zum Hauptinhalt
Die Auswahl an Krachkunst ist bei Spotify inzwischen enorm.

© dpa

Spotify, CD oder Vinyl?: Unsere Autoren streiten über die beste Art, Musik zu hören

Er mag Musik nur, wenn sie rauscht und knackt. Sie braucht ihre im Regal. Doch welcher Tonträger ist eigentlich der beste?

SPOTIFY
Ich habe ausgemistet! Schon vor ein paar Jahren. Raus mit dem Plastik, das sich bis unter die Decke stapelte. Irgendwo im niedrigen vierstelligen Bereich wird sich das bewegt haben, was da über die Jahre an CDs zusammengekommen war. Ich habe sie nie gezählt. Vor allem aber: Ich habe sie nie mehr gehört.

Ein Grund war sicher, dass ich meist eh nur Lust auf meine vier oder fünf Lieblingsalben hatte. Ein anderer, dass ich zu Hause kaum noch zum Musikhören kam. Mit Post-Black-Metal und Drone Doom brauche ich meiner Familie nicht zu kommen. Kann ich akzeptieren. Höre ich meine Musik eben unterwegs: beim Fahrradfahren, beim Einkaufen, beim Sport.

Einen Unterschied beim Sound kann ich nicht erkennen

Wer aber mal versucht hat, mit einem Discman zu joggen, merkt schnell, dass das nicht funktioniert. Ständig springt das Teil, permanent sind die Batterien leer. Die Lösung: Spotify. Für lächerliche fünf Euro im Monat (ich teile mir das Abo mit meiner Frau) habe ich alles, was ich vorher im Regal hatte. Die Auswahl an Kunst und Krach ist inzwischen wirklich gewaltig, einen Unterschied in der Soundqualität kann ich beim besten Willen nicht erkennen, und die Vorstellung, dass man Musik besitzen kann, habe ich eh nie verstanden. Vermissen tue ich also nichts. Im Gegenteil. Die „Radio“-Funktion schenkte mir zahllose Entdeckungen, die ich ohne sie wohl nie gemacht hätte. Und das ist, was mich – bei aller berechtigten Kritik am Geschäftsmodell der Schweden – wirklich für die App einnimmt: Dass sie es geschafft hat, mich nach den genügsamen Jahren mit meiner Handvoll Lieblingsplatten noch mal richtig neugierig auf Musik zu machen. Ohne mir dabei die Wohnung vollzumüllen. Moritz Honert

Ein paar Schlager und Oldies – und dazu Blick und Gedanken schweifen lassen.
Ein paar Schlager und Oldies – und dazu Blick und Gedanken schweifen lassen.

© dpa-bildfunk

AUTORADIO
Es nervte nur noch: ungesund, stressig und teuer. Vor Jahren habe ich mein Auto verschenkt und fahre seitdem glücklich mit dem Rad durch die Stadt und mit der Bahn durchs Land – schmerzlich fehlt mir nur: das Autoradio. Im städtischen Trubel, in dunklen, ewigen Autobahnnächten oder langen Urlauben ganz allein oder zu zweit mitten im Klangkörper zu sitzen. Ganz nah, quasi persönlich die schillerndsten Ausgrabungen und Absurditäten, die Playlists und Plattenkisten intelligenter Menschen ausgebreitet zu bekommen, zwischendurch ein gepflegtes Gespräch, eine knappe präzise Information übers Tagesgeschehen da draußen, ruhig auch (in der Radiowüste Norddeutschland) ein paar Schlager und Oldies – und dazu Blick und Gedanken schweifen, die Ohren ganz offen lassen zu können, das funktioniert ja nicht am Schreibtisch.

Das kann mir keine EarPod bieten

Das kann mir auch kein Kopfhörhelm und kein EarPod bieten, das geht nicht in der Öffentlichkeit eines ICE-Waggons oder mitten im Nahkampf der Verkehrsteilnehmer. Bei Hörspielen und Podcasts auf dem Sofa setzen bei mir zu schnell Tiefenentspannug und Schlaf ein – im Auto haben sie mich stets wachgehalten.

Die zeitliche, räumliche und akustische Konzentration beim Hören auf Rädern, in der mir Experten und Expertinnen ihre Schätze aus den unermesslichen, vollkommen subjektiven Weiten, Abgründen und Höhen des Musikgeschehens vorsetzen, liebevoll moderiert und persönlich beplappert handverlesene Songs vorspielen, die kann ich nur noch selten genießen. Ab und an im Mietwagen ... aber auch das ist nicht dasselbe, wie im eigenen rollenden Blechwohnzimmer Burghard Rausch, Arnd Zeigler, Christine Heise, Anja Caspary und Milena Fessmann – oder mir gänzlich unbekannte Kollegen dieser Musikradioikonen – zum gemeinsamen terrestrischen Lauschen zu treffen. Vielleicht ist die Zeit inzwischen reif, mir ein Hörauto in den Vorgarten zu stellen. Carsten Werner

CD
Musikalisch bin ich eine Niete, und was meinen Musikgeschmack angeht, Dinosaurier. Ich werde jetzt nicht zu sehr ins Detail gehen, um mir keine Sympathien zu verscherzen, nur so viel: Ich habe eine Schwäche für Musicals und Filmmusik und fast alles, was soft ist (außer Schlager). Harte, schrille Töne mag ich im öffentlichen Leben so wenig wie im Wohnzimmer. Und nur dort höre ich Musik. Ein Knopf kommt mir nicht ins Ohr.

Wenn ich also nach Hause komme, sage ich nicht: Oh, heute Abend habe ich aber Lust auf Leonard Cohen oder die Beatles (ich sage doch, Dinosaurier). Ich muss ans Regal gehen und stöbern, und dann beschließe ich, au ja, zum Essen schmeckt mir jetzt Tom Waits perfekt („The Early Years“, sehr soft) oder Misia und zum Nachtisch Nat King Cole. Beim Aufräumen: Jukebox anno 1957, dann Finnischer Tango (sehr lustig) oder Amy Winehouse (sehr traurig). Musik habe ich nicht im Kopf, sondern im Regal. Ich muss das Ding sehen und in die Hände nehmen können, im wahrsten Sinne abwägen.

Meine Vinylsammlung habe ich verschenkt

Für Vinyl habe ich nie nostalgische Gefühle entwickelt, meine Sammlung habe ich leichten Herzens an die nächste Generation weitergegeben. Ich war begeistert, wie viel Platz ich dank der – einst – neuen Erfindung der CD sparen konnte. Zugegeben, ästhetisch haben sie wenig zu bieten. Klein und dann noch aus Plastik, besitzen die Hüllen im Unterschied zu Büchern keinerlei dekorativen Wert im Regal. Aber wenn ich sie dann in die Hand nehme, und Suzanne Vega oder Nick Cave schauen mich an, dann freu ich mich jedes Mal, dass es sie gibt. Susanne Kippenberger

ITUNES
Ich war 14, und mein digitaler Musikbestand war ein Chaos: zig Dateien mit merkwürdigen Titeln wie billy talent_Track 04_live0008.mp3, gefischt aus zwielichtigen Datenbanken. Dann, Weihnachten 2005, kam der iPod. Mit dem iPod kam iTunes. Mit iTunes kam Ordnung. Apple nannte das Programm eine Mediathek, und so penibel befüllte ich ihre Kategorien: Interpret, Album, Titel, Genre, Cover. Musik kaufe ich seitdem nur über den iTunes-Store. Das ist günstiger und schneller, als CDs zu besorgen, die oft nur noch in dünnen Papphüllen ohne Booklet liegen. Die Alben fließen ins iTunes-System.

Der iPod ging, das iPhone kam

Als das iPhone kam, musste der iPod gehen. iTunes blieb. Apple nennt das Programm inzwischen „Music“. Sonst ist alles beim Alten geblieben: Ich importiere die Mediathek auf jede neue Smartphone-Generation und mit ihr alle Lieblingsstücke, die mich seit 15 Jahren begleiten.

Ja, es gab Krisenmomente: Mancher Handy-Speicher reichte für die vielen Musik- und Fotodateien nicht aus. Aber das war nur ein heilsamer Anlass, mich von Altlasten (Billy Talent) zu befreien. Meine Mediathek habe ich seitdem immer dabei. Ohne Internet, ohne Werbung. Dafür muss ich kein Abo abschließen. Und wenn ich es täte und eine Mediathek auf einer Flatrate-Plattform aufbauen würde, dann wäre die ja wieder futsch, wenn ich den Dienst lösche. Max König

Musik habe ich nicht im Kopf, sondern im Regal.
Musik habe ich nicht im Kopf, sondern im Regal.

© AFP

VINYL
Klack, ssssst, ffffff ... Mit dem Umlegen des Schalters beginnt bereits ein Schauspiel. Der Teller nimmt Fahrt auf, der Tonarm hebt und dreht sich und senkt sich sachte in die schwarze Rille.

Es musste ein vollautomatischer Plattenspieler sein, als ich vor zwei Jahren auf die Suche nach einem Gerät ging. Einer, wie er Anfang der 80er in jeder zweiten deutschen Schrankwand zu finden war. So auch in unserem Wohnzimmer. Im Internet erstand ich einen generalüberholten Plattenspieler aus dem Jahr 1975. Er hat meine Liebe zur Musik neu entfacht – und wurde zugleich mein Verhängnis. Wer einen Plattenspieler kauft, bekommt gratis ein ganzes soziales Netzwerk dazu. Es findet sich vor allem auf Flohmärkten. Da ist Robert aus Schwaben, der verlässlich Rock und Jazz im Angebot hat, oder Carsten, der mir die bluesigen Stones der ersten Jahre nahebrachte, als ich nach Beatles fragte. Auch auf Reisen schaue ich inzwischen immer nach Vintage-Läden mit ihrer Schatzkammer-Stimmung. Ohne neue Platte komme ich selten nach Hause.

Die Swing-Platten für 50 Cent musste ich haben

Vinyl hat mir wieder Lust darauf gemacht, alte Musik zu entdecken. Plötzlich habe ich Harry Belafonte im Regal, Ian Dury, Muddy Waters, Howlin’ Wolf. Die Swing-Platten aus dem Moka Efti musste ich für 50 Cent einfach mitnehmen, und manchmal kaufe ich eine Scheibe auch nur wegen ihres Covers – eine fast verlorene Kunstform. Ich schaue, höre und genieße. Ingo Salmen

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false