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Der See von Bled gehört zu den am meisten besuchten Orten von Slowenien.

© Ulf Lippitz

Wasserparadies Slowenien: Im Land der Gletscherseen und Mini-Drachen

Wo immer man sich in Slowenien aufhält, das Wasser ist nie fern. Begegnungen mit Stalaktiten, Stalagmiten, einer leuchtend grünen Disney-Fantasie – und mehreren Grottenolmen.

Unter uns rauscht der Fluss. Sagt Katarina Kanduc. Das wäre überhaupt nicht erwähnenswert, würde sie sich auf einer Brücke in Sloweniens Hauptstadt Ljubljana befinden. Doch die Biologin steht 50 Kilometer entfernt in einem Tunnel, 120 Meter unter der Erdoberfläche, in der Höhle von Postojna. Um sie herum tropfen Stalaktiken, wachsen Stalagmiten, der Boden wirkt felsensicher – und doch höhlt eine Etage tiefer der Fluss Pivka den Berg aus.

Katarina Kanduc, Mitte 20, überwacht die Artenvielfalt in Postojna, der meist besuchten Sehenswürdigkeit von Slowenien. Einem Land, das besonders reich an Gewässern ist, von der Adriaküste im Westen zum Save-Fluss im Osten, von den Bergseen im Norden zur Sickerlandschaft im Süden.

In Ljubljana können Touristen in Kanus durchs Zentrum paddeln, in Piran die Salzfelder bewundern und in den Julischen Alpen zu spektakulären Wasserfällen wandern. Auf einer Fläche, die kleiner ist als Brandenburg, gibt es eine Gewässervielfalt, wie sie nur wenige Länder vorweisen. Wasser bedeutet den Slowenen Lebensmittel, Sportplatz, Geschichtsstätte und Tourismusmagnet.

Zuckerguss und dreckige Finger

39 Millionen Menschen haben die Höhlen von Postojna besucht, seit sie vor 200 Jahren entdeckt wurden. Die Besucher fahren heutzutage mit einem Elektrozug zwei Kilometer in den Berg hinein, gehen den knapp einen Kilometer langen Parcours mit einem Guide entlang und kehren anschließend aus dem Schlund des Karstgebirges zurück.

Das gesamte Jahr über herrscht in der Tiefe eine konstante Temperatur von zehn Grad. Im Sommer ist der Unterschied zwischen Außen- und Unterwelt extrem: draußen 30 Grad Hitze, drinnen Frösteln.

Katarina Kanduc ist durch den Spaghettisaal (besonders dünne Stalaktiken), den Weißen Saal (weiße Stalagmiten) und den Roten Saal (Ablagerungen von Eisenoxid) gegangen. Meterhohe Decken, vollkommene Dunkelheit, bis Bewegungsmelder das Licht einschalten.

Als Besucher einen besonders glänzenden Stein berühren, der aussieht wie mit Zuckerguss überzogen, richtet die Wissenschaftlerin ihre Taschenlampe auf das Mineral und sagt: „Das passiert, wenn wir das machen.“ Schwarze Flecken sind unter dem Licht erkennbar, Ablagerungen von Dreck und Fett von Tausenden von Händen.

Die Höhle von Postojna ist mit Wegen von 24 Kilometern besonders weitläufig.
Die Höhle von Postojna ist mit Wegen von 24 Kilometern besonders weitläufig.

© Iztok Medja/www.slovenia.info

Am Ende der Tour erreichen die Besucher den Konzertsaal, 40 Meter hohe Decke, 3000 Quadratmeter Fläche und dank seiner Akustik für Konzerte geeignet. Fantasiefiguren hat das Wasser in Millionen von Jahren aus den Steinen geformt: Buckelmännchen mit Rückenproblemen, Echsenköpfe, zerfließende Vasen.

Doch keine der Kreationen kommt an die Grottenolme heran – weiße Salamander, die in den Höhlen leben und in Schau-Aquarien gezeigt werden. Sie unterliegen der Obacht von Kandum, sechs Jungtiere schlüpften vor vier Jahren in einem der Becken, zum ersten Mal konnten Forscher das Aufwachsen der Amphibien live verfolgen. Kandum leuchtet vorsichtig ins Wasser. Helle Minidrachen tauchen auf, höchstens 20 Zentimeter lang.

Auf dem Rückweg zur Bahnstation sieht man schließlich den großen Gesteinsspalter: die Plivka, wie sie in zehn Metern Tiefe zwischen den Steinen mehr dahinsickert als rauscht. Der Anblick täuscht. Bei Schneeschmelze kann sie ganz schnell gefährlich ansteigen.

Ein weltbekanntes Inselchen

Aus der Tiefe des Berges geht es auf 500 Meter über den Meeresspiegel. Knapp 90 Minuten mit dem Auto entfernt liegt die zweitbekannteste Attraktion: die einzige Insel des Landes, die im Bleder See aus dem Wasser aufsteigt. Ein Hügel mit Bäumen und einer Kirche, alles zusammen 8000 Quadratmeter groß und damit kleiner als ein Fußballfeld.

Der sie umgebende Gletschersee wäre mit einer Uferlänge von sechs Kilometern woanders höchstens eine Fußnote, doch dank des Inselchens kennt ihn die halbe Welt. Es schmückt Millionen Instagram-Accounts und Broschüren.

Den Slowenen ist die Marienkirche nicht nur deswegen heilig. Als die Franzosen unter Napoleon im frühen 19. Jahrhundert anrückten, um das Gold des Gotteshauses zu plündern, besetzten die Frauen von Bled kurzerhand alle Boote und setzten zur Insel über. Die Soldaten konnten nicht schwimmen.

Heutzutage sonnen sich junge Menschen in Badekleidung zu Füßen der Treppe, die hoch zur Inselkirche führt. Die Schwimmer kommen vom Campingplatz am Nordende des Sees oder sind mit dem SUP-Board von einer Badestelle herübergepaddelt. Die Wassertemperatur beträgt im Sommer 22 Grad. Noch wirkt der See nicht voll. Corona hat die Touristenzahl gesenkt.

Diesen Sommer ist es außergewöhnlich ruhig auf dem See von Bled.
Diesen Sommer ist es außergewöhnlich ruhig auf dem See von Bled.

© Ulf Lippitz

Der Ort braucht eine Atempause. Der Ansturm der vergangenen Jahre, so raunen Anwohner, war hastig und wenig nachhaltig. Bled mit bloß 8000 Einwohnern verfügt über 9000 Betten für Übernachtungen.

Auf der Zubringerstraße von der Autobahn schieben sich samstags die Wagen der Wochenendurlauber hinunter. Wenn es wie in diesen Tagen eine Baustelle gibt, stauen sie sich bereits ohne Reisebusse am Ufer. Denn den kleinen See, der viel größer in die Welt strahlt, möchten alle sehen.

„Das ist der größte See Sloweniens“, sagt Grega Šilc. Der Wander- und Radfahrführer steht am Ufer des Bohinj-Sees, 25 Kilometer von Bled entfernt, schroffe Gipfel wachsen in den Himmel, und das himmelblaue Wasser zu ihren Füßen sieht ziemlich winzig aus. „Doppelt so groß“ wie sein berühmter Cousin in Bled, verkündet Šilc stolz. Was eben auch nur eine Uferlänge von zwölf Kilometern ist.

Noch kennen weniger Menschen den Bohinj. Obwohl Jean-Paul Sartre in den 1960er Jahren dessen Abgeschiedenheit für seine Ferien suchte und Krimi-Queen Agatha Christie im Hotel Bellevue am See logierte – und die Landschaft als vollkommen untauglich für ihre Bücher erklärte. „Zu schön für einen Mord“, soll sie gesagt haben.

Grega Šilc, Ende 30, in Wanderführer-Schlammfarben gekleidet, besteigt den Ausflugsdampfer, der vom Ost- zum Westufer tuckert. Das mit einem Elektromotor ausgestattete Schiff stammt vom bayrischen Königssee und wurde innen mit Lärchenholz verkleidet.

Kirche am Ufer des Bohinj-See.
Kirche am Ufer des Bohinj-See.

© Ulf Lippitz

An der Anlegestelle baden Kinder im glasklaren Wasser, hinter ihnen wacht eine weiße Kirche, keine Wolke zieht am azurblauen Himmel entlang. Was für eine Disney-Fantasie!

Der See liegt ruhig da, in der Mitte wechselt seine Farbe beinahe zu dunkelgrün, wenige Wellen klatschen ans Holz. Ein Mann in Neopren-Anzug und Badekappe zieht seine Bahnen. Das Schiff düst an ihm vorbei, die 2800 Meter hohen Gipfel als Kulisse drumherum. Am Ende legt es am Campingplatz an, unter Bäumen ducken sich Zelte und Wohnmobile, einige auch mit Berliner Nummernschild.

Die meisten Tagesgäste wandern von hier aus einige Kilometer zum Ort Ukanc, was übersetzt bedeutet: Ende der Welt. So fühlten sich die Menschen hier, in einer Sackgasse, umgeben von unüberwindlichem Gebirge und herunterklatschendem Wasser. 78 Meter tief fällt der Fluss Savica eine Kalksteinwand hinunter und dann weiter zur Save, zur Donau, bis er ins Schwarze Meer mündet. Laut grollend gebietet das Wasser Einhalt.

Zu viele Kiefern

Primus Senk ist ein Farbklecks in der Landschaft. Blaue Hosen, burgunderfarbenes T-Shirt, blaues Basecap. Er stapft einen Wald in den Krainer Alpen entlang, eine gute Autostunde und viele Serpentinen von Bohinj entfernt. Der 33-Jährige hat Forstwirtschaft studiert und arbeitet nebenbei als Bergführer. In Zgorne Jezersko, was nur Einheimische mit der nötigen Eleganz aussprechen können, die dem Bergdorf und seiner sattgrünen Natur gebührt.

Senk führt Gäste auf die bis zu 2500 Meter hohen Berge, die gleichzeitig die Grenze zu Österreich bilden. „Kiefern, viele Kiefern, zu viele Kiefern“, sagt er und erklärt in einem Satz 100 Jahre Forstgeschichte. Von der gepflanzten Monokultur zur Borkenkäfer-Fressstation und Killer der Diversität.

In Zgorne Jezersko wurde ein künstlicher See angelegt, an dem sich Besucher erfrischen
In Zgorne Jezersko wurde ein künstlicher See angelegt, an dem sich Besucher erfrischen.

© Ulf Lippitz

Senk wandert nun an einer Wiese entlang, die früher Marschland war. Setzte die Schneeschmelze im Frühjahr ein, staute sich hier das Wasser. Also hat man vor 70 Jahren beschlossen, oberhalb des Ortes einen See anzulegen. Als bräuchte das Land noch mehr Gewässer!

Er ist heute eines der beliebtesten Ausflugsziele der Region. „In fünf Minuten kann man ihn umrunden“, sagt der junge Mann, was stimmt, geht man den Weg in seinem Tempo. Die meisten Besucher spazieren unter den Nadelbäumen entlang, schauen verzückt auf das grüne Wasser. Da, eine Bewegung, ein Schatten. Senk guckt hinein. „Eine Forelle, das ist doch nichts Besonderes.“

Der See dient als Ausgangspunkt für Wanderungen in die Berge. Manche haben ihre Flasche an der nahen Quelle aufgefüllt, die extra vom Hang hinunter an die Straße gelegt wurde. Das Mineralwasser ist magnesiumhaltig und soll Herzkranken helfen.

„Nur zwei Deziliter pro Tag“, warnt Senk, also ein kleines Glas. Sonst heißt es: Viel Spaß mit der Verdauung. Für die Quelle gilt eben dasselbe wie für alle Gewässer des Landes – mit viel Zeit und wohldosiert genießen.

HINKOMMEN
Mit dem Zug bis Ljubljana, zehn Stunden für 90 Euro im Spartarif pro Strecke. Easyjet fliegt sonntags, ab 120 Euro hin und zurück.

UNTERKOMMEN
Vila Planinka, Boutiquehotel mit Nachhaltigkeitskonzept in Zgornje Jezersko, Doppelzimmer 240 Euro/Nacht, vilaplaninka.com.

Die Reise wurde unterstützt vom Slowenischen Fremdenverkehrsamt.

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