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Die Zellatmung Muskel-, Nerven- oder Sinneszellen könnten ohne sie nicht leben: Mitochondrien sind die Kraftwerke der Zelle. Aus mit dem Blut aufgenommenen Sauer- und Nährstoffen produzieren sie den Energieträger Adenosintriphosphat (ATP). Dabei bilden sich jedoch auch Abfallprodukte, sogenannte Freie Radikale, also aggressive Moleküle, die Erbgut und Zelle schädigen.

© René Reinheckel

Gesund Leben: Gesundes altern kann man steuern

Jeder möchte lange leben, aber keiner möchte alt werden, schrieb Jonathan Swift. Und das geht! Wie, verrät Altersforscher Andreas Birkenfeld im Interview.

Herr Birkenfeld, wir alle haben eine Vorstellung vom Alter: In die Haut graben sich Falten, das Treppensteigen wirdzur Herausforderung und auch das Gedächtnis funktioniert nicht mehr so, wie es soll. Das sind aber nur die sichtbaren Alterszeichen.  Was passiert eigentlich in unserem Körper, wenn wir alt werden?

Nach all meinen Jahren in der Forschung bin ich immer noch fasziniert von dem Wunderwerk des menschlichen Körpers. Um seinen Alterungsprozess zu verstehen, müssen wir uns den Stoffwechsel anschauen. Die Mitochondrien - das sind sozusagen die Kraftwerke der Zellen - produzieren das Molekül Adenosintriphosphat, kurz ATP, um den Organismus mit Energie zu versorgen. ATP ist der wichtigste Energieträger unseres Körpers. In den Mitochondrien entstehen bei der Energiegewinnung aber auch Abfallprodukte, sogenannte freie Radikale, das sind aggressive Moleküle, die durch chemische Reaktionen (Vorschlag) das Erbgut und andere wichtige Strukturen der Zellen schädigen können. Ein junger Körper kann solche Schäden an der DNA noch gut reparieren. Mit der Zeit werden jedoch auch die Reparaturmechanismen von den freien Radikalen angegriffen. Hinzu kommt ein weiterer Mechanismus, der die Zellen altern lässt: die fortschreitende Verkürzung der Telomere - das sind die Enden der Chromosomen, die beispielsweise verhindern, dass sich die DNS-Spirale aufdröselt. Bei jeder Zellteilung verkürzen sich die Telomere, so lange, bis sich die Zelle nicht mehr teilen kann - und stirbt. Je mehr Zellen davon betroffen sind, desto stärker ist die Zellteilung und damit die Regenerationsfähigkeit des Menschen beeinträchtigt. Schädigende freie Radikale, sich verkürzende Telomere und sicher auch noch andere Vorgänge führen also dazu, dass die Zellen, Gefäße und Organe unseres Körpers immer schlechter ihren Job erledigen. Und das können wir ganz direkt am eigenen Leib als Alterung wahrnehmen: Das Hautbild verschlechtert sich, wir sind weniger leistungsfähig oder wir werden sogar ernsthaft krank.

Andreas Birkenfeld übernahm im September 2014 die Professur für Metabolisch Vaskuläre Medizin in der Medizinischen Klinik und Poliklinik III am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden und ist berufener Professor am Londoner King's College. Im Jahr 2015 erhielt er den Ferdinand-Bertram-Preis der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) für „herausragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Fachgebiet der Diabetologie“.
Andreas Birkenfeld übernahm im September 2014 die Professur für Metabolisch Vaskuläre Medizin in der Medizinischen Klinik und Poliklinik III am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden und ist berufener Professor am Londoner King's College. Im Jahr 2015 erhielt er den Ferdinand-Bertram-Preis der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) für „herausragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Fachgebiet der Diabetologie“.

© ADA/Matt Herp 2014

Allerdings scheint die Evolution sehr unterschiedliche Lebensspannen hervorgebracht zu haben - eine Fruchtfliege erlebt gerade mal den nächsten Tag, während andere Lebewesen geradezu biblische Zeitspannen erreichen ...

Aus solchen Unterschieden versuchen wir mit der vergleichenden Biologie zu lernen. Mäuse werden beispielsweise nur drei Jahre alt, Rhesusaffen bis zu 30 Jahre, die Langlebige Kiefer rund 5000 Jahre und einige Schwämme sogar 10 000 Jahre alt. Die Lebensdauer scheint dabei vor allem von der Intensität des Stoffwechsels abzuhängen. Das Herz einer Maus schlägt 500 bis 600 Mal pro Minute - dementsprechend schnell muss ihr Stoffwechsel sein, um den Körper mit Energie zu versorgen. Je höher jedoch der Energieumsatz ist, desto mehr freie Radikale entstehen in den Mitochondrien und schädigen Zellen und Erbgut.

Wenn wir den Stoffwechsel also verlangsamen könnten, würden wir das Leben verlängern?

Zumindest in Tierversuchen konnten wir einen lebensverlängernden Effekt nachweisen. Eng verbunden mit der Stoffwechselaktivität ist die Kalorienzufuhr. Bei nahezu allen Lebewesen - von Hefebakterien über Spulwürmer, Mäuse und Affen - zeigt eine kalorische Restriktion, also eine verringerte Kalorienzufuhr, positive Effekte auf Lebenserwartung und Gesundheit. Setzt man Hefen beispielsweise auf Diät, leben sie drei Mal länger. Auch die Lebensspanne von Mäusen, die regelmäßig „fasten“, erhöht sich um 30 bis 50 Prozent. Affen schützt eine verringerte Kalorienzufuhr vor Diabetes, Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zudem vermuten Forscher ebenfalls einen lebensverlängernden Effekt.

Und beim Menschen?

Beim Menschen sind solche Effekte natürlich viel schwerer nachzuweisen, da wir Menschen ja nicht einfach hungern lassen können und auch die Lebensumstände, also beispielsweise die berufliche oder soziale Situation, einen bedeutenden Einfluss auf die Gesundheit haben. Eine jüngst veröffentlichte Studie scheint aber auch beim Menschen positive Effekte einer kalorischen Restriktion zu belegen. Die Forscher der „Calorie Study Group“ teilten 188 Probanden in zwei Gruppen auf. 117 Patienten bekamen eine Diät, die ein Viertel weniger Kalorien enthielt, als sie normalerweise zu sich genommen hätten. Die Kontrollgruppe mit 71 Probanden konnte hingegen ohne Beschränkungen essen. Nach zwei Jahren zeigte sich in der Diät-Gruppe nicht nur ein deutlicher Gewichtsverlust von durchschnittlich acht Kilo. Auch die Indikatoren für ein metabolisches Syndrom wie die Cholesterinwerte und die Insulinresistenz verbesserten sich im Vergleich zur Kontrollgruppe. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich bei Menschen, die an fünf Tagen pro Monat nur 1000 Kcal zu sich nahmen. Nach drei Monaten verbesserten sich bereits eine Vielzahl von Biomarkern, die Aufschluss über die Gesundheit geben.

Das vollständige Interview finden Sie im Magazin für Medizin und Gesundheit in Berlin: "Tagesspiegel Gesund - Fit und gelassen älter werden".

Weitere Themen der Ausgabe: Was die Biologie sagt. Ein Altersforscher erklärt, warum und wie sich der Körper im Laufe des Lebens verändert. Jungbrunnen. Welche Lebensmittel lange fit halten. Fit für die Enkel. Sport im Verein macht Spaß und stärkt das Familienleben. Sex im Alter. Auch mit 70 oder 80 wollen Menschen nicht auf die Lust verzichten. Die Kraft der Pflanzen. Helfen Gingko, grüner Tee oder Ginseng gegen Altersbeschwerden? Kaufberatung. Welche Sehhilfen und Hörgeräte sich wann wirklich lohnen. Den Notruf wählen. Trotz Gebrechen sicher zu Hause. Helfer ja, Pfleger nein! Wie nützlich können Roboter sein. Heilkunde für das Altern. Geriater - die Spezialisten für Senioren. Immer schlau bleiben. Wirkungsvolles Training für das Gehirn. Grauer Star. Wie die trübe Linse wieder klar wird. Schwache Knochen. Osteoporose ist behandelbar. Diabetes. Was gegen den Zucker hilft. Gefährlicher Cocktail. Zu viele Arzneien schaden. Raus aus dem Dunkel. Wie man der Depression entkommt. Außerdem: Kliniken und Arztpraxen im Vergleich. "Tagesspiegel Gesund" - Jetzt bei uns im Shop

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