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Suite im Pałac Staniszów.

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Wellness in Niederschlesien: Erholen in Polen

Die Schneekoppe am Horizont, Schwimmen vor dem Kaminfeuer, Ochsenbäckchen in der Bibliothek. Italien kann warten.

Ein langes Wochenende aus der Stadt zu verschwinden reicht manchmal schon als Kurzurlaub für zwischendurch. Doch wohin? Die Spa-Hotels im Spreewald und an der Ostsee sind teuer. Ferienwohnungen werden oft nur wochenweise vermietet. Wer etwas anderes als Sanddorn und dicke Gurken im Glas sucht, fährt einfach ein bisschen weiter, überquert bei Forst die Grenze zu Polen und folgt der entschleunigenden Hoppelautobahn bis nach Jelenia Góra.

Dudumm-dudumm-dudumm: Wenige Kilometer außerhalb der hübschen Stadt steht der Pałac Staniszów vanillegelb in der Spätsommersonne.

Ein rotes Kätzchen krallt sich an die Blätter des wilden Weins und springt mit Geraschel die Schlossmauer empor. Waclaw Dzida lacht. „Unsere Nachbarn sind in Urlaub, die sucht jetzt hier nach Futter“, sagt der Schlossherr. Mehr als verständlich: Im Garten von Schloss Stonsdorf, so heißt der Pałac Staniszow auf Deutsch, gurgelt ein Springbrunnen, der Kiesweg knirscht unter den Füßen der Spaziergänger, Lennés Sichtachse gibt den Blick bis zur Schneekoppe frei. Brombeerbüsche säumen den schmalen Weg zum Schwimmteich. Die Köche – man hört es vom Parkplatz – singen zum Töpfeklappern, und in der Schlosshalle wärmt ein desinteressierter Golden Retriever den Teppich.

Jedes Detail des niederschlesischen Spätbarock-Schlosses raunt: Nun mach’ mal langsam! Klar, man kann im neu gebauten Spa-Haus am Kaminfeuer Bahnen ziehen, still im Dampfbad garen und aus dem großen Angebot an Behandlungen wählen. Doch das Sensationelle an Schloss Stonsdorf ist die beiläufig-beruhigende Grandezza, die das bröckelnde Gemäuer ausstrahlt. Italien kann warten.

Nach Sonnenuntergang wird es gemütlich

Die Dzidas – Frau Dzida ist Kunsthistorikerin mit Sammelleidenschaft – haben Schloss Stonsdorf, das nach der Wende zehn Jahre leer stand, gekauft und etappenweise saniert. Die Familie hat ihre Wohnung ganz oben unter dem Walmdach eingerichtet und plant erst gar nicht, eines Tages mit allem fertig zu werden. Damit die beiden Kinder der Dzidas ihren außergewöhnlichen Wohnsitz nicht für selbstverständlich halten, müssen sie in den Ferien Unkraut jäten.

Nach Sonnenuntergang verwandelt sich Schloss Stonsdorf in eine dramatische Kulisse. Mit etwas Glück bekommt man einen Tisch in der winzigen, kerzenerleuchteten Bibliothek und verspeist Ochsenbäckchen mit Kartoffelbrei. Knarzenden Schrittes geht es danach vorbei an der Bar auf die Terrasse, wo einige „Heimwehtouristen“ unter Karodecken beim Digestiv die Geschichte verdauen.

Mit einem Satz springt die Katze auf den Schoß – schnurren können wäre jetzt gut. Bitte nur keine Ausflüge, kein Programm!

Am nächsten Morgen ein letzter Blick auf Tapete voller Jagdszenen und ein Biss ins Frühstücksbrot (Achtung, Zwiebelaufstrich!), dann geht es leider weiter.

"Botoks" und "Detoks" bei Irena Eris

Ein ganz neues Wochenend-Hotel liegt in Polanica Zdrój. Der Kur-Ort liegt etwa hundert Kilometer südöstlich von Jelenia Góra, der kürzeste Weg führt über Tschechien.

Wir halten im böhmischen Broumov, besichtigen das riesige, frisch sanierte Benediktinerkloster. Hier wurden im Kommunismus Nonnen eingekerkert. Wir werden versehentlich zusammen mit einer Hochzeitsgesellschaft von zwei Drohnen gefilmt. Im Klostercafé gibt es mit Spinat gefüllte Eierkuchen, wahrscheinlich die besten der Welt. Auf dem Marktplatz wähnen wir uns in einer Modellbau-Stadt – so lückenlos und pastellfarben ist die Bebauung.

In Polanica Zdrój hat Irena Eris, Polens Kosmetik-Göttin, ein Wellness-Hotel errichten lassen. Mitten im Nadelwald gelegen, strahlt es eine majestätische Ruhe aus.

Hier lässt es aushalten: ein Doppelbettzimmer im Wellness-Hotel in Polanica Zdrój.
Hier lässt es aushalten: ein Doppelbettzimmer im Wellness-Hotel in Polanica Zdrój.

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Von „Botoks“ bis „Detoks“ kann man hier alles über sich ergehen lassen. Inmitten der klinisch-kühlen Atmosphäre kann man sich gar nicht anders als schlecht pigmentiert und schlapp fühlen. Vielleicht war der Stonsdorfer Apfelkuchen doch etwas zu reichhaltig?

Irena Eris sitzt beim schwarzen Kaffee in der Lobby und spricht hervorragend Deutsch – schließlich hat die gelernte Pharmazeutin in den 70er-Jahren an der Humboldt-Uni über die Wechselwirkungen von Medikamenten promoviert und in der Nähe des damaligen Hauptbahnhofs gewohnt.

Die Schönheit kommt von außen

Selfmade-Frau Irena Eris herrscht über ihr Spa-Hotel in Polanica Zdrój.
Selfmade-Frau Irena Eris herrscht über ihr Spa-Hotel in Polanica Zdrój.

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Irena Eris ist eine Selfmade-Frau. Ihre Mutter erbte einst sieben Kleinwagen und sprach: Kind, nimm das Geld und mach dich selbstständig. Zu diesem Zeitpunkt hatte Irena Eris bereits ihre erste Creme entwickelt, die angeblich nicht nur sie, sondern auch ihre Freundinnen von „schrecklichen Pickeln“ geheilt hatte. Sie sprang ins kalte Wasser, schwamm einer ungewissen Zukunft entgegen.

Schön sein – so viel Proletariat steckt in der inzwischen sehr wohlhabenden Frau – sei kein Mittel, anderen zu gefallen, sagt sie. „Wer morgens vor dem Spiegel steht und sich selbst nicht mag, fühlt sich unsicher. Und wer unsicher ist, kann nichts aufbauen.“

Heute betreibt Irena Eris drei Spa-Hotels in Polen und ist Chefin einer Kosmetik-Linie, die eine ganze Schrankwand füllt. Reinweiße Behandlungsräume warten hier auf Kunden, man betritt sie mit Irena-Eris-Frotteeschlappen und im Irena-Eris-Bademantel.

Auch für Kinder gedacht

„Es kommen nur wenige Deutsche hierher“, sagt sie mit hochgezogener Augenbraue. „Wahrscheinlich fühlen sie sich nicht abenteuerlustig genug.“ Prüfend mustert sie ihr Gegenüber. Sie hat viele wichtige Auszeichnungen der deutschen Wellness-Industrie bekommen, trotzdem kennt sie in Deutschland kaum jemand.

Der Mutter zweier erwachsener Söhne war es wichtig, dass sich auch Kinder gut aufgehoben fühlen – von der Betreuung über den vom Schwimmbad räumlich getrennten State-of-the-Art Babyplanschbereich bis zum Ausziehsofa ist überraschenderweise an alles gedacht. Im Keller verstecken sich ein Raum voller Computerspiele und eine Bowling-Bahn.

In ihren kühnsten Träumen, sagt Irena Eris, hätte sie sich nicht vorstellen können, einmal über ein Beauty-Imperium zu herrschen. Sie freut sich immer noch diebisch, wenn ihr zum Abendessen ein Hocker für ihre Handtasche und zum Frühstück zwei weich gekochte Eier im Glas gebracht werden.

Eine Blinde singt Beatles

Vom Hotelgarten aus ist es nur ein kurzer Spaziergang ins Zentrum von Polanica Zdrój, vormals Bad Altheide. Hier kann man sich eine Flasche Heilwasser abfüllen lassen, es soll gegen jede Krankheit wirken und appetitanregend sein.

Ein wunderbarer Kurpark mit altem Baum- und Menschenbestand, der von gut besuchten Sahnetorten-Cafés und mexikanischen Restaurants flankiert wird, verströmt auch werktags eine angenehme Rentner-Sonntags-Atmosphäre. Eine Blinde singt Beatles-Lieder für eine Handvoll Zloty.

Nach Berlin zurück geht es ganz entspannt: Die Gegenspur der Hoppelautobahn ist glatt asphaltiert.

Tipps für Niederschlesien

STONSDORF

Palac Staniszów ist von Berlin aus in etwa vier Stunden mit dem Auto zu erreichen, der nächste Bahnhof ist in Jelenia Góra. Eines der 38 Doppelzimmer kostet ab 85 Euro pro Nacht in der einfachsten Kategorie. 45 Euro zahlt man für eine einstündige Massage. Alle Infos auf Deutsch unter www.schlossstonsdorf.de. Der Schlossherr fabriziert jedes Jahr eine kleine Marge „Stonsdorfer“ – der traditionsreiche Kräuterschnaps ist immer schnell ausverkauft.

RIESENGEBIRGE

Kindern und Erwachsenen macht die mehr als einen Kilometer lange Sommerrodelbahn im benachbarten Karpacz (deutsch: Krummhübel) Spaß. Mit über 30 km/h rast man den Hang hinab. Bizarr in Karpacz: Die Stadt ist wie in Amerika entlang einer Straße gebaut. Im Winter gehört der Ort zu den beliebtesten Skizentren Polens, hier startet die Gondel auf die höchste Erhebung des Riesengebirges: die 1603 Meter hohe Schneekoppe.

ABKÜRZUNG DURCH TSCHECHIEN

In Broumov (deutsch: Braunau; nicht zu verwechseln mit Braunau am Inn) steht eine sehenswerte Klosteranlage. Die knapp 8000 Einwohner des Städtchens könnten sich gleichzeitig darin verstecken. Gute Coffeeshop-Küche (Mehlspeisen, wir sind Böhmen!) im Klostercafé.

Mehr Informationen: www.czechtourism.com/de/c/broumov-monastery/

Es empfiehlt sich außerdem ein Rundgang durch die vom Krieg zum Glück unversehrte Altstadt.

IRINA ERIS SPA

Vom 10.–13. November und 11.–14. November bietet das Hotel in Polnica Zdrój ein Package: drei Nächte im Doppelzimmer für zwei Personen, inklusive Frühstück und Abendessen, für umgerechnet 664 Euro.

Unbedingt genug Zeit für diverse Behandlungen einplanen und diese rechtzeitig reservieren. Die einheimischen Gäste nehmen ihre Treatments sehr ernst, verschwinden oft morgens im Spa und erscheinen abends rundumerneuert im Restaurant „Art Déco“.

Mehr dazu: www.drirenaeris.com

POLANICA ZDRÓJ

Der verschlafene Kurort liegt direkt neben dem Hotelpark. Hier kann man Schach spielen, Musikern zuhören und die frische Luft atmen. Kleine Kinder lieben die lebensgroßen Stofftiere, die zum Ausritt bereitstehen. An jeder Ecke steht ein Kaugummi-Automat voller Spielzeug. Bunte Sahnetorten wie von Uroma schmücken die Vitrine im Kurhaus-Café, wo man anschließend mit Heilwasser und Bisongras-Wodka nicht nur nachspülen kann, sondern auch sollte.

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