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Dickbauch-, oder auch Hängebauchseepferdchen, werden bis zu 35 Zentimeter lang

© Robert Schlesinger/dpa

Tierkolumne: Berliner Schnauzen: Wo die Väter schwanger sind

Der Mann gebiert die Babys und die Eltern fressen ihre Kinder nicht. Aber nicht nur in dieser Hinsicht sind die Dickbauchseepferdchen Vorbilder.

Von Julia Prosinger

Gleichberechtigt Eltern sein: im Menschenreich ein wild diskutiertes Problem. Die Dickbauchseepferdchen haben eine Lösung. Sie tragen sie vor sich her. Männchen und Weibchen dieser nach Säugetieren benannten Fische teilen sich Schwangerschaft und Aufzucht auf nachahmenswerte – wenn’s so einfach wäre! – Weise.

Im Aquarium pumpt ein solcher Seepferdmann seine weiße Wampe nun mächtig auf, zieht sie zusammen, plustert sich erneut auf. Geburtsvorbereitungskurs? Wehen? Teil des Balzgebarens? Soll die Seestute sehen: Sooo viele Babys passen in meinen Bauch?

Revierleiter Marco Hasselmann sagt: „Der streckt sich nur“. Bei der Balz würde er den Kopf neigen, Seehengst und -stute färbten ihre individuell gemusterten Knochenplatten, die sie statt Schuppen tragen, bunter, umwickelten einander mit ihren Greifschwänzchen, schwebten spiralförmig gen Wasseroberfläche. „Das sieht sehr zärtlich aus“, sagt Hasselmann. Himmelfahrt.

Weibliche Ejakulation

Schließlich setzt sich das Weibchen – braucht es diese Kategorien eigentlich noch? – rittlings – Pferdchen, die reiten? – auf den weichen Bauch des Partners wie auf ein Kissen. Dort spritzt es Laich ab, weibliche Ejakulation!, bis zu 500 Eier werden später in der Wölbung befruchtet.

Nach drei bis vier Wochen strömen die Jungtiere aus des Vaters Höhle, sammeln sich an der Wasseroberfläche und treiben an ihren Schwänzchen verbunden umher. Manch eines trägt die Strömung davon.

Dass die Seepferde nicht nur fortschrittliche, sondern auch gute Eltern sind, zeigt sich daran, dass ihnen eine Fresshemmung gegenüber den eigenen Kindern eingebaut ist. Andere Fische handhaben’s grausamer.

Sie wachsen lebenslang

Im Aquarium floaten Hunderte dieser Mini-Dickbäucher, formvollendet wie die Großen, aber nur einen Zentimeter kurz, im Keller, der Brutstätte auch für kleine Schlangen und Babyhaie.

Dickbauch-Seepferdchen wachsen lebenslang (auch hier sind sie vorbildlich!), nur immer langsamer. Bis 35 Zentimeter werden sie in neuseeländischen und australischen Gewässern, gehören damit zu den größten und dank ihrer oszillierenden Rückenflosse schwimmaktivsten ihrer Gattung.

Beim Umsetzen der Tiere müssen Hasselmanns Kollegen darauf achten, dass keine Luft in die Dickbäuche gelangt ist, sonst treiben sie rücklings an der Oberfläche.

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Gefüttert wird so: Hasselmanns Kollegen schubsen lebende – Fressanreiz! – vermischt mit Stücken von gefrorenen Garnelen – günstiger! – durch eine Röhre ins Becken. Ein Dickbauch klappt den Unterkiefer ab, kreiert einen Sog, der die Häppchen in sein röhrenförmiges Maul flutschen lässt. Seepferdchen-Haltung ist auch deshalb diffizil. Zu feinen Sand könnten sie einsaugen, dann verenden sie, Kies eignet sich gut.

In der chinesischen Medizin werden die Tiere übrigens getrocknet eingesetzt. Ob sie auch strukturelle Benachteiligung heilen können? Und die Lesart vom hässlichen, dicken Bauch? Ein Mittel gegen Bodyshaming?

Seepferdchen, heißt es oft, lebten monogam. Hasselmann ist sich da nicht so sicher. Schließlich müssen sie schon für genug menschliche Moralvorstellungen herhalten.

Fütterungszeiten
Stetig durch eine Röhre im Becken

Lebenserwartung
Bis zu acht Jahren

Interessanter Nachbar
Mittelmeer-Muräne, Arapaima

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