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Gesundheit: @potheke www ? Immer häufiger werden Medikamente im Internet angeboten

Wer sich ernsthaft krank fühlt, geht zum Arzt. Der untersucht und befragt, verschreibt gegebenenfalls ein Medikament und gibt genaue Anweisungen zu dessen Einnahme.

Wer sich ernsthaft krank fühlt, geht zum Arzt. Der untersucht und befragt, verschreibt gegebenenfalls ein Medikament und gibt genaue Anweisungen zu dessen Einnahme. Handelt es sich um eine leichtere Befindlichkeitsstörung, lästig, aber nicht besorgniserregend, besteht die Alternative in einem Gang zur Apotheke. Dort kann dem von Husten, Kopfschmerzen oder Verdauungsstörungen Geplagten im ersten Anlauf mit fachkundiger Beratung und vielleicht auch mit einem apothekenpflichtigen Präparat geholfen werden.

Mittlerweile gibt es eine weitere Möglichkeit, um an Medikamente zu kommen: Das Internet macht es möglich, Arzneimittel von zu Hause aus zu bestellen - und bringt damit zahlreiche Risiken aufs Tableau.

In die Apotheke und zum Arzt muss man sich eigens begeben, wie schon der Lyriker Eugen Roth erkannte: "Der Hausarzt kommt nicht mehr wie früher. Du bist ein Selbst-dich-hin-Bemüher". Und man muss sich entschließen, dort über die eigenen Beschwerden zu sprechen. Die Versuchung, diese Hürden zu umgehen, ist vor allem dann groß, wenn es um die modische Gruppe der sogenannten Lifestyle-Präparate geht: Vor allem Xenical als Diät-Hilfe und Viagra als Potenzmittel machten hier in letzter Zeit von sich Reden. Nicht nur sie sind verschreibungspflichtige Mittel, die zu ernsten Nebenwirkungen führen können, vor allem wenn gleichzeitig Grunderkrankungen bestehen oder andere Medikamente eingenommen werden. Doch vielen ist es peinlich, mit einem Arzt zu besprechen, dass und warum sie ein solches Arzneimittel gerne hätten.

Der Pharmakologe Keppel Hesselink von der Universität Witten-Herdecke machte seine Mediziner-Kollegen (in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift, Band 124, S. 707 - 710) jüngst darauf aufmerksam, dass immer mehr Web-Sites mit schönen Titeln wie "magical medicines" auch für "Wundermittel" gegen das Altern werben. Sie werden als "Smart drugs" für "pfiffige" Konsumenten angepriesen: Da wird für Medikamente aus der Gruppe der sogenannten Nootropika geworben, die bei Hirnleistungstörungen vielleicht wirksam sind, deren Nutzen für Gesunde jedoch nicht erwiesen ist. Psychopharmaka und Hormone sollen ebenfalls die geistige Leistungsfähigkeit und allgemeine Fitness erhöhen, üblicherweise gegen hohen Blutdruck eingesetzte Betablocker oder das im Sport als Dopingmittel verwendete Clenbuterol werden für die gleiche Zielsetzung angepriesen. Sogar der giftige Extrakt aus dem Kraut Artemisia absinthium, der einst bei Künstlern beliebt war und vermutlich Vincent van Goghs Psychose auslöste, kann nach Eingabe der Kreditkartennummer problemlos bestellt werden.

Außer für die Gesundheit sieht Rainer Bienfait, erster Vorsitzender des Berliner Apotheker-Vereins, hier auch Probleme für den Geldbeutel und den Datenschutz des Kunden, der einem Website-Anbieter vertraut. Darüber hinaus bleibt die Frage, ob das Produkt jemals ankommt und ob die Packung nicht statt Viagra nur "blaugefärbten Traubenzucker" enthält; ob die gesetzlich vorgeschriebene Original-Packungsbeilage vorhanden und das Verfallsdatum noch nicht überschritten ist.

Den Anbieter dingfest zu machen, wenn etwas nicht stimmt, ist ausgesprochen schwer. "Nicht selten residieren die Täter in Übersee, etwa in der Karibik, und bleiben meistens unerkannt", warnt der Bundesfachverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) in einem neuen Merkblatt. Nationale Gesetze seien hier stumpfe Waffen, der Zoll hoffnungslos überfordert.

Verdächtig sind nach Auskunft von Dagmar Walluf-Blume vom BPI vor allem Angebote zu Dumping-Preisen. "Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" bleibt also auch im Internet-Zeitalter eine vernünftige Devise. "Ich kann nur immer wieder dazu auffordern, dass die Kunden meine Kollegen und mich fordern, denn wir sind dafür ausgebildet" sagt Bienfait.

Das Informations-Angebot gilt auch für die nicht rezeptpflichtigen Medikamente, also den Bereich, der in der Apotheker-Fachsprache als "Handverkauf" bezeichnet wird. Allerdings hält der Inhaber einer Moabiter Apotheke die Fachinformation dann für eine "Holschuld" der Patienten: Es muss für den Apotheker erkennbar sein, dass der Kunde Beratung wünscht. Aufdrängen will man sich nicht.

Geht es um ein kniffliges Problem, muss der studierte Pharmazeut im Einzelfall vielleicht erst "ein bisschen buddeln gehen". Aber er kann die Telefonummer notieren und den Fragesteller später anrufen. Ein Kunde, der mit der fachlichen Betreuung nicht zufrieden ist, sollte nach Bienfaits Ansicht die Apotheke wechseln.

Generell stehen die Apotheker dem Medium Internet keineswegs ablehnend gegenüber. Es bietet wertvolle Gesundheitsinformationen für Laien und eine Plattform für die Kommunikation innerhalb des Berufsstandes. Die Pharmazeuten nutzen es selbst zum Beispiel in Form der "Medikamentenbörse", die den 21 500 deutschen Apotheken die Möglichkeit verschafft, sich gegenseitig einzelne Posten Arzneimittel, die vor dem Verfallsdatum stehen, zu günstigen Preisen abzugeben. Zahlreiche Apotheker bieten außerdem inzwischen Kundenberatung per E-mail. Wer im Verkaufsraum Hemmungen hat, über eigene Gesundheitsprobleme zu sprechen, kann den Computer als diskretes Medium nutzen, ohne auf die Fachkenntnisse des Apothekers verzichten zu müssen.

Adelheid Müller-Lissner

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