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Die Lounge des Charles Hotel in München erinnert an die Universitätsbibliothek, die an dieser Stelle einmal stand.

© Rocco Forte Hotels

Unsere Hotelkolumne: Eine Nacht im The Charles

In der Münchener Maxvorstadt leben Oligarchen und Fußballstars – der Rest Bohème lässt sich ideal im Hotel genießen.

Der Himmel führt ein Schauspiel auf. Dramatisch ballen sich die Wolken vor dem bayerischen Hellblau. Stellenweise dringt die Sonne durch und lässt die Dächer glänzen. Der Anfang der Erzählung „Gladius Dei“ des Wahlmüncheners Thomas Mann kommt in den Sinn: „München leuchtete … Lässigkeit und hastloses Schlendern in all den langen Straßenzügen.“

Hier, in der an Schwabing grenzenden Maxvorstadt, in der das Charles Hotel 2007 eröffnet hat, lebte der Nobelpreisträger von 1894 bis 1898, nachdem er in Lübeck die Schule abgebrochen hatte, und genoss das Bohèmeleben – wenn auch mit bürgerlich schlechtem Gewissen. Ein wenig Bohème kann man im Viertel immer noch finden, in den Cafés rund um die Akademie der Künste oder der Musikakademie. In den neuen Luxusappartements, die das Hotel umgeben, wohnen eher andere Weltbürger: Oligarchen und Fußballprofis. Manchmal treffen sie sich und sitzen einträchtig beim Weißbier zusammen im Park Café, das in den 90er Jahren einen legendären Club beherbergte und gegenüber vom Hotel liegt.

Jetzt blitzt sogar ein Regenbogen auf. Vor dem bodentiefen Fenster im siebten Stock hat man einen Logenplatz. Weit weg sind Lärm und Gewusel rund um den Hauptbahnhof, der nur fünf Gehminuten entfernt ist. Der Blick geht über die Baumkronen des alten Botanischen Gartens, über die Kupferdächer des Justizpalastes hin zu den Zwillingstürmen der Marienkirche. Sie überragen die Stadt – und so soll es bitteschön für ewig bleiben: 2004 wurde per Volkentscheid beschlossen, dass kein Gebäude in München höher sein darf.

Henry James und Thomas Mann

Der Grund, auf dem das Charles als jüngstes Münchner Fünf-Sterne-Hotel errichtet wurde, gehörte einst zur Universität. Genau da, wo sich jetzt die Lobby mit dem üppigen Blumenarrangement und den samtbezogenen Möbeln befindet, lag die Bibliothek. Dem tragen Bücherregale Rechnung, gefüllt mit antiquarischen Bänden von Kafka über Henry James bis, natürlich, Thomas Mann. In den Sesseln darunter kann man es sich nachmittags zur Teatime bequem machen und in den Werken stöbern. Demnächst sollen hier auch Lesungen stattfinden.

Bis zur Errichtung des Charles wurden für die Rocco-Forte-Hotels vor allem alte Gebäude umgewidmet: ein historisches Bankgebäude für das Hotel de Rome in Berlin, ein georgianisches Townhouse für das Brown’s in London. So schwimmen Gäste nun im ehemaligen Tresorraum am August-Bebel-Platz ihre Bahnen oder schauen durch alte Bleiglasfenster auf die Straßen von Mayfair.

Von den Zimmern geht der Blick hinüber zum Justizpalast.
Von den Zimmern geht der Blick hinüber zum Justizpalast.

© Rocco Forte Hotels

Mit so viel geschichtlichem Charme kann das Charles nicht dienen. Die Liebe zum Detail ist jedoch die gleiche. Für die Ausstattung zeichnet die Schwester des Gründers und Familienoberhaupts Sir Rocco Forte zuständig: Olga Polizzi, auch „Königin der Zierkissen“ gennant. Nichts wird entschieden, ohne dass es ihrem kritischen Blick standhalten muss. Die blau-weißen Teppiche im Flur passen genauso zur Designidee wie das Korallenmosaik an der Spa-Wand – beides eine Hommage an Bayern und seine Herrscherfamilie, die Wittelsbacher. Sie tragen die Koralle im Wappen. Die dreistufigen Fußleisten sollen gar ein Hinweis auf die göttliche Dreifaltigkeit sein. Himmel, hilf! Bloß nicht achtlos dagegentreten.

Ein Vorteil des Neubaus: Keine der 160 Zimmer und Suiten sind kleiner als 40 Quadratmeter, alle verfügen über große Bäder und Fliesenkunstwerke aus der Nymphenburger Porzellanmanufaktur. Die schalldichten Fenster sorgen dafür, dass kein Straßenlärm Unbehagen bereitet, das Personal hält jede andere Widrigkeit fern. Ein Fahrrad? Ein Blasenpflaster? Alkoholfreie Begleitung des Menüs? Alles kein Problem.

Nach Neuschwanstein oder in die Stadt

Diesen Sommer lädt das Charles mit einem Programm zum „Resort-Erlebnis“ in der Stadt ein – gedacht als Kennenlernangebot für Gäste, die lieber in Deutschland ihren Urlaub verbringen möchten. Darin enthalten sind ein tägliches Drei-Gang-Menü, der Nachmittagstee, Yogastunde, Kinderprogramm und diverse Unternehmungen nach Wahl, beispielsweise zum Schloss Neuschwanstein oder eine Stadtführung in München.

Braucht man als erfahrene Reisende so viel Betreuung? Vermutlich nicht, bequem ist sie trotzdem, besonders wenn man sich nach über einem Jahr im eigenen Garten wieder in die Welt hinaustastet.

Die morgendliche Yogastunde unterrichtet Anja Marinkovic, eine erfahrene Yoga-Therapeutin, die sanft und aufmerksam durch Atem- und Bewegungsübungen führt und Fehlhaltungen korrigiert, die sich in der unbeobachteten Praxis eingeschlichen haben. Der Blick wandert aus der Suite über die Dächer, der Geist ist neugierig auf die Stadt darunter.

Diesen Sommer am Königsplatz: Rummel und Geschichte.
Diesen Sommer am Königsplatz: Rummel und Geschichte.

© Sven Hoppe/dpa

Was mit Gästeführer Chaim Eytan besonders viel Spaß macht. Nicht nur kennt er jedes Gebäude der Stadt, er hat auch zu jedem eine Geschichte parat. Der agile Mann mit den grauen Locken und dem jiddischen Akzent freut sich auf die erste Tour nach der erzwungenen Coronapause. Er habe, erzählt der geschätzt 70-Jährige, aus lauter Langeweile bereits begonnen, mit den Enten im Englischen Garten zu sprechen. „Mein Arzt sagt: Bedenklich wird es erst, wenn die Enten zu antworten beginnen.“

Fast beiläufig erwähnt er, wie sich seine Eltern im Konzentrationslager kennengelernt haben. „Meine Mutter als Opfer, mein Vater als Retter.“ Nachdem sie zunächst in Italien gelebt hatten, kehrten sie in den 1960er Jahren nach Deutschland heim, als das Familienunternehmen zurückerstattet wurde. Nicht aufgrund der eigenen Geschichte beginnt Eytan die Tour mit Ausführungen über Münchens Nazivergangenheit.

Hat Hitler an diesem Fenster gestanden?

Um die kommt er einfach nicht herum, wenn er wenige Schritte vom Hotel zum Königsplatz geht. Hier stehen zwei in den 1930er Jahren erbaute Gebäude, in denen NSDAP-Zentrale und Quartier des „Führers“ untergebracht waren. München hatte den unschönen Beinamen „Hauptstadt der Bewegung“. Die Mitte des Platzes ziert heute ein Mahnmal für die Bücherverbrennung, an derselben Stelle befand sich früher der Ehrentempel für die Toten des Hitlerputsches von 1923, an dem alle Passanten zu salutieren hatten. Es war das erste Gebäude, das die Amerikaner nach Befreiung der Stadt sprengen ließen.

Insbesondere amerikanische Touristen, erklärt Eytan, bekommen gar nicht genug von Hitler. „Hat er an diesem Fenster gestanden, hat er diese Türklinke angefasst? Das ist eine Krankheit“, sagt der alte Mann. Lieber redet er über König Ludwig I., der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts regierte und dem München alles verdanke, „was schön und prächtig ist“.

Die nördlichste Stadt Italiens

Ludwigs große Hingabe zur griechisch-römischen Antike, die er von seinen Lieblingsarchitekten Leo von Klenze und Friedrich von Gärtner umsetzen ließ, prägen die Stadt. Die Propyläen, ein prächtiges Tor, das der König aus eigenen Mitteln finanzierte, die säulengeschmückten Fassaden der Museen Glyptothek sowie Alter und Neuer Pinakothek, den Odeonsplatz mit der Feldherrnhalle, die der Loggia dei Lanzi in Florenz nachgebildet ist. All diese sind vom The Charles in bequemem Spaziergang oder mit einem der bereitgestellten Fahrräder schnell zu erreichen und zu bewundern.

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Am Nachmittag brummt der Kopf voller Informationen, und die Beine werden schwer. Die Hitze flirrt auf den ocker- und terrakottafarbenen Fassaden, eine Frau im weißen Sommerkleid fährt auf einer Vespa vorbei, die Haare wehen im Sommerwind. München trägt den Spitznamen „nördlichste Stadt Italiens“ zu Recht.

Natürlich könnte man jetzt in eines der vielen Lokale einkehren, ins legendäre Café Luitpold oder in den Biergarten im Englischen Garten, aber es tut gut, sich zwischen Bäumen im kleinen Hofgarten des Hotels zu entspannen, Waffeln mit Sahne und Kirschen zu bestellen und sich danach auf dem Kingsize-Bett im Zimmer auszustrecken.

Reisetipps: Mit dem ICE geht es in viereinhalb Stunden in die bayerische Landeshauptstadt, ab 60 Euro im Spartarif pro Strecke. Lufthansa fliegt momentan sechs Mal am Tag, die günstigsten Tickets beginnen ab 160 Euro für Hin- und Rückflug. Eine Nacht im Doppelzimmer des Charles kostet ab 400 Euro. Für das im Text vorgestellte Programm „Mein Sommer“ zahlt man etwa 200 Euro drauf, im Paket sind Mahlzeiten, Yogastunden sowie diverse Aktivitäten enthalten. Mehr Details finden sich unter roccofortehotels.com. Diese Reise wurde unterstützt von Rocco Forte Hotels.

Bettina Homann

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