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Plastiktüten im Meer

© Mike Nelson/epa/dpa-tmn

"The Ocean Clean-up": Wie ein Niederländer das Meer vom Müll befreien will

Boyan Slat hat einen Traum: Sein Start-up soll die Meere vom Plastik befreien. Nach einem ersten Fehlversuch ist „The Ocean Cleanup“ nun erneut gestartet.

Endlich mal eine gute Nachricht auf Twitter. „Cleanup system still stable“ – das System arbeitet und ist noch nicht kaputt gegangen, hieß es am Samstag. Seit ein paar Wochen schwimmt das schwarze U anstandslos auf 600 Metern Länge. Es sammelt Tüten und Flaschen und sonstigen Unrat, mal mehr und mal weniger – aber alles, wie es sein sollte.

Nachdem Wind und Wellen den ersten Schlauch kappten, scheint der zweite zu funktionieren: Es gibt wieder Hoffnung für „The Ocean Cleanup“ – und damit auch etwas für den Kampf gegen die Plastikflut in den Weltmeeren. Nichts Geringeres als deren Beseitigung hat sich das Projekt vorgenommen.

„The Ocean Cleanup“ ist das Projekt eines jungen Gründers. Die Idee dazu hatte Boyan Slat schon mit 16 Jahren. Heute ist der Niederländer 24, trägt Turnschuhe, zu großes Hemd und braune Wuschelhaare. Für seine große Ansage wirkt er ziemlich bodenständig. Nur wenn es um sein Vorhaben geht, kann er sich in Rage reden. So wie in dem Video-Vortrag, der im März 2013 plötzlich viral ging, und von seiner Idee des Müllschluckers im Meer handelte.

Elf Minuten geht der Clip. Slat ist aufgeregt, die Stimme bebt, während er auf dem Podium hin und her läuft. Er spricht von seiner Leidenschaft fürs Schnorcheln, zeigt Urlaubsbilder von den Azoren – und dann vom Strand voll bunter Partikel und einem Albatros, der am Müll im Magen verendet. Slat spricht vom „Plastik-Zeitalter“ und den Folgen: Wie der Müll in die Meere gelangt, die Umwelt verschmutzt, Tiere tötet – und zurück in der Nahrungskette auch den Menschen selbst gefährdet. Dann kommt Slat zu seiner Lösung: The Ocean Cleanup.

Zwischen Kalifornien und Hawaii liegt eine der dreckigsten Meeresflächen der Welt. Ein Projekt hat nun mit der Reinigung begonnen.
Zwischen Kalifornien und Hawaii liegt eine der dreckigsten Meeresflächen der Welt. Ein Projekt hat nun mit der Reinigung begonnen.

© The Ocean Cleanup/promo

Vereinfacht gesagt ist das System ein schwimmender Schlauch, von dem wischmoppartige Stränge ins Wasser reichen und dieses filtern. Bis in drei Meter Tiefe verfängt sich der Müll darin. Die Strömung treibt immer neuen an – das System selbst wird mit einem Anker gehalten. Regelmäßig kommt dann ein Schiff vorbei und holt den Kunststoff ab zum Recyclen. Bis zu eine Tonne pro Woche soll so eingesammelt werden. Wenn mit dem Prototyp alles gutgeht, auch mehr an verschiedenen Standorten. Der Bedarf ist immens: Geschätzte 150 Millionen Tonnen Müll treiben auf den Weltmeeren.

Betrieben werden Lichter, Kameras und Satelliten mit Solarzellen. Der Rest des Systems läuft mit Wind und Wellen. Wie ein Manta, der auf dem Wasser gleitet, sagt Slat im Video. Klimaneutral, ohne Emission - das sei doch besser, als wenn man Schiffe mit Netzen losschicke, sagt er. Aus der Vision ist mittels Crowdfunding ein Start-up gewachsen. Inzwischen beschäftigt Boyan Slat in Rotterdam 80 Leute. „System 001b ist im Juni filmreif unter der Golden Gate Bridge, San Francisco, gestartet.

Vor gut zwei Wochen ist es am Great Pacific Garbage Patch angekommen. Der „Müllfleck“ ist die wahrscheinlich bekannteste Plastikinsel – sie fasst zwischen Kalifornien und Hawaii eine Fläche, die so groß sein soll wie Europa. Fast zwei Billionen Plastikteile, schreibt „The Ocean Cleanup“. Es will ihn beseitigen – und zwar binnen fünf Jahren um die Hälfte.

Der niederländische Erfinder Boyan Slat
Der niederländische Erfinder Boyan Slat

© dpa

Das ist zumindest das erklärte Ziel. Wie effizient der Meeres-Müllschlucker wirklich wird, lässt sich noch nicht absehen. Boyan Slat und sein Team sind in den zweiten Versuch deutlich verhaltener gestartet, als noch in den ersten. Um Slats Idee und die Umsetzung war weltweit ein Hype entstanden. Vom Retter der Meere war schon die Rede.

Umso größer war die Enttäuschung, als der erste Versuch scheiterte. Im Winter 2018 hatten sie nach nur zwei Monaten abgebrochen. Der Müll war zurück ins Meer getrieben. Bei Wind und Wellen brach dazu ein Stück des Schlauchs ab. „Hoffentlich hat die Natur diesmal nicht so viele Überraschungen für uns bereit“, twitterte Boyan Slat vor dem Neustart in diesem Juni. „So oder so, wir sind bereit von dem Versuch zu lernen.“

So groß die Hoffnungen sind: Es gibt auch skeptische Stimmen. Forscher klagen, der Müll schwimme zu tief, als dass man ihn von der Oberfläche fischen könnte. Mikroplastik kann der Saubermacher nicht auffangen. Andere wie die Deutsche Stiftung Meeresschutz warnen gar vor Risiken. Kleinstlebewesen, die inzwischen auf dem Kunststoff gesiedelt hätten, würden ebenso wie Fische und Meeressäuger eingefangen und getötet. Das Projekt sei gut gemeint, aber nicht gut gemacht, schreibt die Stiftung auf ihrer Internetseite. „Sauber, aber leblos – das darf nicht das Schicksal der Ozeane sein.“

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Boyan Slat lässt sich nicht entmutigen. „Es liegt in meiner Natur, Menschen zu beweisen, dass sie falsch liegen, wenn sie etwas für unmöglich halten“, sagte er der BBC 2014 in einem Interview. Er denke nicht in Sorgen, sondern in Herausforderungen.

Seit zwei Wochen liegt die schwarze Kunststoffröhre nun im Pazifik. Aktuell testet das Team verschiedene Funktionen: wie viel Müll die Barrieren sammeln, wenn die Fangarme sich schnell oder langsam bewegen, etwa. „Das Ergebnis ist noch nicht, was wir uns wünschen, aber das werden wir in den nächsten Tagen noch austüfteln“, hieß es zuletzt auf Twitter. Boyan Slat selbst schaut dem Fortschritt von der Küste über Kameras zu. Warum erklärte er dem „Time Magazine“ einmal im Interview: Der, der sich um den Ozean sorgt, wird furchtbar leicht seekrank.

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