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Wegen der Corona-Pandemie arbeiten viele Menschen im Homeoffice.

© Sebastian Gollnow/dpa

Wie man mit der Corona-Isolation umgeht: „Nur Serien schauen macht unglücklich“

Ob in Quarantäne oder alleine im Homeoffice - die soziale Distanzierung fällt nicht jedem leicht. Doch es gibt Wege, gut mit der Isolation zu leben.

Um das Coronavirus einzudämmen, gilt momentan das Gebot: Abstand halten und bloß nicht zu nahe kommen. Immer mehr Infizierte sind in Quarantäne, Arbeitnehmer sitzen alleine zuhause im Homeoffice und Schulen sind geschlossen. Das sogenannte „Social Distancing“, übersetzt: Soziale Distanzierung, soll das Tempo der Virus-Ausbreitung verlangsamen. 

Die Einschränkung an sozialen Kontakten ist dringend notwendig, sagt Psychiater Manfred Spitzer. Denn noch immer steigen die Zahlen der Infizierten exponentiell. „Es ist jetzt an der Zeit, sein Verhalten zu ändern und es ernst zu nehmen“, sagt Spitzer. Für einige könnte die soziale Distanzierung problematisch sein, gerade für diejenigen mit psychischen Erkrankungen. Die Betroffenen müssten sich dann professionelle Hilfe holen.

Aber auch psychisch gesunde Menschen können laut Spitzer unter der Isolation leiden, etwa aufgrund einer verordneten Quarantäne. Doch es gibt Wege, mit der sozialen Distanzierung gut zu leben. Wenn man laut Spitzer nur darüber nachdenkt, was man nicht machen darf und nicht machen kann, ist man schlecht beraten. „Wenn man mehr Zeit zuhause hat, kann man die auch nutzen“, sagt der Psychiater. „Man kann Hobbies nachgehen, Bücher durchlesen und in der Natur spazieren gehen.“ Mit solchen „Projekten“ gelinge es leichter, nicht in die „Abwärtsspirale“ zu geraten. 

Auch Kommunikation ist laut Spitzer wichtig, etwa mittels Telefonaten oder sozialer Netzwerke. Was hingegen nicht helfe, ist der stundenlange Serienmarathon. „Nur Serien zu schauen, macht unglücklich“, sagt Spitzer. Gerade in der Isolation sollte man versuchen, kreativ und aktiv zu sein. 

Dass sich das Alleinsein durch die soziale Distanzierung negativ auf die Psyche auswirken kann, sieht auch die Einsamkeitsforscherin Susanne Bücker. „Dazu muss man sagen, dass das Alleinsein nicht automatisch bedeutet, dass man sich einsam fühlt“, sagt Bücker. Auch in einer Familie oder unter Freunden kann das Gefühl der Einsamkeit auftreten. 

Viele Menschen erleben so eine Isolation, wie die Quarantäne eine ist, sogar als sehr angenehm oder als eine Art Entschleunigung. „Wer allerdings generell dazu tendiert, traurig und nachdenklich zu sein, der könnte in so einer Zeit der Isolation schon mehr Schwierigkeiten haben“, sagt Bücker. Es könne bei solchen Menschen sogar zu Depressionen kommen.

Telefonieren, skypen, Kontakte auffrischen

Wie Spitzer sieht auch Bücker den Schlüssel in der Kommunikation. Virtueller und telefonischer Kontakt halten beide für wichtig in dieser Zeit der sozialen Distanzierung. Und wenn man nicht weiß, wen man anrufen soll? „Wir wissen, dass es einfacher ist, bestehende Kontakte zu reaktivieren, als ganz neue zu knüpfen“, sagt Bücker. Wenn man sich einsam fühle, könne man sein Adressbuch durchgehen und versuchen, Kontakte aufzufrischen. „Man kann bewusst benennen, dass man sich einsam fühlt. Wenn man darüber redet, hilft das in so einer Ausnahmesituation.“

Das Problem sei zudem, dass viele verschiedene Informationen im Internet kursieren. „Einige wissen Dinge über das Virus, die andere nicht wissen. Diese verschiedenen, zum Teil widersprüchlichen Informationen lösen bei vielen Menschen Angst und Stress aus“, sagt Bücker. 

Corona dominiere mittlerweile die sozialen Netzwerke. Dieser ganze Umgang mit Corona mache das Thema nur noch größer und die Angst werde dadurch verstärkt. „Es ist eben ein schwer greifbares Risiko für die Allgemeinbevölkerung“, sagt Bücker. Für alle sei die Situation neu, für Wissenschaftler, Politiker, Ärzte, Virologen. „Das kann Angst machen. Aber wir sollten diese Angst nicht noch verstärken.“

Gerade mit den Eltern und Großeltern, die sich große Sorgen machen, sollte man verstärkt Kontakt suchen. Dieser muss laut Bücker nicht physisch sein. Vielen Menschen mache die aktuelle Situation Sorge. „Es hilft ihnen, wenn man viel über die eigenen Ängste spricht“, sagt Bücker.

Vor allem ältere Menschen könnten leiden

Insbesondere Ältere könnten laut der Einsamkeitsforscherin unter der sozialen Distanzierung leiden. In mehreren Bundesländern gibt es bereits Besuchsverbote in Alten- und Pflegeheimen. Der Berliner Virologe Christian Drosten rät dazu, dass Enkel nicht mehr von ihren Großeltern betreut werden sollten. Der Grund: Ältere Menschen haben laut Angaben des Robert-Koch-Instituts ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf in Folge einer Corona-Infektion.

Der eingeschränkte Kontakt zu älteren Menschen könnte laut Bücker dazu führen, dass diese sich isolierter und einsamer fühlen. „Menschlicher Kontakt ist letztendlich unersetzlich“, sagt Mathilde Langendorf, Sprecherin der Deutschen Caritas. Viele Angebote des Vereins, wie Nachbarschaftstreffs oder gemeinsame Frühstücke, an denen auch viele Ältere teilnehmen, mussten bereits gestrichen werden. 

„Unsere Mitarbeiter versuchen Kontakt zu halten, die Betroffenen anzurufen“, sagt Langendorf. Videotelefonate wie Skype seien zwar eine gute Möglichkeit, mit Älteren zu kommunizieren, doch nicht jeder in dem Alter könne mit Handys und Skype umgehen. „Wenn man ältere Nachbarn hat, kann man gerne einmal am Tag über den Balkon schauen und fragen, wie es ihnen geht“, sagt Langendorf. Das sei bereits ein kleiner Beitrag, der viel bewirke.

Gerade in der jetzigen Situation solle man nicht nur auf sich selbst, sondern auch auf andere aufpassen. Da gut die Hälfte der Ehrenamtlichen bei der Caritas über 50 Jahre alt sind, müssen diese sich zurzeit mehr zurücknehmen. Die Organisation suche daher dringend Ehrenamtliche. „Wer gerade viel Zeit hat, kann helfen: Essen austragen, Kranke besuchen – natürlich immer unter der Einhaltung der Sicherheitsvorkehrungen,“ sagt Langendorf.

Auf Distanz zusammenrücken

Immer öfter tauchen bereits Zettel in Hauseingängen auf, in denen Leute etwa anbieten, für Menschen einkaufen zu gehen, die zur Risikogruppe zählen. Und aus Italien kursieren Videos im Netz, die zeigen, wie Nachbarn auf den Balkonen stehen und zusammen singen oder minutenlang das Pflegepersonal für ihre Arbeit beklatschen. „Solche Initiativen verdeutlichen ein starkes Gemeinschaftsgefühl“, sagt Susanne Bücker. „Die Menschen beginnen, sich miteinander zu solidarisieren. Das kann schon dazu beitragen, dass man sich nicht alleine gelassen fühlt in dieser herausfordernden Situation.“

Auch in Deutschland sei so etwas möglich, meint Psychiater Manfred Spitzer. Wenn alle versuchen würden, die Kontakte zu reduzieren, so viel wie möglich zuhause zu bleiben, dann würde sich die Lage in einigen Wochen bereits verbessern. Die Deutschen müssen laut Spitzer durchhalten und sich dabei unterstützen. „Wir müssen letztendlich in der Distanzierung lernen, zusammenzurücken.“

Elena Matera

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