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Arztbrief: Magen-Darm-Infektionen

Unsere Expertin Beatrix Schmidt ist Chefärztin der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am St. Joseph Krankenhaus Berlin-Tempelhof. Die Klinik ist das von den niedergelassenen Kinderärzten Berlins für die stationäre Behandlung eines Magen-Darm-Infektes im Kindes- und Jugendalter am häufigsten empfohlene Krankenhaus (Ärzteumfrage 2015 von Tagesspiegel und Gesundheitsstadt Berlin). 

Erklärung Magen und Darm gehören zu den zentralen Verdauungsorganen: Durch die Magensäfte wird die Nahrung aufgeweicht und mithilfe von körpereigenen Stoffen, sogenannten Enzymen, in die lebensnotwendigen Nährstoffe - Kohlenhydrate, Proteine, Fette, Mineralien und Vitamine - zerlegt. Über den Darm gelangen sie in den Blutkreislauf. Auch das in der Nahrung enthaltene Wasser erreicht so die Blutbahn, bevor die Verdauungsreste ausgeschieden werden.

Gelangen jedoch Krankheitserreger in den Magen-Darm-Trakt, können sie die Nahrungsaufnahme und Verdauung erheblich beeinträchtigen. „Aufgrund von starkem Durchfall und Erbrechen kann es zu großem Wasserverlust bei den Betroffenen kommen“, sagt Beatrix Schmidt, Chefärztin der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin im St. Joseph Krankenhaus in Tempelhof. „Dadurch drohen die Patienten von innen auszutrocknen.“ Und weil Säuglinge sowie Kinder über geringere Reservekapazitäten verfügen als Erwachsene, ist die Gefahr einer solchen sogenannten Dehydratation bei ihnen größer und kann sogar lebensbedrohlich sein.

Magen-Darm-Infektionen sind eine der häufigsten Kinderkrankheiten überhaupt, weil die Kleinen häufig in Kontakt mit Erregern gelangen und dabei einige Immunfunktionen erst noch erwerben.

Unter anderem im Magen (1)wird die Nahrung zersetzt. Lebensnotwendige Nährstoffe gelangen vor allem über den Dünndarm (2) in den Blutkreislauf. Im Dickdarm (3) wird der Darminhalt durch Wasserentzug immer fester und geformt. Erreger wie Rotaviren oder Salmonellen schädigen die Darmschleimhaut, die sich unter anderem mit einer vermehrten Wasser- und Schleimabsonderung wehrt. Das Ergebnis ist Durchfall.
Unter anderem im Magen (1)wird die Nahrung zersetzt. Lebensnotwendige Nährstoffe gelangen vor allem über den Dünndarm (2) in den Blutkreislauf. Im Dickdarm (3) wird der Darminhalt durch Wasserentzug immer fester und geformt. Erreger wie Rotaviren oder Salmonellen schädigen die Darmschleimhaut, die sich unter anderem mit einer vermehrten Wasser- und Schleimabsonderung wehrt. Das Ergebnis ist Durchfall.

© Fabian Bartel

Symptome Die Betroffenen leiden häufig an Appetitlosigkeit, Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfällen. Die Durchfälle können wässrig, blutig oder schleimig sein und von anhaltenden Blähungen begleitet werden. Auch Fieber kann auftreten. „Je jünger ein Kind ist, desto schneller trocknet dessen Körper durch einen Wasser- und Elektrolytverlust aus“, sagt Kinderärztin Schmidt. Anzeichen dafür, dass eine Austrocknung droht, seien unter anderem ein spärlicher, dunkel gefärbter Urin und trockene Schleimhäute sowie Müdigkeit, Trägheit und Apathie. Durch den Flüssigkeitsverlust verliert auch die Haut an Spannkraft, sodass sie nach einem leichten Kneifen in Falten stehen bleibt. Spätestens in diesem Fall raten Experten, mit dem Kind unverzüglich einen Arzt aufzusuchen.

Ursachen „Magen-Darm-Infektionen werden meist durch Viren wie Rota-, Noro- oder Adenoviren hervorgerufen“, sagt Chefärztin Schmidt. Das Rotavirus gilt weltweit als die häufigste Ursache, zumal es sehr leicht übertragen wird: Die Verbreitung erfolgt dabei von Kind zu Kind über verschmutzte Hände oder Gegenstände, aber auch durch verunreinigtes Wasser oder Lebensmittel. Bereits geringe Virusmengen reichen für eine lnfektion aus, daher steht seit 2006 eine Impfung zur Verfügung.

Noroviren, die hierzulande am zweithäufigsten hinter der Infektion stecken, sind besonders aggressiv: Sie machen sich durch heftiges Erbrechen und starke Durchfälle bemerkbar.

Auch Bakterien oder Parasiten können die Erkrankung auslösen, doch das sei in unseren Breiten eher seltener der Fall, sagt Schmidt. Allerdings verursachen Bakterien wie Salmonellen und Campylobacter auch in Europa besonders schwere Krankheitsverläufe.

Salmonellen führen besonders im Spätsommer zu Magen-Darm-Infektionen. Sie stecken oft in verdorbenen Eierspeisen oder in Geflügelfleisch.

In Ländern mit niedrigeren Hygienestandards ist das Spektrum möglicher Erreger weitaus größer und damit auch die Anzahl schwerer Magen-Darm-Erkrankungen wie Cholera und Typhus.

Die den Magen-Darm-Trakt schädigenden Keime gelangen meist mit verunreinigter Nahrung in den Körper und werden normalerweise im Magen vom sauren Magensaft abgetötet. Bei einer sehr großen Keimanzahl allerdings überleben einige und gelangen in den Darm. Dort besiedeln und schädigen sie die Zellen der Darmschleimhaut. Diese wehrt sich, indem sie vermehrt Wasser und Schleim in den Darm absondert. Da die Krankheitserreger gleichzeitig die Wasseraufnahme der Schleimhaut hemmen, kommt es zum Durchfall. Zusätzlich greifen manche Erreger die Zellen der Darmwand an und zerstören sie, was zu Blutungen und Geschwüren führen kann.

Diagnose Der Flüssigkeitsverlust durch Erbrechen und Durchfälle wirkt sich bei Säuglingen und Kindern besonders heftig auf den Körper aus. Daher bedürfen sie bei Verdacht auf eine Magen-Darm-Infektion früh ärztlicher Hilfe. „Vor allem wenn Durchfall, Erbrechen und Fieber gemeinsam auftreten oder das Kind noch sehr klein, also unter einem Jahr alt ist, sollte man unverzüglich einen Arzt aufsuchen“, sagt Schmidt. Die Diagnose einer Magen-Darm-Infektion geschieht hauptsächlich anhand der Krankengeschichte und einer körperlichen Untersuchung. Weitere Untersuchungen wie die des Bluts, Stuhls oder Urins sind nur in schweren Fällen notwendig, etwa wenn die Durchfälle sehr lange anhalten oder von hohem Fieber begleitet werden. Im Krankenhaus werden diese Untersuchungen auf jeden Fall durchgeführt.

Therapie Während einer Magen-Darm-Infektion ist es vor allem bei Säuglingen und Kindern besonders wichtig, den Wasser- und Elektrolytverlust des Körpers auszugleichen, um einer Dehydratation entgegenzuwirken. Bettruhe und Schonkost wie zum Beispiel Zwieback oder Knäckebrot werden von Fachleuten seit Jahren nur dann empfohlen, wenn erkrankte Kinder selbst danach verlangen - andernfalls können sie essen, was sie mögen. Eine medikamentöse Therapie ist meist nicht notwendig. Zur Behandlung von schwerem Durchfall empfiehlt die Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie das Medikament Racecadotril. Arzneimittel lindern häufig nur die Symptome, beseitigen aber nicht die Ursache der Erkrankung. „Daher sollte ein Kind, wenn es nur noch leicht oder gar nicht mehr erbricht, viel trinken“, sagt Schmidt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt für das Getränk, das den Elektrolytverlust ausgleichen soll, folgende Rezeptur: vier gestrichene Teelöffel Zucker, einen Dreiviertelteelöffel Salz, einen Teelöffel Bikarbonat und einen Becher Orangensaft auf einen Liter Wasser. Wird das erkrankte Kind noch mit der Flasche ernährt, sollte es unverdünnte Säuglingsmilch erhalten. Säuglinge, die gestillt werden, sollten auch während des Magen-Darm-Infekts weiter mit Muttermilch ernährt werden.

Hält das Erbrechen allerdings an, sodass das Kind keine Flüssigkeit aufnehmen oder behalten kann, sollten die Eltern auf jeden Fall mit ihm zum Arzt gehen, möglicherweise ist dann auch eine stationäre Behandlung im Krankenhaus nötig. Medikamente wie etwa Mittel gegen Durchfall sollte das erkrankte Kind nur nach Absprache mit einem Arzt erhalten, da sich diese in einigen Fällen negativ auf den Krankheitsverlauf auswirken können: Antibiotika zum Beispiel töten nicht nur die Krankheitserreger ab, sondern auch die schützende Darmflora, wodurch sich die Infektion noch verstärken kann. Daher werden sie nur in Ausnahmefällen verschrieben, etwa bei Säuglingen in den ersten drei Lebensmonaten oder bei Frühgeborenen. Auch Durchfallmedikamente, die den Stuhl festigen, verlängern häufig die Erkrankung, da sie die Ausscheidung der Krankheitserreger aus dem Körper verzögern.

Prävention „Das eine Wundermittel, das akute Magen-Darm-Infektionen schnell heilt, wird es voraussichtlich in nächster Zeit nicht geben“, sagt Kinderärztin Schmidt. Doch es muss gar nicht so weit kommen. Bereits einfache hygienische Maßnahmen wie Händewaschen nach einem Toilettengang und vor jedem Essen helfen, um einer Ansteckung effizient vorzubeugen. Außerdem gibt es seit 2006 zwei Impfstoffe gegen Rotaviren, um einem schweren Krankheitsverlauf zumindest durch diese Erreger vorzubeugen: Die Schluckimpfung umfasst je nach Impfstoff zwei oder drei Einzeldosen. Sie kann ab der vollendeten sechsten Lebenswoche gegeben werden und sollte laut Empfehlung der Ständigen Impfkommission des Robert Koch-Instituts bis zur 22. Lebenswoche abgeschlossen sein.

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