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E-Roller sind in vielen Städten umstritten.

© REUTERS

Streit über neue Mobilität: Rettet den E-Roller!

Viele würden die E-Roller am liebsten sofort aus dem Stadtbild verbannen. Das wäre ein fatales Signal. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Tretbar

Überall stapeln sich diese Dinger. Gemeingefährlich. Bringt sowieso nix für die Umwelt. Nutzen ohnehin nur Touristen. Das gehört verboten und abgeschafft. So in etwa ist der Tenor, wenn es um Veränderung im Verkehrswesen in Deutschland geht. Aktuell beim E-Roller zu beobachten. Da ist man doch froh, dass eine Stadt wie Mailand jetzt endlich den Stecker zieht und das Gefährt erstmal wieder aus dem Straßenbild verbannt. Endlich gebietet mal einer der Veränderung Einhalt.

Dabei ist es nicht nur sinnlos, sondern töricht so zu denken. Denn Mobilität wird sich insgesamt elektrifizieren und sie wird sich zunehmend auch verkleinern - zumindest in den großen Städten. Denn der Platz wird immer enger, die Städte immer voller und deshalb müssen sich auch die Transportwesen anpassen.

Im Ärger über die E-Scooter drücken sich gleich mehrere deutsche Ur-Ängste aus: vor Veränderung im Allgemeinen und vor Veränderung auf der Straße im Besonderen.

Das Auto wird noch weniger Platz haben und sich den knappen Raum teilen müssen - jetzt nicht nur mit den nervigen Fahrradfahrern, sondern mit den merkwürdigen E-Scootern. Das Auto verliert nicht nur seinen Wert als Statussymbol, es hat auch kein Alleinstellungsmerkmal mehr auf der Straße. Es reiht sich ein in eine Reihe gleichwertiger Fortbewegungsmittel.

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Natürlich ist es richtig über Veränderungen auch beim E-Scooter nachzudenken: Helmpflicht und Blinker wären so zwei Sachen, die die Sicherheit der E-Scooter-Fahrer erhöhen könnten. Genau wie man es beim Auto (Sicherheitsgurt) oder beim Fahrrad (Licht, Helm etc.) auch getan hat – und weiter tun muss.

Aber verschwinden sollte der E-Scooter nur dann von der Straße, wenn ihn keiner nutzt, weil er unpraktisch oder nicht alltagstauglich ist. Aber nur dann. Ein Exodus aus ideologischen Gründe oder aus Angst vor dem Neuen auf der Straße wäre ein fatales Signal. Es wäre der Sieg des teutonischen Automobilitäts-Konsvervatismus über den Mobilitätsfortschritt.

1,2 Millionen Autos sind in Berlin zugelassen, dagegen wirken die knapp 5000 E-Roller wie eine Nichtigkeit. Auf jeden Fall sind sie kein Grund zur verkehrspolitischen Panik. 

Man wird sich dran gewöhnen müssen. Der E-Scooter ist ja nicht das erste elektrische Leichtgewicht auf Straße und Fußweg. E-Bikes waren die ersten und entwickeln sich zu einem sehr beliebten Fortbewegungsmittel, obwohl es auch da am Anfang Bedenken gab. Und der E-Scooter wird auch nicht das letzte seiner Art sein. Lastenräder, Skateboards oder andere Fortbewegungsmittel werden folgen.

Jeder, und das bedeutet Freiheit auch, darf sich für das Mittel seiner Wahl entscheiden und sich fortbewegen, wie es am besten passt - oder wie es in bestimmten Lebenslagen passt. Aber die Grenzen der individuellen Freiheit im Verkehr müssen neu ausgelotet und in ein neues Gleichgewicht gebracht werden.

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Wer neue Freiheit gewinnen will, muss alte abgeben. Heißt: das Auto muss Platz machen, der Fahrradfahrer Rücksicht nehmen, der Fußgänger sich neu einordnen, der E-Roller-Fahrer mehr auf seine Umgebung achten. So schwer ist das eigentlich nicht. Gefordert ist jeder einzelne.

Die Politik muss dagegen die Möglichkeiten für diese neuen Freiheiten schaffen. Abgesicherte, klar erkennbare Wege, auf denen Fahrräder, Lastenräder, E-Scooter Platz haben. Auch dort darf keiner neuer Verteilungskampf stattfinden. Aus dem Kampf Radfahrer gegen Autofahrer darf kein neuer Mobilitätskonflikt zwischen Fahrradfahrern und E-Scooter-Fahrern werden.

Das kann gelingen, wenn gerade Städte wie Berlin mit großem Nachdruck voran gehen, die Umsetzung beschleunigen und die Angst vor Auto- und Fahrradlobby abgelegt werden würde. Doch genau da liegt das größte Problem. Den Ankündigungen folgen zu wenig Taten. Bis die ersten echten Rad-Highways fertig sind, sind sie schon wieder zu klein, überholt und aus der Zeit gefallen.

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