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Fröhliches Flattern. Karoline Hesterberg vor ihrem mobilen Hühnerstall. Rund 1000 Hennen picken auf Gut Hesterberg das ganze Jahr Futter auf der Wiese. Im Stall wandern die frisch gelegten Eier aufs Band.

© Kitty Kleist-Heinrich

Gute Eier aus der Region: Da gackern ja die Hühner

Zu Ostern gibt es Eier - am liebsten von glücklichen Hennen. Weil, was teurer ist, auch besser schmeckt? Es geht um mehr, sagen Direktvermarkter: um vollwertige Inhaltsstoffe, um nachhaltige Landwirtschaft und um ein gutes Leben für die Tiere.

Von
  • Kai Röger
  • Susanne Leimstoll

Sind „Bio-Eier“ aus dem Supermarkt nichts als eine große Mogelpackung, lediglich ein Massenprodukt mit Prädikat? Seit das RBB-Fernsehen in seiner Verbrauchersendung „Super.Markt“ berichtete, dass „90 Prozent der Bio-Legehennen in Brandenburg in Großbetrieben mit 30 000 Tieren und mehr leben“, ist die Diskussion um die Qualität des Hühnereis neu entflammt. Was bedeutet die Information für den Verbraucher? Ist es vernünftiger, teurere Freilandeier von kleinen Produzenten zu kaufen, weil sie ernährungsphysiologisch wertvoller sind, und schmeckt man den Unterschied?

Eigentlich überrascht das Ergebnis der RBB-Recherche nicht. Hühnereier sind längst Massenware, die billig zu haben ist. Der Preisvergleich zwischen Freiland- bzw. Bio-Eiern von verschiedenen Discountern und denen eines auf Nachhaltigkeit und Tierwohl ausgerichteten Modellhofs lässt nur einen Schluss zu: Hinter der Eierproduktion steht eine auf Effizienz und Ertrag ausgerichtete industrielle Massentierhaltung. Ein Ei kostet im Discounter 16 Cent, ganz gleich, ob es aus Bodenhaltung oder Freilandhaltung stammt, ein Bio-Ei 26 Cent. Um einiges teurer sind Eier des Bio-Produzenten „Hufe8“, die es auch in Berlin zu kaufen gibt: Eines kostet ganze 60 Cent. Der Hof in Mecklenburg-Vorpommern wurde gerade auf der Grünen Woche für sein Nachhaltigkeitskonzept ausgezeichnet.

Der Eierpreis auf dem Massenmarkt ist sei Jahrzehnten stabil

Den Massenmarkt interessiert das wenig. Der Bauernverband prognostiziert für dieses Jahr sinkende Eierpreise, damit läge das Niveau von normalen Discount-Eiern beinahe wieder gleichauf mit dem der fünfziger Jahre, umgerechnet bei etwas über 11 Cent. Der Eierpreis, so zeigt ein statistischer Vergleich über die letzten sieben Jahrzehnte, blieb bis heute stabil – bei durchschnittlich zwischen 11 und 16 Cent. Eine Entwicklung, entkoppelt von der Dynamik des Marktes, von Kaufkraft, Inflation und Rohstoffpreisen. Allenfalls Skandale wie Vogelgrippe oder aktuell das Pflanzenschutzmittel Fipronil in niederländischen Futtermitteln konnten den Preis kurzfristig in die Höhe treiben.

Auch wenn die Massenproduktion für den Supermarkt nicht mit der Vorstellung von glücklichen Hühnern in Einklang zu bringen ist, sind die Billigeier weder giftig noch schädlich, ihre Produktionsbedingungen gelten als kontrolliert und entsprechen der gesetzlichen Norm. Sie in Umlauf zu bringen, ist weder kriminell noch verwerflich. Und: Sie schmecken nicht schlecht – das beweist auch unser Geschmackstest.

Unsere Redaktion hat dafür Bio- und Freiland-Eier aus dem Discounter, Eier aus mobiler Stallhaltung und in Demeter-Qualität blind verkostet. Die Dotter konventioneller Eier waren deutlich gelber, was auf eine Beimischung von Betacarotin im Futtermittel schließen lässt. Der Konsument scheint – wie bei der Butter – die tiefgelbe Farbe mit besserer Qualität gleichzusetzen. Bio-Höfen ist diese Beimischung untersagt, die Dotter dieser Eier sind vor allem im Frühjahr heller, werden im Laufe des Jahres aber dunkler, weil dann im natürlichen Futter mehr farbgebende Stoffe enthalten sind. Der Geschmack lag im Test nur in Nuancen auseinander, subjektiv konnte man sagen: je teurer das Ei, desto reiner das Ei-Aroma, desto gehaltvoller der Eindruck, den vor allem der Dotter hinterlässt. Unangenehme Noten oder Fehltöne waren bei keinem Ei zu schmecken. Aber es geht ja beim Ei nicht nur um den Geschmack.

Tausend freilaufende Hühner, die Gras und Kräuter picken

Gut Hesterberg bei Neuruppin in Brandenburg, umgeben von Wiesen und Weiden, ist ein überdimensionaler Bauernhof, ein regionaler Erzeuger mit eigenen Tierherden und angeschlossener Fleisch- und Wurstproduktion. Auf einer Kräuterwiese vor dem Haupthaus hält Geschäftsführerin Karoline Hesterberg auch etwa 1000 Legehennen der Sorte Lohmann Brown. Hühner, die frei herumstaksen, nach Gusto Gras und Kräuter picken können und sich zu den Futterzeiten zweimal pro Tag ihr Quantum Körner aus dem Stall holen. Der Stall ist mobil, eine Metallkonstruktion auf Kufen, ein Tonnengewölbe mit Zeltdach, angeschlossenem Silo und Technik im Inneren: mit Legenestern, hinter denen ein Band läuft, von dem die Eier gesammelt werden, mit automatischer Fütterung und Tränke. Ein Riesenschlitten, der alle zwei Monate, wenn die Wiese davor abgegrast ist, von Traktoren ein Stück weiter auf frisch bewachsenen Grund gezogen wird. Einer der ersten, die 2004 auf den Markt kamen, modifiziert nach Wünschen von Karoline Hesterbergs Vater, der das Gut aufgebaut hat.

Diese Hühner werden nicht krank, benötigen keine Medikamente. Sie haben ihre natürlichen Feinde: Fuchs und Mäusebussard. Nach etwa anderthalb Jahren (und damit viel später als in der Massenproduktion), wenn die Leistung der Legehennen nachlässt, wird die ganze Truppe gegen Junghennen eines Züchters aus der Region ausgewechselt. Geschlachtet wird kein Tier. Hesterberg macht Anschläge in den umliegenden Dörfern und gibt die Hühner für einen symbolischen Betrag an Nachbarn aus dem Umland. „Innerhalb von ein bis zwei Tagen ist der Stall leer“, sagt sie.

Perfekte Haltung. Der Demeter zertifizierte Hof „Hufe8“ von Anna und Lukas Propp wurde auf der Grünen Woche für sein vorbildliches System ausgezeichnet.
Perfekte Haltung. Der Demeter zertifizierte Hof „Hufe8“ von Anna und Lukas Propp wurde auf der Grünen Woche für sein vorbildliches System ausgezeichnet.

© Hufe 8/promo

Karoline Hesterberg glaubt nicht nur, dass Eier von Hühnern, die täglich Grün picken, ein besonders gehaltvolles Naturprodukt sind, sie kann das nachweisen. Zu dem Thema hat sie ihre Doktorarbeit geschrieben. In einer Versuchsreihe mit Charité und TU hat sie belegt, dass frei laufende, Gras und Kräuter pickende Hühner mit dem Grünfutter besonders viele Carotinoide aufnehmen. Der größte Teil dieser Antioxidantien wird ins Dotter eingelagert – ein nährstoffreicher Glücksfall für den Menschen. Kochen und Erhitzen verstärken den Gehalt von Inhaltsstoffen wie Lycopin und Betacarotin sogar noch – auch das hat Hesterberg mit ihrer Arbeit belegt.

Wirtschaftlich rentiert sich die Art der Haltung nicht unbedingt: Die Hennen bringen, je mehr gutes Grün und je weniger energiedichte Körner sie fressen, allenfalls 70 Prozent ihrer Legeleistung. Anders gesagt: 1000 Ökohennen legen pro Tag maximal 700 Eier. Das nimmt Karoline Hesterberg in Kauf, um Masse geht es ihr nicht. „Wir sind nicht biozertifiziert, wir setzen darauf, dass unsere Gäste und Kunden vor Ort sehen können, dass es den Tieren gut geht. Eine natürliche Haltung ist eben auch fürs Produkt besser als die industrielle Landwirtschaft.“

Natürliche Tierhaltung schmeckt mit besserem Gewissen

Eier von Gut Hesterberg, die sie außer im Hofladen auch in den gutseigenen Läden sowie in einigen Edeka-Filialen verkaufen lässt, kosten in Größe M und L 48 Cent. Und schmecken die nun ganz besonders gut? „Manche Kunden sind davon überzeugt, ich konnte das nicht feststellen“, sagt Karoline Hesterberg, die sich täglich zum Frühstück zwei Eier ihrer glücklichen Hühner gönnt. Das Aroma sei Geschmackssache. „Aber es geht einem besser, wenn man ein hochwertiges, natürliches Produkt ohne schlechtes Gewissen essen kann.“

„Systemfrage“ nennt Lukas Propp den wichtigsten Unterschied zwischen konventionellen Eiern und solchen, die in einen nachhaltigen Produktionsprozess eingegliedert sind. Zusammen mit seiner Frau Anna betreibt er den Demeter-zertifizierten Hof „Hufe8“ unweit von Rostock in Mecklenburg-Vorpommern. Mehr als Gut Hesterberg lebt der Betrieb vom Verkauf der Eier, die in unserem Test am teuersten waren. Wirtschaftlichkeit ist eine wesentliche Voraussetzung für die Produktion. Aber sie steht nicht über allem: Auf ihrem Hof zeigen sie, wie sich landwirtschaftliche Realität mit Bodenschutz und Tierwohl vereinen lässt. Aktuell leben dort 1650 Hühner. Die mobilen Ställe werden innerhalb eines Jahres auf einer von Kleegras bewachsenen Bahn verzogen, damit die Hühner frisches Grün zu picken haben. Nach einem Jahr wechseln die Ställe auf eine ganz neue Bahn, auf der frisches Kleegras wächst. Die „Systemfrage“, von der Propp spricht, ist ein ausgeklügelter Wechsel der Bodennutzung: Der Hühnerdung hat den Boden in einem Jahr mit Stickstoff und Nährstoffen angereichert. Würde Propp die Bahn von Neuem den Hühnern überlassen, würde der Boden überdüngt und das Grundwasser belastet. Deshalb folgt auf die Hühner die Anpflanzung von Körnermais, denn der hat einen extremen Nähstoffbedarf, der in der konventionellen Landwirtschaft durch Kunstdünger gedeckt wird.

Mobile Ställe dienen dem Tierwohl und dem Bodenschutz

Den Mais bringt Lukas Propp spät aus, weil der Boden dann schon warm ist und Nährstoffe abgeben kann. „Mais saugt den Boden aus.“ Gleichzeitig verwendet er die Körner als Futtermittel. Nur der Kolben wird geerntet, der Rest der Pflanze wird gedroschen und untergepflügt, dient als Dünger für den Weizen, der hier das nächste Jahr angebaut wird. Der entzieht dem Boden den Rest an Nährstoffen, sodass im nächsten Jahr wieder Kleegras und Hühner Einzug halten können. Ein Kreislauf, der ohne Dünger und Pestizide auskommt, der den Boden in einem natürlichen Gleichgewicht hält und gleichzeitig den Tieren Auslauf und – Sommer wie Winter – Futter liefert.

Als Modellbetrieb wurde „Hufe8“ auch ausgezeichnet, weil der Betrieb transparent arbeitet, soziale Medien nutzt, Aufklärungsarbeit leistet. „Wir wollen die Menschen an die Landwirtschaft heranführen“, sagt Propp. Nicht an eine romantisch verklärte, die suggeriert, dass jedes Tier einen natürlichen Tod stirbt. „Der Verbraucher muss auch verstehen, dass dahinter Wirtschaftlichkeit stecken muss. Wir erzählen Geschichten, keine Märchen.“ Dazu gehört auch, dass Lukas Propp seinen Kunden nicht verspricht, dass die Eier von seinem Hof besser schmecken. „Nur, weil sie ein Demeter-Produkt sind, schmecken sie nicht gleich nach Trüffel. Es geht eben nicht nur um den Geschmack. Es geht um mehr.“

Gut Hesterberg, Gutsallee, 16818 Neuruppin-Lichtenberg, Tel. 03391-70060, guthesterberg.de | Hufe8, Dorfstraße 35, 18246 Selow, Tel. 038461-754905, hufe8.de | Dieser Beitrag ist auf den kulinarischen Seiten "Mehr Genuss" im Tagesspiegel erschienen – jeden Sonnabend in der Zeitung. Hier geht es zum E-Paper-Abo. Weitere Genuss-Themen finden Sie online auf unserer Themenseite.

Gute Eier aus der Region

Biohof Lemke & Kluge: Der Hof bei Wittstock gehört bei der Bio-Hühnerhaltung zu den Vorzeigebetrieben. Die 3000 Hühner leben in Gruppen von 750 Tieren in mobilen Ställen. Die Hennen haben ganzjährig Auslauf und auch im Winter hat jedes Tier viel Platz im „Wintergarten“. Die Eier von Lemke & Kluge sind erhältlich über den Lieferservice von Landkorb-Shop, landkorb-shop.de, und bei allen 34 Berliner Denn’s-Supermärkten ständig im Sortiment.

Gut Schmerwitz: Der Biolandbetrieb in Wiesenburg, 80 Kilometer von Berlin, ist als Direktvermarkter spezialisiert auf Feld- und Gemüsebau, Schäferei, Geflügelhaltung und Schweinezucht. 6000 Hühner leben in offenen Volieren mit „Wintergarten“ und Wiesenauslauf und erhalten ökologisch erzeugtes Futter. Hier gibt's die Eier in Berlin: Bio Company Babelsberger Str. 52, Wilmersdorf; Heinsestr. 28, Hermsdorf; Kladower Damm 362-364, Kladow, Edeka Handjerystr. 98-99, Friedenau; Hauptstr. 23-27/Ecke Edelweißstr., Wilhelmsruh; Karlsbader Str. 17, Schmargendorf; Eichenborndamm 77-85, Reinickendorf

Hufe 8: Der Bio-Betrieb Hufe8 im mecklenburgischen Selow ist spezialisiert auf Freilandhühnerhaltung mit mobilen Ställen. Außer Legehennen hält der Ökobetrieb auch Tiere für die Fleischproduktion (Suppenhuhn und Hähnchen). In Berlin zu beziehen über: Biolüske Drakestr. 50, Lichterfelde und alle 34 Berliner Denn’s-Biomärkte sowie die meisten der 45 Märkte der Kette Bio-Company.

Gut Hesterberg: Der Betrieb bei Neuruppin ist auf Tierhaltung und hofeigene Fleisch- und Wurstproduktion spezialisiert. Geschäftsführerin Karoline Hesterberg hält aber auch Freilandhühner. Ihre 1000 Legehennen leben auf Kräuterwiesen mit mobilem Hühnerstall. Die Eier sind in Berlin erhältlich in Filialen von „Gut Hesterberg“ Steglitzer Damm 88, Steglitz, Rudower Chaussee 12, Adlershof, Rathaus-Center, Breite Str. 20, Pankow und in den Filialen von Edeka Gayermann, Barnetstr. 41-42 und Daimlerstr. 91-95, beide Lichtenrade.

Ökodorf Brodowin: Der Demeter-Betrieb in der Schorfheide in Brandenburg steht für biodynamische Landwirtschaft. Auch hier leben die rund 1600 Legehennen in mobilen Ställen auf der Wiese. Es werden auch Hähne gehalten. Brodowin hat einen Lieferservice und mehrere Stützpunkte in Berlin (brodowin.de). Erhältlich sind die Bio-Eier in Berliner Alnatura-Märkten als Viererpack unter der Hausmarke „Alnatura Origin“.

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