zum Hauptinhalt
Harry Sachs

© Alena Schmick

Haus der Statistik: Alles anders als am Alex?

Ein riesiger Bau aus der DDR-Zeit verfiel über Jahre mitten in der Stadt. Jetzt erproben Künstler dort, wie Berlin anders geplant werden kann.

Von Jonas Bickelmann

Wenn Harry Sachs über seine Pläne für das Haus der Statistik spricht, nutzt er häufig Tech-Metaphern: „Wir können hier im Zentrum eine Fläche neu programmieren, ohne irgendjemanden zu verdrängen.“ Es ist ein hoher Anspruch: Die Stadt so zu entwickeln, dass sie dem Gemeinwohl dient.

Sachs selbst ist Künstler und kam über das Engagement für Atelierhäuser zum Projekt. „Das eine ist die Hardware, die hier gerade gebaut wird, das andere ist, dass man bereits mit der Software startet, mit einer bestimmten Nutzung.“

Tatsächlich sieht die Hardware, an der Sachs arbeitet, aus wie ein verlassener, überdimensionaler Computer - das Haus der Statistik füllt einen ganzen Block am Alexanderplatz. Die Fenster sind scheibenlos, an die Fassade hat jemand groß „Stop Wars“ und „Drogen“ gesprüht.

Eine Fläche von fünf Fußballfeldern

Hier, wo noch bis 2008 Behörden untergebracht waren, seitdem aber der komplette Block mit der Grundfläche von fast sieben Fußballfeldern einfach leer stand, soll schon bald alternative Stadtentwicklung erprobt werden.

Dafür hat sich eine ungewohnte Allianz gebildet: Zur verantwortlichen Genossenschaft Koop5 haben sich Künstler*innen wie Sachs, der städtische Wohnungsbau, Bezirk, Senat und Liegenschaftsverwaltung zusammengeschlossen.

Sprechen so unterschiedliche Parteien eine gemeinsame Sprache? „Jeder investiert wahnsinnig viel Zeit und Energie in das Projekt“, sagt Sachs. „Aber was entsteht, ist auch deutlich mehr wert, als wenn es ein Einzelner kurz hinstellen würde.“

Kooperation statt Wettbewerb

Auch die Planung läuft anders, in einem „integrierten Werkstattverfahren“. Das ist als Gegenentwurf zu den üblichen Planungswettbewerben angelegt. Verschiedene Entwickelnde arbeiten nicht in Konkurrenz, sondern sollen sich austauschen. „Es gab drei Stadtplanungsbüros, die immer wieder Entwürfe abgeliefert haben. Es war keine Wettbewerbssituation, sondern eine Kooperative“, sagt Sachs.

Um das Projekt zu ermöglichen, verhinderten die Künstler zunächst den ursprünglich geplanten Verkauf an Investoren, um sicherzustellen, dass aus dem Haus der Statistik kein zweiter Alex wird: ein reiner Konsumort.

„Man hat in den letzten 30 Jahren Entwicklung am Alexanderplatz Potenzial verschenkt, Flächen verkauft und Räume nicht ausreichend programmiert, sodass sich eine sehr homogene Nutzung ergeben hat“, sagt Sachs. 2017 kaufte das Land Berlin den Komplex dem Bund ab, in dessen Besitz das Haus der Statistik nach der Wende gelangt war.

Der nächste Schritt sind Pioniernutzungen: Jede Menge Kunst, die Kryptowährung Beecoin und Fassadenelemente, in denen sich Insekten und Mauersegler niederlassen können. Hinten im Hof steht eine alte Autoscooterbahn, als für alle zugängliche Bühne für Tanz, Yoga oder Diskussionen. Langfristig sollen im Haus der Statistik aber auch das Rathaus Mitte unterkommen, bezahlbarer Wohnraum, kulturelle Einrichtungen und Sozialprojekte entstehen.

Eine Alternative zu den Einkaufszentren

Für alle Projekte gilt die Tech-Devise: Der Prototyp muss funktionieren. Nur was sich in der Pionierphase bewährt, darf länger bleiben. Um so auf Dauer einen Ort zu schaffen, der eine Alternative zu den austauschbaren Einkaufszentren bietet.

„Die Eigendynamik des Immobilienmarktes kann man mit dem Projekt nicht abschaffen“, sagt Harry Sachs. Aber das heißt für ihn nicht, dass man diesen Markt so akzeptieren muss, wie er ist.

Zur Startseite