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Im ehemaligen Königlichen Konservatorium ist nun das Nobis eingezogen.

© Kristine Boel

Unsere Hotelkolumne: Eine Nacht im Kopenhagener Nobis

Dänisches Design: Wo sich heute Wochenendtouristen von der Glyptotek ausruhen, übten einst dänische Musikschüler

Das sind nicht einfach nur 15 weiße Marmorstufen pro Treppe, die vom Foyer zu den oberen Etagen führen. Die sechs Stiegen hoch in den dritten Stock, so sagt Sören Jacobsen vom Hotel Nobis in Kopenhagen, „gehören zu der vermutlich am meisten fotografierten Treppe in der Stadt“. Die luftige Architektur, das massive Geländer, die hohen Hoffenster, all das scheint manchen Besuchern das Gefühl zu geben, sich in einem königlichen Palast zu befinden.

Jede Woche schauen Pärchen vorbei, die Frau mit der Handtasche einer italienischen Luxusmarke voran, der Mann mit dem neuesten Smartphone-Modell hinterher – und dann werden Bilder für die Instagram-Ewigkeit geschossen. Jacobsen weiß auch nicht, wie es dazu gekommen ist, aber nun lebt das Nobis mit diesem Ruhm. House of Gucci im Gewand nordischen Designs.

Wintergarten und Rutsche

Das Gebäude liegt einen Block von Tivoli und Bahnhof entfernt. Nebenan in die Glyptotek gehen die Besucher nicht nur, um die klassischen Statuen zu sehen, sondern auch den riesigen Wintergarten. Das Danish Architecture Centre, fünf Minuten Fußweg in die entgegengesetzte Richtung, besuchen Familien, damit die Eltern etwas über Hausbau-Traditionen lernen – und die Kinder vor dem Gebäude auf der meterlangen Rutsche ihren Spaß haben. Da ist es nur passend, dass das Nobis auch etwas vermeintlich Unspektakukäres wie eine Treppe geliebt wird.

Diese Treppe berauscht Influencer.
Diese Treppe berauscht Influencer.

© Sören Kristensen

Im Hotel können Gäste sehr schön studieren, wie Altes und Neues zusammenfließen, Baukunst und Inneneinrichtung. Das Gebäude stammt aus dem frühen 20. Jahrhundert, der Architekt Martin Borch ließ den dreigeschossigen Palast für eine Versicherungsfirma errichten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg zog das Königliche Musikkonservatorium ein, und vor vier Jahren eröffnete das Nobis hier seinen Übernachtungsbetrieb mit Design-Understatement. Reisende schlafen in einer Art Luxus-Altbau, das Bett steht auf hellem Holzfußboden, ein blau-weißer Läufer dient als Farbtupfer, ansonsten lenken weder Bilder noch übergoße Lüster vom beruhigenden Petrolblau an der Wand ab.

Dellen in der Treppe, Stuck an der Decke

Grundsätzlich wurde die Struktur der Musikschule beibehalten, wie Sören Jacobsen erklärt. Der junge Mann mit der randlosen Brille ist Community Manager des Hotels, eine Mischung aus Pressesprecher und Social-Media-Fütterer, und weist auf die ausgetretenen Stufen des ersten Treppenabsatzes hin. Die Dellen erzählen von den Weihnachtskonzerten der Studenten, als sie sich für den Chor mitsamt Orchester positionierten und für die Öffentlichkeit aufspielten. Eine Tradition, die das Hotel fortführen möchte, sollte es die Pandemielage ermöglichen.

In der zweiten Etage mussten die Musikschüler in einem großen Raum mit Ornamenten und Gold verziertem Stuck ihr Können unter Beweis stellen, wollten sie am Konservatorium angenommen werden. Heute wohnen Gäste in der Suite, die von erfüllten und zerschellten Hoffnungen erzählt, während meterhohe Fenster im Winter das wenige Nachmittagslicht hineinlassen.

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Die Hierarchie der Schule war damals ganz klar. Unten probten die lauten, weniger angesehenen Musikanten, beispielsweise die Schlagzeuger, oben feilten die feinen Künstler wie die Geiger an ihren Fertigkeiten. Kleine Gimmicks erinnern an die Vergangenheit des Hotels: die Notenlinien auf den Schlüsselkarten, die Zimmernummern an den Türen, die aus bauchigen Notenschlüsseln herausgeschnitten sein könnten.

Eine Suite im Nobis: beruhigende Farben, schlichtes Design.
Eine Suite im Nobis: beruhigende Farben, schlichtes Design.

© Sören Kristensen

Das müssen Gäste nicht alles wissen. Manchmal reicht die Prada-Tasche auf dem Marmor – und die Tonlage stimmt. Oder das getrüffelte Rührei zum Frühstück, und der Tag kann beginnen.

In den 74 Zimmern stellen ausgesuchte Möbel die Verbindung zur heimischen Designindustrie her, Prunk ist höchstens in den Bädern erlaubt. Grauer Marmor reicht bis an die Decke, das gibt es sonst eher in römischen Villen als in skandinavischen Häusern. Aber eigentlich strahlt dieses Hotel zurückgenommene Größe aus, eine Grandezza des Grauen – was freilich auf die gesamte Stadt zutrifft.

Und deshalb fügt sich das Nobis gut in sie hinein. Weil dieses Fließende zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Starrheit und Wandel, etwas über den Zustand der Gegend erzählt. Man muss hinüber in die Glyptotek, diesen Prachtbau aus dem späten 19. Jahrhundert mit seiner Backsteinfassade, um die Geschichte zu verstehen.

Von der Brache zum Hotel

Eröffnet hat das Haus der Brauereimäzen Carl Jacobsen, er stiftete dem Museum seine Kunstsammlung, antike Büsten, steinerne Damen ohne Arme, Herren ohne Beine, und ließ den Wintergarten anlegen. Wenn auch noch nicht mit dem Brunnen darin, an dem heute Pärchen jeglicher Altersstufe sitzen und diesen Mini-Palmenwald im Zentrum genießen.

Links im Erdgeschoss erzählt ein Teil der Ausstellung von der Historie des Hauses. Ein Foto von 1900 zeigt, wie damals der Museumsblock inmitten einer Brache lag. Drumherum nur Wiese, dahinter ankerten Schiffe. Die neuen Arbeitersiedlungen Vesterbro und Nörrebro lagen auf der anderen Seite des Bahnhofs, im Viertel hin zum Hafen gab es kein städtisches Leben. Dort, wo heute das Nobis steht.

Mit der Antike auf Tuchfühlung in der Glyptotek.
Mit der Antike auf Tuchfühlung in der Glyptotek.

© Glyptoteket

Warum war hier nichts zuvor? Diese Frage beantwortet das Museum of Copenhagen, das vor kurzem eine Ecke weiter eröffnet hat. Auf den Plänen erkennen Besucher, dass nahe der Glyptotek früher nur Wälle in den Himmel wuchsen. Als die Verteidigunsbollwerke im 19. Jahrhundert unwichtig wurden, baute man die Gegend zu einem Verwaltungsbezirk aus. In der Nähe des Hotels liegt auch das Hauptquartier der Polizei, ein einschüchternder Betonkasten mit rundem Innenhof, den Krimifans aus Serien wie „Die Brücke“ kennen.

Erst nach Banken und Ämtern kamen Mietshäuser ins Viertel, mit ihnen ein wenig Leben. Zu erkennen sind sie an den vielen Fahrrädern, die wild davor parken. Dieser Durchmischung verdankt auch der Netto-Supermarkt seine Existenz, der neben dem Nobis bis 23 Uhr Grundbedürfnisse kulinarischer Art erfüllt.

Der Freihantler ist los

Noch ein letzter Besuch, diesmal im Danish Architecture Centre, ein Glasprotz über einer mehrspurigen Straße. Im Gebäude gibt es ebenfalls ein Fitnessstudio und ein Café, getrennt von der Ausstellung durch dicke Glasscheiben. Hier Schautafeln über gemeinschaftliches Wohnen, dort Schaulaufen des gemeinen Freihantlers.

Verständlich, wer dadurch zu mehr Fleiß angestachelt wird, sich selbst etwas zu optimieren und im Nobis aufzudonnern. Wo ist noch mal die Handtasche fürs Treppenselfie?

Reisetipps: Am schnellsten ist der 45 Minuten lange Flug von Berlin, beispielsweise mit Easyjet ab 70 Euro. Knapp sieben Stunden dauert die Zugfahrt, Sparpreis pro Strecke 41 Euro. Das Nobis gehört zu einer schwedischen Designhotelkette. Das Doppelzimmer für eine Nacht bietet sie ab 360 Euro an, mehr Details unter nobis.se. Diese Reise wurde unterstützt von der Gruppe Nobis Hotels.

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