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Barack Obama redet von seinen „schwulen und lesbischen Freunden“. In Deutschland ist die Gleichstellung und gesellschaftliche Anerkennung auf allen Ebenen ist in Deutschland noch nicht erreicht

© dpa

Homosexuelle in Deutschland: Es sind immer noch nicht alle gleich

Barack Obama redete bei seinem Berlin-Besuch von seinen „schwulen und lesbischen Freunden“. Doch Gleichberechtigung von Homosexuellen, so meint Gerd Nowakowski, ist in Deutschland genauso wenig erreicht, wie die gesellschaftliche Anerkennung auf allen Ebenen.

Wohin Intoleranz führt, weiß man genau in Berlin, wo die Menschen in beiden Stadthälften unter der Mauer gelitten haben. US-Präsident Barack Obama hat darauf hingewiesen: Eine offene Gesellschaft ist nicht vorstellbar ohne Toleranz. Daran ist zu erinnern, wenn an diesem Wochenende die Stadt so demonstrativ schwul und lesbisch ist. Mancher mag den schrillen Aufzug für unpolitisch halten, doch selten stimmt wie hier: Das Private ist politisch. Das gilt gerade am Ende einer Woche, in der die protestantische Kirche ihr gewandeltes Familienbild präsentierte und neben der traditionellen Ehe nun auch schwule Partnerschaften als auf Dauer angelegte Lebensentwürfe akzeptiert.

Seit vor 35 Jahren die erste CSD-Parade durch Berlin zog, hat sich in Deutschland die Situation für Schwule und Lesben enorm verbessert. Von der Selbstverständlichkeit, mit der Obama vor dem Brandenburger Tor die Chancengleichheit für seine „schwulen und lesbischen Freunde“ einforderte, aber ist die deutsche Politik weit entfernt. Solch ein Satz ist bei Bundeskanzlerin Angela Merkel schwer vorstellbar. Im CDU/CSU-Wahlprogramm wird vielmehr das tradierte Familienbild festgezurrt und die Gleichstellung von Lebenspartnerschaften mit der Ehe zwischen Mann und Frau eindeutig abgelehnt.

Es gehört deswegen zur ernüchternden Bilanz, dass hierzulande nicht die Politik, sondern vor allem das Bundesverfassungsgericht eine aktive Toleranzarbeit geleistet hat. Die Richter haben mehrfach deutlich gemacht, dass der Verfassungsgehalt einer immer wieder veränderten Lebenswirklichkeit angepasst werden muss. Sie haben gesetzliche Diskriminierungen beseitigt und die gleichberechtigte Teilhabe erleichtert, wie jetzt beim Ehegattensplitting für eingetragene Partnerschaften.

Benachteiligung herrscht beim Adoptionsrecht und der Ehe

Eine Gleichstellung und gesellschaftliche Anerkennung auf allen Ebenen ist in Deutschland noch nicht erreicht: Es fehlt etwa das volle Adoptionsrecht und für Homo-Ehen gibt es weder Kindergeld, noch Riesterrente oder Wohnungsbauprämien. Der Kampf um ihren Anteil vom Glück, den die amerikanische Verfassung jedem Bürger verspricht, ist für die deutschen Lesben und Schwulen deswegen noch lange nicht zu Ende.

Das tolerante Berlin ist ein Ort, an dem Menschen leichter als in anderen Städten ihre Talente entwickeln und Träume leben können. Das trägt dazu bei, dass die deutsche Hauptstadt weltweit ausstrahlt und Menschen anzieht, die mit an der Zukunft der Stadt bauen wollen. Ein Wochenende lang sich auf den Straßen Berlins als Mehrheit fühlen zu können, dieses Gefühl wird von Zehntausenden als Ermutigung mitgenommen in ihren Alltag, in Berlin oder anderenorts in der Republik.

In diesem Alltag aber geht es längst nicht so bunt zu wie auf der CSD-Parade, da geht es nicht nur um erweiterte Rechte und Partizipation, sondern oft genug noch um die alltägliche Diskriminierung und Angriffe, die viele im Privatleben oder im Beruf erfahren. Die Offenheit hat gesiegt, die Toleranz und der Frieden, betonte Präsident Obama am Brandenburger Tor als Mahnung und Auftrag aus der deutschen Teilung. Er meinte damit nicht nur die Mauern aus Beton.

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