zum Hauptinhalt

Gesundheit: Mach mich nass!

Es bringt den Kreislauf in Schwung. Es härtet den Körper ab. Wie man mit Wasser heilen kann

Wasser, Wassertreten, Barfußlaufen im taunassen Gras. Und Güsse: Rückengüsse, Kniegüsse, Schenkelgüsse, Oberkörpergüsse – das fällt uns wohl als erstes ein, wenn wir das Wort „Kneipp“ hören. Vielleicht verbindet der eine oder andere das Wort aber auch mit einer Kur, der Wassertherapie im Rahmen eines Aufenthalts im Kurbad.

Zum Beispiel im bayrischen Bad Wörishofen. Dort wurde Sebastian Kneipp im Jahr 1881, mit fast 60 Jahren, als katholischer Pfarrer tätig. Der Sohn eines armen Landwebers hatte sich sein Studium unter Mühen erkämpfen müssen. Zur Heilkunde kam er unverhofft durch eine lebensgefährliche Lungenkrankheit in jungen Jahren. Ein Büchlein über Wassertherapie hat ihm nach eigenem Bekunden geholfen, als er „schon am Rande des Grabes“ stand. Während des Priesterseminars soll er sich immer wieder kalte Güsse verabreicht haben, und im Winter soll er sogar in die eiskalte Donau gestiegen sein. Nicht verwunderlich, dass die dritte Assoziation, die der Name Kneipp unfehlbar wachruft, „Abhärtung“ heißt.

Was die Hydrotherapie betrifft, so war der Pfarrer kein Pionier. Wasser ist wahrscheinlich das älteste Heilmittel, das die Menschheit kennt. In Misskredit geriet es zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch die brutalen „Blitzbehandlungen“ des Vinzenz Prießnitz, der Patienten auf Liegen geschnallt haben soll, um dann aus sechs Metern Höhe eiskaltes Wasser auf sie gießen zu lassen. Neu an Kneipp war, dass er kaltes Wasser als Reiz nutzte, nicht als Mittel zur Schocktherapie.

Bernhard Uehleke von der Abteilung für Naturheilkunde am Immanuel-Krankenhaus hat die Methode in Bad Wörishofen von der Pike auf erlernt. Der Mediziner empfiehlt kalte Güsse als einfaches, zeitsparendes Mittel zur Abhärtung gegen den psychischen Alltags-Stress. Statt eines Schlauchs tue es auch der Duschkopf, mit dem man kurz vom Fuß den Unterschenkel entlang bis etwas über das Knie und wieder zurück fährt. „Das reicht als regelmäßiger Stressreiz aus.“

Das nasse Element hat den großen Vorteil, dass hier leicht mit Temperatur gearbeitet werden kann. Aber auch Lehm, Kartoffelbrei oder Heublumenauflagen werden in der Kneipp-Therapie benutzt, um „thermische Reize“ zu setzen. Heißes Wasser erweitert die oberflächlichen Blutgefäße, führt also zu besserer Durchblutung von Haut und Muskeln. Es kommt zum Beispiel bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises zum Einsatz, und es tut gut, wenn man schon eine Erkältung hat. Kaltes Wasser vermindert zunächst die Durchblutung der Haut, kann aber den Kreislauf anregen und das Immunsystem stärken. Der Kältereiz ist vor allem etwas für Gesunde, die Krankheiten vorbeugen wollen.

Die wichtigsten Methoden der Hydrotherapie sind:

Waschungen mit grobem Leintuch, das in kaltes Wasser getaucht wird, als Abhärtungstraining und zur Durchblutungsförderung.

Wickel, Packungen und Auflagen, die kalt oder heiß sein können und meist ganz entspannt im Liegen genossen werden. „Packung“ wird übrigens ein Wickel genannt, der mehr als die Hälfte des Körpers einhüllt.

Güsse mit dem Schlauch, die immer von der Peripherie zum Körperzentrum führen. „Das Wasser soll beim Guss die Haut nicht bespritzen, sondern in einem Wassermantel weich umspülen“, erläutert der Naturheilkunde-Spezialist Volker Schmiedel.

Bäder bei verschiedenen Temperaturen, mit oder ohne Badezusätze. Warme und ansteigende Bäder werden meist mit einer kalten Abgießung beendet.

Dämpfe, meist Kopfdampfbäder zum Inhalieren bei Erkältungen.

Über hundert Anwendungen gehören zum klassischen Repertoire. Ob der durch sie gesetzte Reiz als mild, mittelstark oder stark eingestuft wird, hängt von der Größe der behandelten Körperregion, von der Dauer der Anwendung und natürlich auch von der Temperatur ab. Die klassischen kalten Kniegüsse und das Wassertreten gelten als milde Reize, eine Packung für den ganzen Körper, die länger liegen bleibt, oder ein Dampfbad sind dagegen starke Reize.

Dazu kommt heute als beliebte Therapiemaßnahme die Bewegung im Wasser, die zwei Säulen des Kneippschen Systems verbindet: Wenn der Mensch sich im Wasser statt an Land bewegt, entlastet das die Gelenke. Der Widerstand des Wassers ist zudem ein gutes Trainingselement. Und zur Aqua-Gymnastik muss man heute nicht einmal mehr in ein Kurbad fahren.

Die Kur bietet allerdings die Chance, den ganzen Kneipp zu erleben: Ernährung, Bewegung, Heilpflanzen und Ordnungstherapie (siehe Text unten links) sind schließlich weitere wichtige Säulen des Kneipp’schen Vorbeugungs- und Behandlungssystems.

Dessen Erfinder erklärt in seinem Traktat „So sollt Ihr leben“: „Neben den fortgesetzten Wasseranwendungen war es die Art und Weise, wie ich mich nähre, wie ich wohne, schlafe und mich kleide, was mir meine vortreffliche Gesundheit bereits durch mehr als 40 Jahre erhalten hat.“ Dass der ganzheitlich denkende Seelsorger sich folglich auch als Gesundheitspfleger der ihm anvertrauten Schäfchen betätigte, führte in der Wörishofener Zeit allerdings immer wieder zu gerichtlichen Klagen von Ärzten.

Adelheid Müller-Lissner

Zur Startseite