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Ein gutes Team: Sonja und Peter Frühsammer.

© Mike Wolff

Interview mit dem Gastronomie-Ehepaar Frühsammer: "Es gibt vieles, was eine Frau am Aufstieg hindert"

Ein gutes Team: Sonja und Peter Frühsammer betreiben seit 2007 ihr gleichnamiges Gourmet-Restaurant. Im Interview sprechen sie darüber, warum männliche Spitzenköche anders als weibliche kochen und warum es besser für ihre Ehe ist, zusammen zu arbeiten, als das nicht zu tun.

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Herr Frühsammer, Gratulation zur Auszeichnung "Berliner Gastgeber 2014". Hat solch eine Auszeichnung auch wirtschaftliche Auswirkungen oder geht es dabei vor allem um die Ehre?
Peter: Ganz klar, es ist vor allem dieses sich ein bisschen vor den Spiegel stellen und sich angrinsen. Dass es mehr Gäste bringt, glaube ich eher nicht. Das wäre sicherlich anders, wenn meine Frau die Auszeichnung "Berliner Meisterkoch" bekommen hätte.

Frau Frühsammer, ist es schwer, sich als Köchin in solch einer Männerdomäne wie der Spitzengastronomie zu behaupten?
Sonja: Ich sage jetzt einfach mal "Nein", aber ich weiß ja auch nicht, wie es wäre, wenn ich ein Mann wäre. Ich hoffe, das macht keinen Unterschied. Aber vielleicht ist der Ehrgeiz ein anderer. Frauen haben nicht dieses Höher-Schneller-Weiter-Ding, die Männer wollen ja immer die Besten sein. Frauen wägen mehr ab, sind pragmatischer, da existiert auch noch die Familie im Hintergrund. Es gibt also mehr Aspekte, die eine Frau in der Gastronomie am Aufstieg hindern. Ohne meinen Mann wäre ich auch nicht da, wo ich jetzt bin.

"Es ist mir nicht so wichtig, die Nummer eins zu sein"

Herr Frühsammer, Sie schütteln den Kopf?
Peter: Ja, weil dieser Satz "Frauen haben keinen Ehrgeiz" auf meine Frau überhaupt nicht zutrifft …
Sonja: Na ja, mein Ehrgeiz besteht darin, den Teller so perfekt wie möglich zu machen, die Qualität, die ich haben möchte, auch so hinzubekommen. Aber es ist mir nicht so wichtig, die Nummer eins zu sein.

Frau Frühsammer, bei der Bewertung im Gault Millau sind Sie gleichauf mit Michael Kempf oder Christian Lohse, die ja bereits zwei Michelin-Sterne haben. Wäre es Ihnen nicht auch wichtig, einen Stern zu bekommen?
Sonja: Es wäre schon schön, klar. Wenn man aber wie ich drei Jahre darauf gewartet hat, und es passiert nichts, dann sagt man sich: Okay. Ist gut so. Sicher, wenn wir einen Stern bekommen, dann freuen wir uns ein Loch in den Bauch. Aber es hilft ja nichts, sich den Stern zu wünschen.

Herr Frühsammer, Sie haben 1985 – lange ist es her – als jüngster Berliner Koch einen Stern in Ihr damaliges Restaurant an der Rehwiese geholt. Nun sagen Sie, dass Ihre Frau besser kocht als Sie. Hätte sie dann Ihrer Meinung nach jetzt nicht auch einen Stern verdient?
Peter: So, wie meine Frau heute kocht, hätte sie sicher damals auch den Stern gekriegt. Aber damals hatte Berlin den kulinarischen Standard von Biberach an der Riss. Man nahm ein paar frische Möhren, frischen Spinat und einen exotischen Pilz, der hieß damals Shiitake, und ein paar sautierte Entenherzen mit einem Balsamicoessig, dessen Qualität in Deutschland noch keiner kannte: Mit so was war man unfassbar weit vorne. So etwas macht heute schon die Paris Bar.

Wie sieht das heute aus?
Peter: So mancher Sternekoch meint, er müsse besser, kreativer, innovativer sein als der Gast. Meiner Meinung nach kochen heute die männlichen Spitzenköche sehr auf den Tester zu und sind eher auf der Flucht vor dem Endverbraucher. In der Sternegastronomie ist es deshalb oft schwierig, genussvoll zu essen.

In der Betriebskantine die Karriere begonnen

Weil man dabei unter ständiger Beobachtung durch die Kellner steht?
Peter: Ja, das auch. Unser Konzept ist da anders. Wir wollen lieber ein unaufgeregtes Restaurant führen. Ich liebe die Küche meiner Frau gerade weil sie unaufgeregt ist – und für mich ist das etwas sehr Positives. Ein Teller, den meine Frau zusammenstellt, ist ein Teller, den sie gerne selber essen würde. Einen Teller, den ich als Mann zubereite, würde ich vermutlich anders kochen. Vielleicht, weil ich denke, ich müsse demjenigen, der ihn isst, irgendwas beweisen.

Frau Frühsammer, würden Sie Ihre Küche auch so beschreiben?
Sonja: Ich denke schon, dass da was dran ist, wir sprechen uns bei der Speisekarte ja ab. Peter ist ja auch als Koch eine Instanz ...
Peter: Ich eine Instanz? – Das hört sich an, als ob ich schon ewig alt wäre ...
Sonja: Naja, eben aus der Zeit, als der Shiitake-Pilz noch etwas Besonderes war. (beide lachen)

Frau Frühsammer, Sie haben Ihre Ausbildung bei Siemens angefangen, ein klassischer Kantinenjob?
Sonja: Ja und nein. Das war im KWU in der Huttenstraße, Siemens als Großexporteur hatte dort viele ausländische Gäste. Wir hatten ein nettes Gästecasino, in dem drei Mal pro Woche zehn, 15 wichtige Besucher saßen – und für die wurde dann richtig aufwändig gekocht. Der französische Küchenchef hat immer ordentliche Produkte bestellt – ohne Budgetauflagen – und das hat enorm Spaß gemacht. Aber klar, ich habe da auch 25 Liter Tomatensauce gekocht oder die Tiefkühl-Buletten aus dem Karton genommen.

Zusammenarbeiten nicht mit dem Zusammenleben verwechseln

Und dann sind Sie nach Charlottenburg zu Karl Wannemacher ins Alt Luxemburg gegangen?
Sonja: Ja, das war Neuland, eigentlich eine komplett neue Lehre. Man kochte da auch mal nur für zwei Personen und wusste immer genau, wie viel Gäste kommen. Das war schon toll.

Wie haben Sie beide sich kennen gelernt?
Peter: Nach dem Restaurant Rehwiese habe ich einen Catering-Service gemacht – Servino – und da brauchte ich manchmal zusätzliche Köche. Ein Bekannter hat gesagt: Du, ich kenne da ein Mädel, die ist ziemlich tough, ich gebe dir mal ihre Telefonnummer. Die habe ich dann angerufen. Als Sonja zur ersten Veranstaltung kam und geholfen hat, fand ich das Mädel schon ziemlich cool. (lacht)

Ist es schwierig, als Paar zusammen zu arbeiten?
Sonja: Ich würde es umgekehrt schwierig finden, weil wir uns sonst wohl kaum oder gar nicht sehen würden.

Peter: Ach, ich habe bereits eine gescheiterte Ehe hinter mir. Man darf eben das Zusammenarbeiten nicht mit dem Zusammenleben verwechseln, und wir hatten die letzten Jahre wirklich nur noch zusammen gearbeitet. Was ich daraus gelernt habe: Man muss "Quality Time" miteinander verbringen – außerhalb des Arbeitens. Wir haben ein gemeinsames Hobby, das uns sehr hilft: Wir züchten Island-Pferde. Wir fahren morgens gemeinsam raus, auf dem Weg zum Hof hat meine Frau die Speisekarte in der Hand, und dann werde ich interviewt, was ich davon halte. Draußen bei den Pferden verbringen wir dann Freizeit, und das ist einfach schön. Dann sind ja auch die Kinder da, wir haben keine gemeinsamen, aber Sonjas Kinder leben bei uns. Die Kinder verbinden, sie erwarten, dass wir ein Familienleben führen. Ich kann mir schon vorstellen, mit Sonja alt zu werden – und ich wünsche mir das auch. [...]

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