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Arztbrief: Druckgeschwüre

Unser Experte Claas Ulrich ist Oberarzt an der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Charité. Gemeinsam mit Felix Kiecker leitet er außerdem das Hauttumorzentrum der Charité am Campus Mitte.

ERKLÄRUNG Ein Druckgeschwür kann entstehen, wenn Körperstellen zu lange einseitig belastet werden. Durch den ständigen Druck werden Haut und Gewebe nicht ausreichend durchblutet und sterben ab. Betroffen sind besonders ältere und bettlägerige Menschen, die sich nicht mehr selbst bewegen - etwa vom Rücken auf die Seite drehen - können. Wird der Dekubitus nicht rechtzeitig erkannt, können tiefe Wunden, schwere Infektionen mit Befall der Knochen oder Blutvergiftung die Folgen sein.

Ein Druckgeschwür (Dekubitus) wird in vier Schweregrade eingeteilt. Zuerst verfärbt sich die Haut bläulich (1). Beim zweiten Grad sind offene Stellen mit Abschürfungen erkennbar (2). Bei Grad drei ist auch das unter der Haut liegende Gewebe zerstört (3). Im vierten Grad sind Muskeln und Knochen betroffen (4).
Ein Druckgeschwür (Dekubitus) wird in vier Schweregrade eingeteilt. Zuerst verfärbt sich die Haut bläulich (1). Beim zweiten Grad sind offene Stellen mit Abschürfungen erkennbar (2). Bei Grad drei ist auch das unter der Haut liegende Gewebe zerstört (3). Im vierten Grad sind Muskeln und Knochen betroffen (4).

© Fabian Bartel

SYMPTOME Druckgeschwüre bereiten oft starke Schmerzen, die aber mit Medikamenten gelindert werden können. Ein Dekubitus wird in vier Schweregrade eingeteilt. „Je tiefer die Wunde, desto höher der Grad“, sagt Claas Ulrich, Dekubitusexperte und Leiter der Wundambulanz der Hautklinik am Charité Campus Mitte. „Jeder Dekubitus beginnt mit einer bläulichen Verfärbung der Haut.“ Bei Grad zwei ist eine offene Stelle mit Abschürfungen oder Blasenbildung erkennbar. In der dritten Stufe sind alle Hautschichten zerstört, auch das unter der Haut liegende Gewebe ist geschädigt oder abgestorben. In seiner stärksten Ausprägung sind auch Muskeln, Knochen und Sehnen zerstört.

URSACHEN „An einem Druckgeschwür erkranken vor allem Menschen, die im Bett liegen oder im Rollstuhl sitzen müssen“, sagt Wundexperte Ulrich. Die meisten sind älter als 75 Jahre. Besonders gefährdet sind Körperpartien, an denen Haut direkt auf Knochen liegt (Hinterkopf, Schulter, Ferse, Steißbein). Ist ein hochbetagter Mensch sehr schlank oder unterernährt, drücken Knochen auch von innen gegen besonders gefährdete Stellen. „Kurzfristig ist das kein Problem“, sag der Charité-Oberarzt. „Entscheidend ist die Dauer. Hält die Belastung zu lange an, kommt es zum ernsten Versorgungsmangel in der Haut.“

Rauchen und Medikamente wie Schmerzmittel sowie bereits vorhandene Durchblutungsstörungen begünstigen Druckgeschwüre. Oft sei auch eine schlechte Ernährung Mitursache, sagt Ulrich, weil dann wenig Nährstoffe durch das Blut transportiert werden. Aber älteren Menschen falle essen oft schwer. Hinzu kommt, dass bestimmte Stellen bei permanentem Liegen oder Sitzen ohnehin kaum durchblutet werden. Auch Inkontinenz könne Druckgeschwüre begünstigen. „Liegt ein Patient in einer Windel mit Urin und Stuhlgang und gelangen die Bakterien in die Haut, nimmt der Teufelskreis seinen Lauf.“

Ein Dekubitus gilt oft als Paradebeispiel für Pflegemängel. Für die gesetzlich vorgeschriebene Qualitätssicherung in Krankenhäusern wird ausgewertet, wie viele Patienten ein Druckgeschwür entwickelt haben - ein Hinweis darauf, dass sich die Pflegekräfte nicht ausreichend um den Patienten gekümmert haben. Ulrich aber warnt, man solle mit solchen Aussagen vorsichtig sein. „Viele Patienten liegen gern auf dem Rücken. Nachdem die Nachtschwester sie auf die Seite gelegt hat, drehen sie sich wieder zurück.“ Manchmal könne das Pflegepersonal die Entwicklung eines Dekubitus kaum verhindern.

DIAGNOSE Eine frühe Diagnose ist wichtig, damit die Gewebeschädigung nicht bis zu den Muskeln oder Knochen vordringt. Um ein Druckgeschwür festzustellen, untersucht der Arzt die Haut nach Rötungen und sichtbaren Wunden. Besonders diejenigen Stellen, die fürs Wundliegen gefährdet sind, werden betrachtet. Ein Druckgeschwür ist deutlich erkennbar. Verblasst die Haut beim Drücken nicht, handelt es sich um ein beginnendes Druckgeschwür, denn dann ist offenbar bereits die Blutversorgung der Hautoberfläche unterbunden.

THERAPIE „Hat man festgestellt, dass es sich um einen Dekubitus handelt, sollten die Ursachen ausgeschaltet werden.“ Im frühen Stadium kann der Dekubitus oft ohne Operation geheilt werden. Anstatt auf dem Rücken sollte der Patient abwechseln auf Seite und Bauch liegen. Manchmal hilft eine besondere Matratze. „Inzwischen setzt man Luftpolsterbetten mit elektrischem Wechseldrucksystem ein. Deren Kammern werden abwechselnd aufgepumpt, sodass regelmäßig unterschiedliche Körperstellen belastet werden“, sagt der Dekubitusexperte. Außerdem muss die betroffene Körperstelle gründlich gereinigt werden. Eine gute Ernährung ist ebenfalls wichtig. So kann sich die Haut erholen und wieder besser durchblutet und mit Nährstoffen versorgt werden.

Im vierten, fortgeschrittensten Stadium wird das Druckgeschwür auch mithilfe eines chirurgischen Eingriffs entfernt. Alternativ gibt es biochemische Methoden, etwa die Behandlung mit speziellen Enzymen.

PRÄVENTION Von einem Dekubitus sind häufig Dauerpflegepatienten, vor allem diejenigen mit Inkontinenz, betroffen. „Um dauerhaft vorzubeugen, sind eine optimale Lagerung, eine gründliche Hautpflege und ein gutes Ernährungskonzept notwendig“, sagt Claas Ulrich. Das sei aufwendig und zeitintensiv. Besonderes in der häuslichen Pflege älterer oder dementer Menschen seien diese Maßnahmen oft nur schwer umsetzbar. Eine einzige Maßnahme reiche nicht. „Eine spezielle Matratze allein kann ein Druckgeschwür nicht verhindern, wenn Hygiene und Ernährung schlecht sind.“

Die Redaktion des Magazins "Tagesspiegel Kliniken Berlin 2016" hat die Berliner Kliniken, die diese Erkrankung behandeln, verglichen. Dazu wurden die Behandlungszahlen, die Krankenhausempfehlungen der ambulanten Ärzte und die Patientenzufriedenheit in übersichtlichen Tabellen zusammengestellt, um den Patienten die Klinikwahl zu erleichtern. Das Magazin kostet 12,80 Euro und ist erhältlich im Tagesspiegel Shop.

Gwendolin Gurr

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