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Bei fast der Hälfte der Opfer begann der Missbrauch schon vor dem sechsten Lebensjahr.

© Inga Kjer/dpa

Studie zu sexueller Gewalt in der Familie: Opfer können oft kaum entkommen

870 vertrauliche Anhörungen wurden ausgewertet. Am häufigsten waren männliche Verwandte die Täter - vor allem Väter.

Sie war zehn oder elf Jahre alt, als die sexuellen Übergriffe begannen. Der Vater missbrauchte sie, dieser extrem aggressive Mann, der sie auch ständig prügelte. In ihrer Not redete sie mit einem Mann vom Jugendamt über den Missbrauch. Er kannte den Vater wegen dessen Aggressivität, aber die Übergriffe glaubte er nicht. Er glaubte es auch nicht, als sie es wiederholte, einmal, zweimal.
Die Frau, die das alles erlebt hat, heißt Monika. Es ist eine von 870 Opfergeschichten, die eine „Kommission zu Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in Familien seit 1945 bis zur Gegenwart“ ausgewertet hat. Am Dienstag hat sie ihre Studie vorgestellt, und sie hat eine Kernbotschaft. „Die Gesellschaft muss sich für die Opfer interessieren“, sagte Sabine Andresen, die Vorsitzende der Kommission und Autorin der Studie, „und Außenstehende müssen sich einschalten, wenn sie Hinweise auf Missbrauch haben. Sexueller Kindesmissbrauch ist keine Privatangelegenheit.“ Die Opfer, die sich gemeldet haben, sind heute zwischen 16 und 80 Jahre alt.

In den meisten Fällen sind die Väter die Täter

Tatort Familie. Die größte Tätergruppe bildeten die Väter (36 Prozent), aber in immerhin acht Prozent missbrauchten Mütter ihre Kinder. Dazu kommen Großväter, Geschwister, Onkel, teilweise wussten sie voneinander oder planten die Taten sogar gemeinsam. Die Opfer: Säuglinge waren dabei, Jugendliche kurz vor der Volljährigkeit, niemand wurde verschont, fast die Hälfte der Betroffenen jünger als sechs Jahre.

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Nur fünf Prozent der Opfer haben sich Menschen außerhalb der Familie anvertraut, meist Lehrern. Das Leid hätte freilich schon vor diesen Hilferufen vermieden werden können, aber es fehlte am Willen von Menschen, die Hinweise auf Missbrauch hatten. „Die Scheu von Außenstehenden, sich in Familien einzumischen, hat dazu geführt, das Kindern nicht geholfen wurde“, sagte die Erziehungswissenschaftlerin Marie Demant, Mitautorin der Studie.

Bei den meisten Opfer griff aber allein schon die klassische Täterstrategie, damit die Übergriffe nicht bekannt wurden. Den Opfern wurden Prügel angedroht, wenn sie etwas sagten oder es drohten Prügel für die Geschwister. Am wirkungsvollsten aber war der Satz: „Mit der Familie passiert etwas Schlimmes, wenn das herauskommt.“ Dieses Schweigegebot, sagte Marie Demant, „war allmächtig“.

Ausgerechnet die wichtigsten Bezugspersonen werden zu Tätern

Ausgerechnet jene Menschen, die für ein Kind die wichtigste Bezugspersonen sind, präsentierten sich als Täter. „Der Schutzraum Familie wurde zur dramatischen Falle“, sagte Marie Demant. Kinder könnten „nur schwer verstehen, was da passiert“. Auch Jugendämter hätten nicht entschieden genug eingegriffen. Wie im Fall von Monika. „Ich werde den Mann vom Jugendamt mein Leben lang wahrscheinlich nicht vergessen“, sagte sie der Kommission. „Er hat mir nicht geglaubt. Zu diesem Zeitpunkt hat sich mein Leben verändert.“

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