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Arztbrief: Knochenbrüche

Unser Experte Henning Giest ist Chefarzt der Kinderchirurgie und -urologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin-Tempelhof. Die Klinik ist das von niedergelassenen Kinderärzten Berlins für die stationäre Versorgung eines Bruches bei Kindern am häufigsten empfohlene Krankenhaus (Ärzteumfrage 2015 von Tagesspiegel und Gesundheitsstadt Berlin).

ERKLÄRUNG Vom kleinen Zeh bis hin zum Schädel stützen rund 200 Knochen den menschlichen Körper, geben ihm seine Form und Haltung. Werden diese Stützstreben jedoch beim Sport oder einem Unfall zu stark belastet, können sie brechen. Bricht der Knochen dabei in nur zwei Teile mit glatten Bruchflächen, sprechen Ärzte von einem einfachen Bruch. Zerbirst er in mehrere Teile, wird dies Splitter- oder Trümmerfraktur genannt. Bei offenen Brüchen verschiebt sich der Knochen so stark, dass er durch das umgebende Gewebe und die Haut eine offene Wunde reißt und oft aus ihr hervortritt.

Unfallstatistiken zeigen, dass jeder Vierte bis zum 18. Lebensjahr mindestens einen Knochenbruch erlitten hat. Damit liegt die Zahl der Frakturen deutlich höher als bei Erwachsenen. Allerdings müssen junge Patienten sehr viel seltener deswegen operiert werden. Rund 43 000 Kinder unter 15 Jahren werden jährlich wegen eines Knochenbruches im Krankenhaus behandelt, weitaus am häufigsten wegen einer Fraktur des Unterarms.

Am häufigsten kamen Kinder unter 15 Jahren mit einem Bruch des Unterarms (1) in die Klinik, gefolgt von einem Bruch des Oberarms (2) oder der Schulter (3). Auf Platz 3 der Therapieanlässe: eine Fraktur des Unterschenkels (4) oder Sprungelenks (5).
Am häufigsten kamen Kinder unter 15 Jahren mit einem Bruch des Unterarms (1) in die Klinik, gefolgt von einem Bruch des Oberarms (2) oder der Schulter (3). Auf Platz 3 der Therapieanlässe: eine Fraktur des Unterschenkels (4) oder Sprungelenks (5).

© Fabian Bartel

SYMPTOME Die Symptome einer Fraktur sind meist eindeutig: Oft ist ein vernehmbares Knacken zu hören - das Wort Knochen ist vermutlich eine lautmalerische Ableitung von diesem Geräusch. Die betroffene Stelle schmerzt sofort und anhaltend, der Körperteil kann nicht mehr belastet werden. Ist beispielsweise das Sprunggelenk gebrochen, ist der Verunglückte nicht mehr in der Lage, mit diesem Fuß ohne Schmerzen aufzutreten. Brüche in den Extremitäten zeigen sich oft durch Fehlstellungen wie einen geknickten Unterarmen oder ein verformtes Bein.

Das aus dem Inneren des gebrochenen Knochens austretende Blut lässt das umliegende Gewebe möglicherweise auch stärker anschwellen. Später kann sich auch Gewebswasser, also die Lymphflüssigkeit, zu einem Ödem ansammeln.

URSACHEN Die häufigsten Ursachen sind Verdrehungen der Gliedmaßen oder eine äußere Gewalteinwirkung, etwa durch einen Sturz oder durch Traumatisierungen, wie sie beispielsweise bei bestimmten, heftiger ausgetragenen Mannschaftssportarten geschehen können. Je nach Alter und körperlicher Gesundheit haben die Knochen eine unterschiedliche Widerstandskraft gegen äußere Gewalt. Bei Kindern sind die Knochen noch recht elastisch. Unfälle führen bei ihnen deshalb oft zu einem sogenannten Grünholzbruch - hierbei verbiegt sich die Knochenhaut und nur das Innere bricht. „Wie bei einem frischen Zweig bleibt die Hülle an einer Seite intakt“, sagt Henning Giest, Chefarzt der Kinderchirurgie und -urologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof. Bei älteren Menschen hingegen entkalkt der Knochen langsam, wird spröde und splittert leichter. Ärzte bezeichnen diesen natürlichen Entkalkungsprozess als Osteoporose.

DIAGNOSE Ein Knochenbruch ist meist leicht von außen erkennbar, denn er hat klare Symptome. Bei Verdacht auf eine Fraktur röntgen Mediziner den betroffenen Körperteil. Denn Knochen sind auf Röntgenbildern gut erkennbar. Seltener kommen auch Computertomograf (CT), Magnetresonanztomograf (MRT) oder Ultraschall zum Einsatz.

THERAPIE „Eine kindgerechte Behandlung unterscheidet sich von der Therapie Erwachsener“, sagt Kinderchirurg Giest. Operationen sind da selten, denn einfache Brüche müssen nicht operiert werden. Die Selbstheilungskräfte und das Wachstum des Knochens sind noch stark und für die Heilung reicht es, die betroffenen Extremitäten ruhigzustellen, etwa mit einem Gipsverband oder einer Schiene. Den Rest macht der Organismus allein. Das gilt vor allem für Brüche, bei denen der Knochen nicht gesplittert oder verschoben ist und auch das Gelenk nicht betroffen ist.

Neben dem klassischen Gips nutzen Mediziner dafür auch alternativ Kunststoffverbände. Diese wiegen zwar weniger als der Gips, können beim Anlegen aber auch an der Unterseite Falten schlagen, die dann auf der darunterliegenden Haut Druckstellen und Reizungen verursachen können.

Offene Frakturen hingegen, bei denen auch das Muskel- und Bindegewebe verletzt wurde, oder in viele Teile zertrümmerte Knochen müssen operiert werden. Auch Verletzungen nahe der Wachstumszone instabile Brüche, bei denen die Knochen erneut zu verrutschen drohen, sollten operativ fixiert werden, sagt Giest. Chirurgen arbeiten sich dann an den Bruch heran und verbinden die geborstenen Stücke mit Platten, Schrauben, Nägeln. Das älteste und zugleich am häufigsten angewandte Verfahren ist aber die Fixierung der Bruchstücke mit Drähten aus Stahl oder Titan (sogenannte Kirschnerdrähte), die durch die Knochensplitter gebohrt werden und diese dann verbinden. Allerdings ist diese Fixierung nicht fest, sodass das betroffene Gliedmaß zusätzlich mit einem Gipsverband ruhig gestellt werden muss, bis die Splitter wieder zusammengewachsen sind.

Frakturen, die zwar operiert werden müssen, aber bei denen die Haut nicht beschädigt wurde, können oft auch minimalinvasiv, also über nur wenige kleine Öffnungen in der Haut behandelt werden. Die Vorteile bei diesem Verfahren sind die schnellere Heilung des Gewebes um den Knochen herum und kleinere Narben.

„Für eine kindgerechte Therapie kann es aber auch sinnvoll sein, selbst bei einfachen Brüchen zu operieren“, sagt Henning Giest. Denn die durch Metall fixierten Knochen könnten stärker belastet werden - und vor allem früher. Einen normalen Bruch, der eigentlich nicht operationspflichtig ist, stellt man in der Regel drei bis vier Wochen im Gips ruhig. „Der natürliche Bewegungsdrang eines Kindes widerstrebt aber so einer langen Ruhigstellung im Gips.“ Das halten Kinder kaum aus. Nach einer OP aber kann das Kind schon binnen weniger Tage wieder seinem Bewegungsdrang folgen. Und das ersetzt dann gleichzeitig eine Physiotherapie. „Der natürliche Bewegungsdrang ist die beste Nachsorge“, sagt Giest.

Die OP hat noch einen Vorteil: Röntgenkontrollen des Heilungsverlaufs - mit der entsprechenden Strahlenbelastung - können vermieden werden.

Nach dem der Bruch ausgeheilt ist, müssen die verwendeten Drähte und Schrauben allerdings wieder aus dem Körper entfernt werden, weil sie sonst das Knochenwachstum des Kindes stören könnten. Schrauben und Nägel müssen operativ entfernt werden, Drähte können ohne OP gezogen werden.

Die Redaktion des Magazins "Tagesspiegel Kliniken Berlin 2016" hat die Berliner Kliniken, die diese Erkrankung behandeln, verglichen. Dazu wurden die Behandlungszahlen, die Krankenhausempfehlungen der ambulanten Ärzte und die Patientenzufriedenheit in übersichtlichen Tabellen zusammengestellt, um den Patienten die Klinikwahl zu erleichtern. Das Magazin kostet 12,80 Euro und ist erhältlich im Tagesspiegel Shop.

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