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Wenn es das Wechselmodell häufiger gibt, dann gibt es auch mehr alleinerziehende Väter, zumindest die Hälfte der Zeit.

© picture alliance / Peter Kneffel

Trennungskinder: Fördert das Wechselmodell!

Heute bei Papa, morgen bei Mama? Vom Wechselmodell für Trennungskinder profitiert auch die Gesellschaft, es sollte zum Leitbild werden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ragnar Vogt

Die Hälfte der Zeit wohnt das Kind beim Papa, die andere Hälfte bei der Mama: Nach einer Trennung entscheiden sich Eltern inzwischen häufiger für ein solches Wechselmodell. Dominant ist aber weiterhin das klassische Residenzmodell: Das Kind wohnt bei einem Elternteil – meist der Mutter – und alle paar Wochenenden bespaßt es das andere Elternteil – meist der Vater.

Dabei ist das Wechselmodell meistens die bessere Lösung, vor allem für das Kind. Es leidet ohnehin schon darunter, dass sich Papa und Mama nicht mehr lieben. Beim Residenzmodell aber gibt es noch ein zusätzliches großes Problem in seinem Leben: Ein Elternteil verschwindet plötzlich aus dem Alltag. Auf einmal gibt es nur noch einen Menschen, dem das Kind vom Schultag erzählen kann oder von dem es Bittedanke-Sagen lernen kann.

Auch deshalb diskutieren derzeit Politiker über das Wechselmodell. Anlass ist ein Antrag der FDP im Bundestag. Ihr Plan sieht vor, dass dieses Modell zum Leitbild werden soll. Das würde bedeuteten, dass Richter in Scheidungs- und Sorgerechtsverhandlungen bevorzugt verordnen würden, dass beide Elternteile zu gleichen Teilen sich um ihre Kinder kümmern müssen.

Die anderen Parteien sind gegen eine solche Gesetzesänderung. Sie argumentieren, dass das Wechselmodell zwar eine gute Lösung sei, die Eltern sollten sich aber freiwillig dafür entscheiden. Würde es vom Gericht verordnet, dann würden zusätzliche Konflikte bei ohnehin schon verstrittenen Eltern entstehen, die auf dem Rücken der Kinder ausgetragen würden. Bei so einem diffizilen Problem, bei dem auch das Rollenverhältnis der Geschlechter eine große Rolle spiele, sollte sich der Gesetzgeber zurückhalten, heißt es auch in einem Tagesspiegel-Kommentar.

Mehr alleinerziehende Väter

Stimmt das, sollte der Staat vorsichtig sein und das nicht steuern? Zunächst einmal: Würde es häufiger das Wechselmodell geben, würden nicht nur die Trennungskinder profitieren. Einen Vorteil hat auch das jeweilige Elternteil, das sonst die meiste Zeit alleinerziehend wäre, also hauptsächlich die Mutter. Sie hätte mehr Zeit ohne Kind, könnte also auch länger arbeiten und besser verdienen.

Bisher gibt es ein sehr hohes Armutsrisiko für Alleinerziehende, weil sie oft schlecht bezahlte Teilzeitjobs übernehmen oder erst gar keine Arbeit finden, die neben der Kinderbetreuung möglich ist. Dieser Effekt würde abgemildert beim Wechselmodell, im besten Fall ist eine Vollzeitstelle möglich, wenn man sich nur in Teilzeit um das Kind kümmern muss.

Gibt es weniger arme Alleinerziehende, profitiert auch die Gesellschaft. Und es gibt noch ein weiteres Argument, das für das Wechselmodell spricht: Es wird mehr Väter geben, die alleinerziehend sind, zumindest die Hälfte der Zeit. Das wird zu mehr Geschlechtergerechtigkeit führen. Arbeitgeber etwa werden stärker dazu gezwungen, familienfreundlich zu werden, wenn sie sich noch nicht mal mehr auf die Männer verlassen können. Zudem: Wenn Männer und Frauen gleichermaßen durch Kinderbetreuung eingeschränkt sind, werden sich auch ihre Karrierechancen angleichen.

Bisher vom Staat nicht vorgesehen

Zurück zu der Frage, ob sich der Staat zurückhalten sollte. Tatsächlich ist es aktuell so, dass er sich zu sehr zurückhält. Bei vielen Amtsvorgängen und Gesetzen ist ein Wechselmodell nicht vorgesehen, da muss noch viel geändert werden. Das fängt damit an, dass das Kindergeld nur an ein Elternteil gezahlt werden kann, obwohl rechtlich die Hälfte dem anderen Elternteil zusteht.

Richtig teuer aber ist es häufig bei der Steuer: Die auch für Alleinerziehende gedachte günstige Steuerklasse 2 steht theoretisch keinem Wechselmodell-Elternteil zu, auch wenn sie in der Regel immerhin einem zugesprochen wird. Hier hätte der Staat einen sehr guten Hebel, um das Wechselmodell zu fördern: Beide Eltern sollten steuerlich als Alleinerziehende behandelt werden.

Leitbild, kein Zwang

Und was ist mit dem von der FDP geforderten Leitbild für das Wechselmodell? Auch hier spricht viel dafür. Gesetze haben oft schon eine Wirkung, bevor sie überhaupt vor Gericht verhandelt werden. So wird zunehmend den Menschen klar, dass die Gesellschaft das Wechselmodell als Standard begreift. Entsprechend würden bald die meisten Eltern, die eine Trennung durchmachen, zumindest erwägen, das Wechselmodell zu leben.

Das würde allerdings auch bedeuten, dass Richter häufiger ein solches Modell anordnen, auch wenn der Vater oder die Mutter dagegen ist. Das ist hart, weil ein Wechselmodell nur dann optimal funktioniert, wenn beide Eltern dahinter stehen und auch bereit sind, sich viel abzusprechen.

Dennoch kann auch die Anordnung funktionieren. Entscheidend ist dann, dass Vater und Mutter viel Beratung und Mediation bekommen, auch dafür muss der Staat sorgen. Zudem müssen dann die Behörden regelmäßig überprüfen, wie es dem Kind damit geht.

Und natürlich müssen beide Eltern ein enges Verhältnis zu ihren Kindern haben: Sollte ein Gericht feststellen, dass Papa oder Mama überhaupt nicht mit ihrer Tochter oder ihrem Sohn kann, dann darf es natürlich nicht verordnen, dass sich die Eltern abwechselnd kümmern müssen. Aber es heißt ja auch Leitbild – und nicht Zwang - zum Wechselmodell.

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