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Ein Club für alle Fälle. Den „Les Boucaniers“ auf der karibischen Insel brauchen Gäste gar nicht mehr verlassen.

© Promo

Tourismus in der Karibik: Solidarität mit Martinique

Die französische Karibikinsel vereint das Beste aus Exotik und Heimat. Zimtsträucher, Delfine unterm Boot, Mindestlohn für Zimmermädchen. Und es gibt dort den einzigen einheimisch geführten Club Med.

Während sich im Konferenzraum des ihm gehörenden Clubhotels Monsieur Yan Monplaisir anschickt, seinem Publikum ein in Tourismusfragen selten vorkommendes Wort entgegenzuschleudern, geht draußen ein tropischer Regen nieder, der in Minutenschnelle die weiten Grünflächen in eine Art Seenlandschaft verwandelt, aber der Hitze des Vormittags nichts nimmt. Quasi: vorübergehende Verwässerung einer Aussicht bei ansonsten unveränderten Bedingungen.

Könnte, was Monsieur Yan Monplaisir dann sagt, mehr sein als eine Verwässerung, ein Ablenkungsmanöver?

„Solidarität“ ist das Wort, das er in den Mund nimmt. Das Wort, bei dem die vor ihm versammelten Branchenvertreter kurz zusammenzucken. Pardon? Solidarität? Mit dem Paradies?

Der Konferenzraum nämlich gehört zum Club Med „Les Boucaniers“, idyllisch gelegen an einer Bucht im Südwesten der Karibikinsel Martinique. Und damit an einem Ort, wo man sich nie sorgen muss, dass ein kühler Luftzug aufkäme. Wo frische Passionsfrüchte, Ananas, Mangos zum Nachschlag verführen. Wo Urlauber einen Fußbreit vom türkisblauen Ozean entfernt unter Palmenschirmen liegen und träumen, wie es wäre, für immer zu bleiben. Wo am Ende eines langen Stegs Wasserski und Wakeboards warten, am Ufer Surfsegel liegen. Wo Delfine um Ausflugsboote kreisen. Ein Katamaran zum Ablegen bereit ist. Oder wie wäre eine Einheit „Musculaire“ mit Musik und Gewichten? Solidarität? Vielleicht eher mit den Urlaubern, denen vor lauter Auswahl schwindelt.

EU-Standards mitten in den Tropen

Non, Monsieur Monplaisir, 65, groß und glatzköpfig am Ende des Konferenztischovals stehend, die Arme auf den Tisch gestemmt, betont, es sei nicht weniger als eine Frage europäischer Solidarität, dass Urlauber aus Frankreich sowieso, aber auch aus Deutschland und wo sonst man sich Ferien leisten könne, nach Martinique kämen. Die kleine Insel sei als französisches Überseedepartement Speerspitze Europas in der Karibik! Und das sei neben allen ethisch-moralischen Vorzügen auch geschäftsschädigend: „Wir konkurrieren hier mit der Dritten Welt“, sagt Monsieur Monplaisir. Ein harter Kampf sei das. Von dem am Strand oder am Pool natürlich niemand etwas mitbekäme.

Dröhnend verweist er auf die Vorteile für die Urlauber, die sich mitten in den Tropen doch auf EU-Standards verlassen könnten: immer Strom, immer fließend warmes und kaltes Wasser, falls mal ein Arzt gebraucht werde, habe der eine solide Ausbildung, und dass nicht zuletzt das Personal keine ausbeuterischen Dumping-, sondern europäische Mindestlöhne erhalte. Das alles zu bewahren bedürfe es der Solidarität. Er schaut in die Gesichter der Tourismusvertreter: Und, habe ich nicht recht?

Mitte der 2000er Jahre hat er mit seiner Monplaisir-Gruppe, einem Immobilienunternehmen, „Les Boucaniers“ übernommen, der damals von der Club-Med-Zentrale in Paris geschlossen werden sollte. Heute ist er der einzige „Local“, der eine der fast 70 Anlagen weltweit von Club Med führt, dem 1950 gegründeten Urmodell des perfekt organisierten All-Inclusive-Urlaubs. Er investierte 15 Millionen Euro und sorgte außerdem dafür, dass der Club auch für die Insulaner zu einem Urlaubsort wurde. Sie kommen hierher und gönnen sich einen Luxus, ganz so, wie Berliner oder Brandenburger zu Selbstbelohnungszwecken Wellnessresorts ansteuern.

Monplaisir fordert Steuererleichterungen

Aber sind Urlauber die richtige Adresse für eine Solidaritätsforderung? Ausgerechnet die Auszeit-Egotripper, die zwei, drei besondere Wochen im Jahr mal nach ihren Interessen leben wollen? Verwässert Monsieur Monplaisir nicht hehre Ziele mit ordinären Wirtschaftsinteressen? Aber so sieht er es ganz und gar nicht. 50 Prozent der Einnahmen gingen bei ihm für Personalkosten drauf, ringsherum liege die Quote bei 25 Prozent, und Steuern zahlten die Hotels dort auch nicht. Dort – in Nachbarstaaten wie Haiti oder der Dominikanischen Republik, wo die Demokratien schwächeln, die Kriminalität groß ist, und unliebsame Personen schon mal im Gefängnis landen, aber die Strände genauso lang und schön sind wie auf Martinique.

Womit also sollen sie locken, wenn nicht mit dem Slogan: „Karibisches Flair und europäische Regeln“?

Aber natürlich reichen mehr Touristen nicht allein, um Monplaisirs Trutzburg zu sichern. Es geht auch um Regularien. Darum fordert er vom französischen Staat drastische Steuererleichterungen für Hotels auf Martinique. Dafür wolle er kämpfen, ruft er, dann lacht er vergnügt auf, weil: Sorgen hat man natürlich, aber sind die schneller weg, nur weil man ernst schaut?

Draußen hat der Regen aufgehört, die Sonne bescheint die Anlage. Die Urlauber schwärmen aus und besetzen die Liegen am Strand, am Pool oder sichern sich ihren Platz beim Wassersport. Faustgroße Krebse eilen seitwärts über die Rasenflächen. Das monotone Pfeifen der winzigen und allgegenwärtigen Antillen-Pfeiffrösche ertönt wieder. Wasser tropft von Dächern und Palmen. Schüchterne Bartgimpelfinken, schwarz mit rotem Fleck auf der Brust, und freche Trauergrackeln mit dreist-gelben Augen hüpfen auf der Suche nach Krümeln über die Tische der überdachten Open-Air-Restaurants, ein Kolibri steht vor einer Blüte in der Luft. Alles glitzert. Europa?

Wäre die Insel nicht das perfekte Königreich?

„Wir konkurrieren hier mit der Dritten Welt“, sagt Yan Monplaisir, Club-Med-Betreiber
„Wir konkurrieren hier mit der Dritten Welt“, sagt Yan Monplaisir, Club-Med-Betreiber

© AFP

Neben den Gästen aus Deutschland sind lokale Medien im Konferenzraum, die alles aufzeichnen und Interviews führen. Das zeigt ebenfalls, wie wichtig sie das Thema Tourismus nehmen. Allerdings ist Monsieur Monplaisir auch nicht nur ein Clubhotelbesitzer. Eher wirkt er mit seinen Verbindungen in die lokale Politik, dem rührigen Engagement im „Comité Martiniquais du Tourisme“ und als Chef der Monplaisir-Gruppe, 1940 von seinem Vater gegründet, wie ein heimlicher König der Insel.

Und wäre die nicht das perfekte Königreich? Kaum größer als Berlin und bewohnt von lediglich 400 000 überaus freundlich wirkenden Menschen. Das Leben ist geregelt, man zahlt mit dem Euro und ist im Schadensfall nicht übertrieben pedantisch. Das legen jedenfalls die Schiffe nahe, die von Ausläufern der letzten Hurrikane auf die Mole oder an den Strand geworfen wurden und dort jetzt unbehelligt eine Art Mahnmalcharakter entwickeln. „Es ist nicht nur flach hier!“, wirbt Monsieur Monplaisir, „wir haben Strände im Süden und Berge im Norden.“ Wo das Paradies noch paradiesischer wird. Dicht an dicht wächst im hügeligen Hinterland alles, was köstlich und essbar ist. Papayas, Guaven, Orangen, Zimt, Zitronengras, dazwischen üppigste und prächtigste Blüten, Hibiscus, Flamboyants, wilde Orchideen, der Name Martinique heißt ursprünglich Blumeninsel. Wie wahr!

Am Nordrand der Insel lauert noch der Vulkan Mont Pelée, dessen Krater sich meist in den Wolken versteckt. Zu Recht, möchte man sagen, denn sein letzter kapitaler Ausbruch 1902 war ein Inferno für die Inselhauptstadt, die damals an seinem Fuß lag. Fast völlig zerstört wurde sie, nur drei Menschen sollen die Feuersbrunst überlebt haben: ein Mädchen, ein Schuhmacher und ein Gefängnisinsasse. Auf den Wiederaufbau hat man verzichtet, es wurde eine neue Hauptstadt gebaut: Fort-de-France.

Monplaisir, zu deutsch: mein Vergnügen

Das bunte Städtchen wäre wohl der Sitz von König Monplaisir, so wie es stattdessen der Sitz der Regionalregierung, der Pariser Vertretung und der Monplaisir-Gruppe ist. Dem Unternehmen gehört auch das Hauptstadthotel „La Batelière“, in dem französische Präsidenten bei ihren Martinique-Besuchen abzusteigen pflegen – und in dessen Präsidentenzimmer, wie kichernd kolportiert wird, einst für den nicht so großen Nicolas Sarkozy ein Tritt vor das besonders hochbeinige Präsidentenbett gestellt wurde. Außerdem wurde in einen 21-stöckigen Geschäftshausklotz direkt am Hafen investiert, ein modernes Wahrzeichen gewissermaßen, das auch jene Kreuzfahrtschiffe überragt, die beim Anlegen die halbe Insel verschatten.

Und – ganz nebenbei – ist nicht auch sein Name eines Königs würdig? Monplaisir, zu deutsch: mein Vergnügen, und nicht nur seins, wie es scheint. Viele Augen strahlen, wenn von ihm die Rede ist.

Peu-à-peu werde der Club weiter modernisiert, erzählt Yan Monplaisir. Offene Showküchen will er bauen lassen, damit die Gäste sehen können, wie für sie filetiert, gebraten, gegart wird. Vorgaben aus der Club-Med-Zentrale in Paris gebe es nicht. Umso besser, denn die Vorstellungen von richtig und falsch können in Paris und seinem 6000 Kilometer entfernten Überseedepartement sehr unterschiedlich sein. Was sich übrigens besonders deutlich an Bananen zeigt.

Vieles sieht aus wie in Frankreich

Bananen wachsen überall auf Martinique, sie sind das Hauptexportgut der Insel. Aber wie im Tourismus konkurriert Martinique in Sachen Bananen mit lateinamerikanischen und afrikanischen Entwicklungsländern, vielmehr den multinationalen US-Konzernen, die deren Märkte dominieren – und damit auch den europäischen Importhandel. Auch hier fehlt es, mit Monsieur Monplaisir gesprochen, an der nötigen Solidarität. Aber hier ist sie schwieriger zu aktivieren als im Tourismus, wo man Menschen anspricht und nicht Konzerne.

Nach dem Termin im Club Med fährt Monsieur Monplaisir zurück ins Büro, nach Fort-de-France. Der Weg führt ihn über die Inselautobahn, auf der es jeden Morgen und jeden Abend Stau gibt. Immer wieder tauchen am Straßenrand Gruppen von bunten Rennradfahrern auf, die im Training sind. Die Straßen- und Verkehrsschilder sehen aus wie in Frankreich, ebenso die Supermärkte und die Autokennzeichen, sie haben den dreistelligen Code 972.

Aber dann geht wieder so ein Regen nieder, einer warmen Dusche gleich. Routiniert werden überall kleine Regenschirme aufgespannt. Kaum eine Minute dauert das. Wer nicht schnell genug hingeschaut hat, bekommt es kaum mit. Hinterher glänzt das karibische Eiland wie eben neu geschaffen. Das macht bei allen Vertrautheiten dann eben doch den großen Unterschied.

Reisetipps für Martinique

Ankommen

Für die Einreise ist ein gültiger Reisepass notwendig. Ab November fliegt Condor von München direkt nach Fort-de-France (Zubringer mit der Lufthansa von Berlin), ein Ticket kostet ab 690 Euro. Alternativ mit Air France für denselben Preis, aber man muss in Paris den Flughafen wechseln.

Unterkommen

Der im Text beschriebene Club Med „Les Boucaniers“ liegt im Süden der Insel, knapp 40 Kilometer vom Flughafen entfernt. Eine Woche All-Inclusive bietet der Club ab 1364 Euro an, zu buchen unter clubmed.de

Rumkommen

Eine Bootstour mit „Dauphins Emotion“ zu Buchten, in denen Schildkröten leben, die man beim Schnorcheln mit Glück sehen kann. Das „Effet Mer“ in Le Carbet besuchen, direkt am Strand. Ein Familienbetrieb mit fabelhaften Desserts und wochenends Livemusik und Tanz (Grande anse, Le Carbet).

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