Hoffnung, Hildmann werde diesen in seinem Telegram-Kanal bewerben. Das Werk, sagt Kenji, könne man auch beim rechtsesoterischen Kopp-Verlag bestellen. Er selbst sei zudem mit dem Querdenken-Aktivisten Ralf Ludwig befreundet (Ausführliche Informationen über die Person Zorro Kenji finden sich hier.)

Hetze auf Telegram

Auch die Beschreibung des Telegram-Chats von Ovalmedia stieß in Verschwörungskreisen auf Kritik. Der Tagesspiegel hatte geschrieben, dort werde etwa behauptet, die Regierung plane einen „Massengenozid“ beziehungsweise „Völkermord mit Ansage“, dazu gebe es von Teilnehmern auch judenfeindliche Posts.

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Verschwörungsideologen behaupten nun, derartige Inhalte seien in dem Chat gar nicht verbreitet worden, der Tagesspiegel habe sich alles ausgedacht.  Auch das ist falsch. Hier eine kleine Auswahl:

Screenshots aus dem Telegram-Chat von Ovalmedia.
Screenshots aus dem Telegram-Chat von Ovalmedia.

© s:Telegram

Erst nach Erscheinen des Tagesspiegel-Berichts hat Ovalmedia die fraglichen Beiträge gelöscht, den Chatmitgliedern zunächst das Schreibrecht entzogen.

Der Abend im Scotch & Sofa

Völlig falsch dargestellt findet Robert Cibis auch die Berichterstattung des Tagesspiegels über die illegale Veranstaltung in der Bar Scotch & Sofa, die Mitte Januar von der Polizei aufgelöst wurde. Laut Polizei hatten die Teilnehmer, mitten im Shutdown, überwiegend weder Mund-Nasen-Bedeckung getragen noch die erforderlichen Mindestabstände eingehalten  (hier nachzulesen).

Robert Cibis, der persönlich anwesend war, sieht es ganz anders. Er behauptet: “Mein Eindruck war, dass die Hygieneregeln berücksichtigt wurden, dass nur die Haushalte zusammenstanden... und dass, wenn das nicht der Fall war, auch Masken getragen wurden”.

Zum Glück hat Ovalmedia die Veranstaltung live im Internet übertragen, das Video ist immer noch abrufbar:

Ovalmedia-Stream aus dem Scotch&Sofa.
Ovalmedia-Stream aus dem Scotch&Sofa.

© Youtube

Aber vielleicht war Robert Cibis gerade in diesem Moment kurz vor der Tür. Zur Sicherheit noch eine zweite Stichprobe:

Ovalmedia-Stream aus dem Scotch&Sofa.
Ovalmedia-Stream aus dem Scotch&Sofa.

© Youtube

Einige Anhänger von Ovalmedia glauben zudem, bei den im Artikel zitierten Aussagen aus Ovalmedia-Sendungen handle es sich lediglich um Erfindungen des Tagesspiegels. Im Artikel seien schließlich keine Fußnoten mit den konkreten Fundstellen zu finden gewesen. Deshalb an dieser Stelle eine Auflistung:

  • Die Behauptung, die Maßnahmen der Regierung seien ein „größeres Verbrechen als alles, was wir bisher gesehen haben” , findet sich in der Sendung Narrative#25 ab Minute 18.
  • Die Behauptung, Ungeimpfte würden bald in “QZs” inhaftiert, findet sich  in  Narrative#34 ab Stunde 1:13:30.
  • Die Behauptung, der Corona-Impfstoff sei wahrscheinlich "irgendein Teufelszeug“, vor dem man die Menschen warnen müsse, findet sich in  Narrative#25 ab Stunde 1:21.
  • Die Behauptung, die Corona-Pandemie sei geplant und menschengemacht, und zwar “das Böseste, das jemals in dieser Welt geplant und umgesetzt wurde”, findet sich in Narrative#34 ab Stunde 1,19.
  • Die Behauptung, hinter der Pandemie steckten “irgendwelche Konzerneliten und sehr reiche Menschen”, die “ein Planspiel mit uns machen”, uns als “Marionetten" benutzen und Lust daran haben, "uns zu tyrannisieren und zu schikanieren”, findet sich  in derselben Sendung ab Stunde 1,27.
  • Die Behauptung, man müsse “die Corona-Viren laufen lassen in der Bevölkerung”, weil die Menschen so "eine Koexistenz mit diesen Viren aufbauen" könnten, findet sich in Narrative#6 ab Minute 28.
  • Die Behauptung, dass die Bevölkerung keine Impfung brauche, weil sie “sowieso schon über Herdenimmunität” verfüge, das Impfen deshalb nur dem Geldeintreiben oder dem „Umformatieren von Menschen“ diene, findet sich in Narrative#25 ab Stunde 1,23.

Und so weiter...

Plötzliches Aufräumen auf der Ovalmedia-Homepage

Als unfair sehen Verschwörungsgläubige auch die Tatsache, dass im Tagesspiegel-Artikel die Ovalmedia-Gründerin Lilian Franck genannt wird, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Alice-Salomon-Hochschule arbeitet. Franck habe doch mit Ovalmedia seit etlichen Jahren gar nichts mehr zu tun, heißt es, also dürfe sie auch nicht in dem Artikel vorkommen.

Kurz vor Erscheinen des Tagesspiegel-Berichts sah die Homepage von Ovalmedia so aus:

Kurz nach Erscheinen des Tagesspiegel-Artikels sah die Homepage dann allerdings so aus:

Die Selbstdarstellung von Ovalmedia sah kurz vor Erscheinen des Tagesspiegel-Artikels noch folgendermaßen aus:

Kurz nach Erscheinen des Tagesspiegel-Artikels sah sie dann allerdings so aus:

Auf Anfrage des Tagesspiegels, weshalb die Homepage nach Erscheinen des Artikels verändert wurde, antwortet Franck: "Die Änderungen auf der Webseite haben die plötzliche öffentliche Aufmerksamkeit und Kritik zum Hintergrund, der ich mich unbegründet ausgesetzt sehe."

An den Corona-Formaten von Ovalmedia, etwa der Sendung "Narrative“, habe sie zu keinem Zeitpunkt mitgearbeitet - die Verantwortung dafür liege bei Robert Cibis. Im Jahr 2020 habe sie für Ovalmedia lediglich in geringfügigem Rahmen als freie Dramaturgin und Producerin gearbeitet. Seit Februar 2021 arbeite sie nun überhaupt nicht mehr für die Firma.

Allerdings habe sie bis zum 1.1.2021 noch 25% der Geschäftsanteile von Ovalmedia besessen.

[Sie himmeln eine Romanfigur an, leugnen Corona und glauben an die Rassenlehre: Eine Reportage über die Verbreitung der Anastasia-Bewegung in Deutschland können Abonnenten von T+ hier lesen.]

Die Verbindung zum "Corona-Ausschuss"

Weiterhin wird behauptet, der Tagesspiegel konstruiere eine Verbindung zwischen Robert Cibis' Firma Ovalmedia und dem sogenannten "Corona-Ausschuss", die jedoch in Wirklichkeit nicht existiere. Auch dies ist ganz offensichtlich unwahr.

Ovalmedia übertrug bereits die Pressekonferenz zur Gründung des Ausschusses, neben Robert Cibis sind auf diesem Bild der Ufo-Fachmann Robert Fleischer und der Verschwörungsideologe Martin Lejeune zu sehen:

Ovalmedia-Chef Robert Cibis sagt, er sei froh, dass seine Firma die „Aufklärungsarbeit“ des Ausschusses durch die Übertragungen unterstützen könne (zu finden ist diese Aussage in Narrative#25 ab Minute 3). In derselben Sendung schmeichelt er zwei Ausschussmitgliedern, sie kämen ihm vor wie "Superhelden" (Minute 43).

Bei einem der beiden handelt es sich um die Aktivistin, die unter Coronaleugnern als Anwältin Viviane Fischer, in der Öffentlichkeit dagegen als Hutmacherin Rike Feurstein bekannt ist. Das Studio, in dem Cibis mittlerweile seine Narrative-Sendungen  aufnimmt, befindet sich unmittelbar neben der Anwaltskanzlei von Viviane Fischer in Moabit.

[Kokain, Anleitung zum Bombenbau, Nazi-Hetze – kein Problem: Eine Reportage über den Messenger-Dienst Telegram können Abonnenten von T+ hier lesen.]

Bei dem zweiten Gast handelt es sich um Reiner Fuellmich, der nach eigenen Angaben eine „organisierte Massentötung“ durch die Bundesregierung fürchtet, weil womöglich jeder vierte Deutsche an der Impfung gegen Corona sterben werde.

In der aktuellen Folge des "Corona-Ausschusses", wieder übertragen von Ovalmedia, zieht Reiner Fuellmich Parallelen zum Holocaust. Was gerade geplant sei, erinnere ihn an die damaligen Verbrechen. Er sagt sogar: "Es ist schlimmer."

Ein aktuelles Projekt für 3Sat

In einer der Runden von Verschwörungsgläubigen, in denen Robert Cibis in den vergangenen Tagen aufgetreten ist, gab er auch bekannt, dass er aktuell an einem Projekt für 3Sat und ZDF arbeite. Eine Sprecherin von 3Sat bestätigt das: Es handle sich um eine „bereits 2018/2019 begonnene Langzeitbeobachtung über evangelikale Christen in Israel und den USA“.

In derselben Runde verriet Robert Cibis, wie er sich nach eigenen Angaben durch eine Reihe von Zufällen, die sich dann „als Fügung erwiesen“ hätten, „zum politischen Aktivisten“ entwickelte. Zunächst habe er Ende 2019 bei einer Zugfahrt zufällig den Sitzplatz neben Wolfgang Wodarg gehabt. Die beiden hätten sich bereits von einem früheren Projekt gekannt, seien durch die Fahrt nun wieder in Kontakt gekommen. Im Februar habe Wolfgang Wodarg ihn dann kontaktiert und vorgeschlagen, ein Video zu drehen.

Das besagte Video wurde binnen weniger Tage millionenfach geklickt. Robert Cibis sagt: „So war ich plötzlich ein politischer Aktivist geworden, der auch tatsächlich viele Menschen beeinflusst hatte.“ Nach den Reaktionen auf das Video sei er auf die Idee gekommen, seine eigene Gesprächsreihe "Narrative" zu starten.

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