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Auch an der Basis gibt es Frust über die Streitereien.

© picture alliance/dpa

Intrigen, Machtkämpfe, Animositäten: Wie sich die AfD im Westen selbst zerlegt

Im Osten feiert die AfD ihre Erfolge. In den Westverbänden ist sie dagegen tief zerstritten. Schaden die erbitterten Kämpfe der Partei?

Am Ende tauchte er nicht einmal mehr auf. Lediglich per E-Mail teilte der Bremer AfD-Chef Frank Magnitz vor gut einer Woche mit, er trete zurück und wolle auf dem bevorstehenden Landesparteitag nicht erneut für ein Amt kandidieren.

Vorangegangen war eine Schlammschlacht: Magnitz war mit zwei Mitstreitern aus der Fraktion ausgetreten. Der Fraktionsstatus wurde der AfD aberkannt, Gelder in Millionenhöhe gehen flöten. Damit wischte Magnitz nebenbei auch seinem Feind, dem Bremer Fraktionschef, eins aus, der nun weniger Gehalt bekommt. Magnitz hinterlässt nach seinem Rückzug einen zerrütteten Landesverband. Er habe die Bremer AfD in „in eine Mischung aus Kaderpartei und Familienbetrieb verwandelt“, schrieb die Lokalpresse bereits Anfang des Jahres über ihn.

Man könnte das als unrühmliche Posse in einem kleinen Westverband der AfD abtun, kaum der Beachtung wert. Die Aufmerksamkeit liegt derzeit auf den Ostverbänden der Partei, die bei Landtagswahlen sehr erfolgreich sind. Dabei gerät aber aus dem Blick, dass das, was in Bremen passiert, symptomatisch ist für die Westverbände der AfD. Innerparteiliche Fehden bis zur Selbstzerfleischung, Intrigen, Beschuldigungen, persönliche Animositäten – es geht schmutzig zu bei der AfD im Westen. In der Gesamtschau der auf Landesebene ablaufenden Machtkämpfe ergibt sich ein desaströses Bild.

Das macht auch der Parteiführung Sorgen, wie sich am Morgen nach den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg heraushören ließ. Da wurde AfD-Chef Jörg Meuthen gefragt, was die Westverbände, die in Umfragen bei um die zehn Prozent dümpeln, lernen könnten von den Erfolgen im Osten. Meuthen sagte: „Ein geschlossenes Auftreten.“ Da gebe es in einigen Landesverbänden im Westen noch Luft nach oben. Hinter vorgehaltener Hand wird ein Parteistratege deutlicher: „Das ist ein existenzielles Problem.“

„Schneise der Verwüstung“

Riesig ist das Chaos etwa im größten Landesverband, dem in Nordrhein-Westfalen. Nach einem erbitterten Führungsstreit ist dort Anfang Juli der als vergleichsweise gemäßigt geltende Landeschef Helmut Seifen mit einem Großteil des zwölfköpfigen Landesvorstandes zurückgetreten.

Drei Vertreter des radikalen „Flügels“ in der AfD blieben im Amt, darunter Co-Landeschef Thomas Röckemann. Ihnen schallten auf einem vorgezogenen Parteitag „Haut ab“-Rufe entgegen. Anträge auf Abwahl des Trios erreichten dennoch nicht die notwendige Mehrheit. Anfang Oktober soll nun der ganze Vorstand neu gewählt werden. Als moderaterer Gegenkandidat wird der Oberst a. D. Rüdiger Lucassen in Stellung gebracht. Alles läuft auf einen Showdown hinaus.

Wie in NRW lassen sich viele Konflikte auf Machtkämpfe zwischen dem „Flügel“ und weniger radikalen Kräften zurückführen. Im Juli warf AfD-Vize Kay Gottschalk den „Flügel“-Anführern Björn Höcke und Andreas Kalbitz vor, die Vertreter ihres Lagers nicht zur Mäßigung aufgerufen zu haben. Gottschalk sprach in der „Welt“ von einer „Schneise der Verwüstung“ in vielen West-Landesverbänden.

Der Historiker Frank Bösch vom Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam vergleicht die Entwicklung der AfD mit derjenigen der frühen NPD, die in den Jahren nach ihrer Gründung 1964 in sieben Landtage einzog. Schon 1967 sägte sie ihren eher moderaten Vorsitzenden ab, der ursprünglich aus der Bremer CDU kam. An seine Stelle trat Mitgründer Adolf von Thadden, der zuvor in der rechtsextremen Deutschen Reichspartei gewesen war. „Die Folge des Wechsels war eine Radikalisierung“, sagt Bösch. Ähnlich sei es auch bei den Republikanern abgelaufen. „Es ist typisch, dass rechte Parteien nach einigen Jahren ihre repräsentativen, eher bürgerlichen Führungsfiguren austauschen und im Zuge dessen weiter nach rechts rücken.“

„Radikale Parteien ziehen radikale Charaktere an“ 

Der Sozialwissenschaftler und Extremismusexperte Alexander Häusler führt die Konflikte nicht nur auf Richtungsstreitigkeiten zurück. „Auf der anderen Seite geht es um Machtspielchen, bei denen Leute auch mal die Fronten wechseln, um an einen guten Posten zu kommen“, sagt er.

Es werde alle Kraft und Energie darauf verwendet, sich gegenseitig auszustechen. „Rechtspopulistische Parteien wettern gern gegen angebliche Vetternwirtschaft in der Politik, legen dieses Verhalten dann aber in zugespitzter Form selbst an den Tag.“ Marcel Lewandowsky, Populismusforscher und Gastprofessor an der University of Florida, sagt: „Radikale Parteien ziehen radikale Charaktere an.“ 

Tief zerstritten ist die AfD auch in Baden-Württemberg: Der „Flügel“-nahe Landeschef Dirk Spaniel liefert sich seit Monaten einen Machtkampf mit seinem Co-Sprecher Bernd Gögel. Es geht um Intrigen, Schmäh-Mails, Alleingänge und eine heimliche Tonaufnahme.

In der Anfang August geleakten Audiodatei ist zu hören, wie Spaniel mit Parteikollegen in Ostdeutschland den Sturz von AfD-Chef Meuthen plant. Nachdem die Aufnahme öffentlich wurde, legte Spaniel nach, bezeichnete seinen Co-Chef Gögel als überfordert und beschuldigte Meuthen der Feigheit. Daraufhin forderte fast der ganze Landesvorstand seinen Rücktritt. Doch Spaniel weigert sich. Es braucht einen Sonderparteitag, um ihn abzuwählen.

Heftige Gefechte liefert sich die AfD in Bayern. Die Lage eskalierte, nachdem das Landesschiedsgericht den radikalen Regensburger Benjamin Nolte seines Amtes im Landesvorstand enthob. Vor gut einer Woche dann ein Showdown-Parteitag. Die bayerische Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner – eine glühende Anhängerin von Höcke – trat entgegen ihrer Ankündigung für den Landesvorsitz an. Der „Flügel“ wollte die Macht übernehmen. Doch Ebner-Steiner scheiterte. Ihre Rivalin, die Bundestagsabgeordnete Corinna Miazga, bekam das Amt. Parteifreunde erwarten kein Ende der Streitigkeiten.

Katrin Ebner-Steiner, Fraktionsvorsitzende der AfD in Bayern und Anhängerin von Björn Höcke.
Katrin Ebner-Steiner, Fraktionsvorsitzende der AfD in Bayern und Anhängerin von Björn Höcke.

© picture alliance / Armin Weigel/

Im Osten stellt sich die Machtfrage nicht mehr

In Niedersachsen hat Landeschefin Dana Guth mit „Flügel“-Leuten und Anhängern des Ex-Landesvorsitzenden Armin-Paul Hampel zu kämpfen. Im Saarland wird dem Landesvorstand unter Josef Dörr vorgeworfen, wie ein „Politbüro“ zu agieren. In Schleswig-Holstein wurde die Landeschefin und „Flügel“-Frau Doris von Sayn-Wittgenstein zunächst wiedergewählt, obwohl gegen sie ein Ausschlussverfahren lief. Nachdem sie nun aus der Partei geflogen ist, sind ihre Anhänger sauer.

Sieben Landesverbände, sieben Brennpunkte. In der AfD befürchten sie, dass der Dauerclinch irgendwann die Wähler verschreckt. „Bislang haben diese Streitigkeiten der AfD nur wenig beim Wähler geschadet“, sagt Populismusforscher Lewandowsky. Die AfD werde ja nicht vorrangig wegen ihres Personals gewählt. „Sie wird gewählt, weil sie eine Lücke im Parteiensystem schließt.“ Zudem habe die AfD mittlerweile zum Teil eine stark geschlossene Wählerschaft, die kaum noch erreicht werden könne.

Dennoch könnten die Streitigkeiten Folgen haben, sagt auch Lewandowsky. „Der ,Flügel‘ versucht, in den westdeutschen Landesverbänden die Oberhand zu gewinnen. Wenn sich die moderateren Kräfte nicht organisieren, werden sie verlieren.“ Gemäßigtere AfDler befürchten, dass es bei bürgerlich-konservativen Wählern im Westen Stimmen kosten würde, gewänne der „Flügel“ hier noch mehr Einfluss.

Die Kämpfe sorgen zudem an der Basis für Frust. „Die Vorstellung, dass man in eine Partei eingetreten ist, in der alles anders läuft als bei den etablierten Parteien, erweist sich für die einfachen Parteimitglieder als Illusion“, meint Sozialwissenschaftler Häusler. Dass im Osten die Reihen so geschlossen sind, liegt unterdessen daran, dass diese bereits vom radikalen „Flügel“ dominiert werden. Hier stellt sich die Machtfrage nicht mehr.

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