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Ein Ideal? Yoga wird oft als Wunderwaffe dargestellt. (Im Bild goldene Kate-Moss-Skulptur im British Museum.)

© pa/epa/Andy Rain

Yogakolumne: Eigentlich müsste ich Mutter Teresa und Supermodel sein

Der 50. Geburtstag! Seit 25 Jahren praktiziere ich Yoga – und bin doch immer Patricia geblieben. War alles für die Katz?

Ich kann es selbst kaum glauben: Yoga ist tatsächlich mein halbes Leben. Seit 25 Jahren praktiziere ich. Jetzt ist genau die richtige Zeit, Zwischenbilanz zu ziehen.

Was haben mir die vielen Jahre, die ich dem Yoga gewidmet habe, persönlich gebracht? Was konnte ich anderen geben? Hat mir Yoga wirklich durch die kleineren und größeren Krisen des Lebens geholfen? Inwieweit habe ich mich innerlich gewandelt? Ist es mir – zumindest manchmal – gelungen, andere so zu begleiten, dass sie aus sich heraus in ihre Kraft finden konnten? Ist das, was ich tue, tatsächlich sinnstiftend?

In den Medien wird Yoga immer wieder als Wunderwaffe dargestellt. Ich, die ich tagtäglich praktiziere und lehre, müsste demnach also Mutter Teresa, der Dalai Lama, Heidi Klum und der dm-Gründer Götz Werner in einer Person sein. Okay, sehe ich vielleicht so aus? Nein. Und ich bin auch nicht so. Egal, wie sehr ich mich in früheren Jahren bemüht habe, irgendeinem Ideal zu entsprechen – ich bin immer Patricia geblieben.

Genau wie damals, als ich 18 Jahre alt war, kriege ich noch heute alle drei Wochen einen Rappel und jogge wie wild um die Krumme Lanke. (Einmal um den Schlachtensee schaffe ich es übrigens – selbst nach 25 Jahren Yoga – beim besten Willen nicht!) Und ich kann mir einfach nicht abgewöhnen, jeden Morgen über zwei Stockwerke zu brüllen: „Los, ihr Warmduscher, aufstehen!“ Als wären meine beiden Söhne Mitglieder in einem SWAT-Team zur Bekämpfung von Bandenkriminalität.

Ein weiteres Beispiel? Ganz ehrlich, jedes Jahr im Herbst schmeiße ich etwa 100 grau angelaufene Schweizer Schokoladeneier in die Mülltonne, anstatt zu Ostern einfach mal nur so viele zu kaufen, wie man auch wirklich essen kann. Und als vor Kurzem eine meiner besten Mitarbeiterinnen ganz allein einen riesigen Studioumbau koordiniert hatte, fiel mir nichts Besseres ein, als zu bemängeln, dass auf der Terrasse fünf leere Apfelsinenkisten zwischengelagert wurden. Toll, Patricia.

Jetzt sitze ich hier und frage mich: War vielleicht alles für die Katz? Bin ich einfach nur ein beratungsresistenter Voll-Loser und verstehe gar nicht, worum es wirklich im Leben geht? Oder, das wäre womöglich weitaus schlimmer, liegt es am Yoga selbst? Ist es am Ende so, dass die gesamte Praxis maximal einen dürftigen Placeboeffekt hat?

Nein! Yoga bedeutet mir enorm viel, und es wirkt auch. Ich bin mir sicher, es meiner regelmäßigen Praxis zu verdanken, dass ich mit den Höhen und Tiefen des Lebens mittlerweile gelassener umgehen kann. Von Neidern und Kritikern lasse ich mich kaum einschüchtern. Ich weiß größtenteils, was ich tue und gehe relativ konsequent meinen Weg.

Obwohl ich über die Jahre ziemliche Krähenfüße bekommen habe, fühle ich mich wohl in meiner Haut. Ich kann heute seelenruhig zehn Minuten im Kopfstand stehen oder die Beine hinter dem Kopf verknoten. Einen tollen Mann an meiner Seite habe ich auch.

Natürlich bin ich manchmal müde. Dann beame ich mich im Traum nach Koh Samui oder Sylt. Trotzdem bin ich dankbar. Ich bin am richtigen Ort, umgeben von großartigen Menschen – und Yoga ist mein Leben.

Die Kolumnistin Patricia Thielemann ist Chefin von spirityoga.de und vertritt an dieser Stelle Katja Demirci. Am 25. September erscheint ihr Buch: „Spirit Yoga - Aufrecht, stark und klar im Leben“ (224 Seiten, Gütersloher Verlagshaus).

Patricia Thielemann

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